Ein Fünftel aller Arbeitnehmenden digital gestresst
Gefühlter Zwang zur Omnipräsenz
Wie hoch ist der digitale Stress in Deutschland, was beeinflusst ihn und wer ist besonders gefährdet? Das wollten die Forschenden für das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec) erfragen. Sie haben dabei zwölf verschiedene Belastungsfaktoren identifiziert: Dazu gehören beispielsweise der gefühlte Zwang zur Omnipräsenz, das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit und eine erwartete kürzere Reaktionszeit durch das Auflösen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Bemerkenswert ist nicht nur, dass jeder dritte Befragte mindestens einem der Belastungsfaktoren stark bis sehr stark ausgesetzt ist, sondern auch, dass fast jeder Fünfte aufgrund eines Belastungsfaktors sehr starken digitalen Stress wahrnimmt. Als stressig werden auch Unterbrechungen und Ablenkung durch digitale Medien empfunden. Außerdem fühlen sich viele Menschen mittlerweile als „gläserne Person“, weil sie ihre Privatsphäre durch die berufliche Nutzung digitaler Technologien und Medien in Gefahr sehen.
Digitaler Stress hat auch Folgen für den Arbeitgebenden
„Das bleibt nicht ohne Folgen auch für den Arbeitgeber“, warnt Prof. Dr. Torsten Kühlmann, Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth): „Erwerbstätige mit starkem digitalem Stress berichten häufiger, dass sie Probleme haben, von der Arbeit abzuschalten. Sie denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln und zeigen eine schlechtere Leistung. Sie sind außerdem unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle.“ Die Forscher stellen fest: Digitaler Stress geht meist mit sozialen Konflikten am Arbeitsplatz, einer hohen emotionalen Anforderung sowie einer hohen Arbeitsquantität einher. „Interessanterweise sind vor allem auch Erwerbstätige in innovativen Unternehmen, welche sich durch Kreativität und Risikobereitschaft auszeichnen, von stärkerem digitalem Stress betroffen“, sagt Kühlmann.
Organisationale und soziale Faktoren können digitalem Stress entgegenwirken
„Die schnell voranschreitende Durchdringung des Arbeitslebens mit digitalen Technologien und Medien bringt viele Chancen, aber auch substanzielle Risiken und Nachteile mit sich“, fasst Prof. Dr. Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management und Mitglied der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, zusammen. Er betont: „Organisationale und soziale Faktoren können digitalem Stress am Arbeitsplatz entgegenwirken. Dazu gehört beispielsweise ein erweiterter Handlungsspielraum hinsichtlich arbeitsrelevanter Entscheidungen sowie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten.“