Die 4-Tage-Woche verspricht viel: Mehr Zeit für Familie, Freizeit und Erholung bei gleichzeitig höherer Produktivität. Doch wie wirkt sich dieses Arbeitszeitmodell tatsächlich auf das Wohlbefinden von Mitarbeitenden aus?
Die 4-Tage-Woche blickt auf eine lange Geschichte zurück: Im Zuge der Öl-Krise wurde sie in den USA bereits in den 1970er-Jahren getestet und erforscht. Damals erhoffte man sich, den Kraftstoffverbrauch zu senken, die Produktivität zu steigern und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu erhöhen. Seitdem hat das Modell immer wieder Aufmerksamkeit erlangt (Campbell, 2024).
Heute ist die 4-Tage-Woche längst kein Nischenmodell mehr. Unternehmen weltweit testen das Konzept (Campbell, 2024), bei dem die Arbeitszeit auf nur vier Tage verteilt wird – oft mit dem Ziel, die Attraktivität als Arbeitgeber*in zu steigern, die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben der Mitarbeitenden zu verbessern und die Produktivität zu erhöhen. Dabei gibt es verschiedene Ansätze: Während einige Unternehmen die Arbeitszeit auf vier Tage verteilen, ohne die Gesamtstunden zu reduzieren (komprimierte 4-Tage-Woche), setzen andere auf eine Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt. Während das letztgenannte Modell das Wohlbefinden von Mitarbeitenden nachweislich verbessern kann (Fan et al., 2025), geht die Einführung einer komprimierten 4-Tage-Woche sowohl mit Chancen als auch mit Risiken einher.
In einer aktuellen Studie haben wir die Einführung einer komprimierten 4-Tage-Woche in einem Bauunternehmen begleitet (Mühl & Korunka, 2024). Um die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, das Wohlbefinden und die Produktivität der Mitarbeitenden zu untersuchen, haben wir an zwei Zeitpunkten (bei Einführung und drei Monate später) Fragebogendaten erhoben. Da die komprimierte 4-Tage-Woche universell – also für alle Mitarbeitenden – eingeführt wurde, wurden alle Mitarbeitenden des Unternehmens zur Befragung eingeladen. Fast 250 Personen haben zu beiden Zeitpunkten teilgenommen.
Die Ergebnisse zeigen: Die komprimierte 4-Tage-Woche kann positive Effekte für das Wohlbefinden von Mitarbeitenden haben, ohne ihre Leistung zu beeinträchtigen. Trotzdem birgt sie auch Risiken. Entscheidend ist, wie die Einführung gestaltet wird und welche Erwartungen die Mitarbeitenden haben.
Auswirkungen der komprimierten 4-Tage-Woche
1. Verbesserte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben – aber nicht für alle
Ein zusätzlicher freier Tag pro Woche kann die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben verbessern. Allerdings ist Vorsicht geboten: Wird die Gesamtarbeitszeit nicht reduziert, sondern lediglich auf weniger Tage verteilt, erhöht sich die tägliche Arbeitszeit. Weil dadurch an Arbeitstagen weniger Zeit für Privates bleibt, entstehen Herausforderungen besonders für Personen, die Kinder betreuen oder Angehörige pflegen. Das betrifft besonders Frauen, die weiterhin mehr Care-Arbeit übernehmen (Moreira da Silva, 2019). Auch eine kürzlich erschienene Studie, die die Erfahrungen von Vätern mit einer komprimierten 4-Tage-Woche untersuchte, kam zu dem Schluss, dass eine komprimierte 4-Tage-Woche es Vätern erschwert, sich an den täglichen Routinen in der Kinderbetreuung zu beteiligen (Mikats et al. 2025). So kann die Einführung einer komprimierten 4-Tage-Woche dazu beitragen, dass sich traditionelle Geschlechterrollen verhärten.
Praxis-Tipps:
- Familienfreundliche Maßnahmen einführen: Ergänzen Sie die 4-Tage-Woche durch flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice-Optionen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle Mitarbeitenden zu fördern.
- Arbeitszeit reduzieren: Eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit geht mit besonders vielen Vorteilen einher und kann die faire Verteilung von Care-Arbeit fördern.
2. Erschöpfung und Erholung: Zwischen Belastung und Regeneration
Ein verlängertes Wochenende bietet Mitarbeitenden nicht nur die Möglichkeit, persönliche Verpflichtungen zu erfüllen und Zeit mit Familie und Freund*innen zu verbringen, sondern es erlaubt ihnen auch, sich intensiver zu erholen und Erschöpfung zu reduzieren (Brown et al., 2011).
