Change-Prozesse mit dem I-SNAP-I Modell erfolgreich durchführen

Beständigkeit ist eher die Ausnahme, Veränderung ist mittlerweile der Normalfall in Organisationen. Doch wie können Veränderungsprozesse erfolgreich durchgeführt werden? Dr. Svea von Hehn, Dr. Tobias Leßmeister und Ylva Schmökel stellen Ihnen hierzu das I-SNAP-I Modell vor, das auf ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in der Begleitung von Organisationen beruht.

Laut der McKinsey Transformational Change Survey 2021 sind nur 31 Prozent der Change-Programme erfolgreich (McKinsey, 2022). Und das, obwohl Wandel mittlerweile der Normalfall in Organisationen ist. Um gezielte Veränderungsprozesse erfolgreich zu meistern, braucht es u. a. ein sorgsam formuliertes Narrativ, das für Begeisterung im „Maschinenraum“ sorgt sowie starke Multiplikator:innen als Megafone und Mikrofone in der Organisation. Eine Zauberformel gibt es nicht, unser Modell I-SNAP-I zur Kulturveränderung beachtet vor allem eines: am konkreten Verhalten anzusetzen.

Wandel ist kein Zufall – Erfolgsfaktor I-SNAP-I

Die Relevanz von Unternehmenskultur ist unbestritten: Studien zeigen, dass eine gute Unternehmenskultur entscheidend zur Unternehmensperformance beiträgt (vgl. Hehn, Cornelissen & Braun, 2021). Unklarheit herrscht hingegen oft darüber, wie sich eine Kultur wandeln kann. Unsere Erfahrungen aus jahrzehntelanger Begleitung von Organisationen finden Eingang in das I-SNAP-I Modell, womit ein umfassender Wandel kein Zufall bleibt. Das Modell beschreibt die einzelnen Schritte des Change-Prozesses mit konkreten handlungsleitenden Fragen.

Abbildung des I-SNAP-I Modells

Das I-SNAP-I Modell zur nachhaltigen Kulturveränderung setzt am konkreten Verhalten an (Abbildung: von Hehn, Leßmeister, Schmökel)

Gehen wir beispielhaft von einem Tech-Unternehmen aus, dessen Geschäftsleitung „mutiger und agiler“ werden möchte. Nach der Identifikation der Geschäftsziele (I), warum die Veränderung für das Unternehmen relevant ist, analysieren wir, wer die wichtigsten Stakeholder für dieses Ziel sind (S). Für die relevanten Stakeholdergruppen versuchen wir besser zu verstehen, was die Veränderungsbedarfe (N – Needs) auf Verhaltensebene sind. Offene Fragen wie: „Woran würde Gruppe x selbst merken, dass sie mutiger ist? Was ist das konkrete, von außen beobachtbare Verhalten? Und was genau ist dann anders?“ helfen, ein recht schwammiges Ziel wie „Mutiger sein, um höhere Kundenorientierung