Lange tägliche Arbeitszeiten können aber auch die Leistungsfähigkeit und Konzentration beeinträchtigen und zu Erschöpfung am Feierabend führen. Außerdem bleibt dadurch unter der Woche weniger Zeit für Erholung und Regeneration. Paradoxerweise birgt die komprimierte 4-Tagewoche also sowohl Chancen als auch Risiken für die Erholung und Erschöpfung von Mitarbeitenden: Während sich Mitarbeitende am Wochenende besser erholen können, bleibt die Erholung unter der Woche schnell auf der Strecke.
Praxis-Tipps:
- Ein langes Wochenende sicherstellen: Achten Sie darauf, dass der zusätzliche freie Tag auf einen Freitag oder Montag fällt, da Mitarbeitende durch ein langes Wochenende besonders profitieren.
- Erholung fördern: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden, das verlängerte Wochenende aktiv für Erholung und Freizeitaktivitäten zu nutzen.
3. Lange Arbeitstage: Vor- und Nachteile
Längere Arbeitstage ermöglichen es, Aufgaben ohne häufige Unterbrechungen zu erledigen, was zu einer besseren Arbeitsorganisation und weniger Zeitdruck führen kann (Mühl & Korunka, 2024). Das ist besonders dann relevant, wenn Mitarbeitende viel Zeit benötigen, um Arbeitsaufgaben vorzubereiten, und kann dazu beitragen, dass mehr Aufgaben abgeschlossen werden können.
Allerdings sind längere tägliche Arbeitszeiten auch mit Risiken verbunden. Überschreiten die Arbeitszeiten zehn Stunden pro Tag, geht dies mit Produktivitätsverlusten und einem erhöhten Risiko einher, z. B. für die Sicherheit von Industriearbeiter*innen (Choobineh et al., 2025).
Praxis-Tipps:
- Regelmäßige Pausen einplanen: Achten Sie darauf, dass Mitarbeitende ausreichend Pausen machen können, um Erschöpfung vorzubeugen.
- Arbeitszeiten im Blick behalten: In Deutschland sind laut Arbeitszeitgesetz maximal zehn Stunden pro Tag erlaubt. Planen Sie die Arbeitszeiten so, dass diese Grenze nicht überschritten wird.
Erfolgsfaktoren für die Umsetzung
Ein zentrales Ergebnis unserer Studie ist, dass Erwartungen von Mitarbeitenden bezüglich der Einführung der komprimierten 4-Tage-Woche eine entscheidende Rolle spielen. Personen, die positive Effekte erwarteten, berichteten von einer stärkeren Verbesserung der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sowie einer stärkeren Reduktion von Zeitdruck und Erschöpfung. Mitarbeitende mit negativen Erwartungen hingegen profitierten kaum oder gar nicht von der Umstellung.
Praxis-Tipps:
- Mitspracherecht einräumen: Mitarbeitende kennen ihre Bedürfnisse und die Anforderungen ihrer Tätigkeit selbst am besten. Erlauben Sie ihnen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen einzubringen und Veränderungen mitzugestalten. Nehmen Sie mögliche Bedenken ernst und adressieren Sie sie.
- Klar kommunizieren: Informieren Sie Ihre Mitarbeitenden frühzeitig und transparent über die geplanten Änderungen.
- Fairness sicherstellen: Achten Sie darauf, dass die Veränderungen für alle gerecht sind. Es sollten die gleichen Regeln für alle Mitarbeitenden gelten und keine Nachteile für einzelne Personen oder Gruppen (z. B. Teilzeitkräfte) entstehen.
Fazit
Die komprimierte 4-Tage-Woche kann die Arbeitsbedingungen und das Wohlbefinden von Mitarbeitenden verbessern, geht jedoch auch mit Herausforderungen einher. Ein verlängertes Wochenende kann zu einer besseren Erholung und Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben beitragen. Gleichzeitig können lange Arbeitstage zu Erschöpfung führen und es besteht die Gefahr, dass bestehende Ungleichheiten in der Verteilung von Care-Arbeit verstärkt werden. Alternativ bietet eine 4-Tage-Woche mit Arbeitszeitreduktion die größten Vorteile für Gesundheit und Wohlbefinden – sofern das Gehalt gleichbleibt und die Arbeitslast angepasst wird.







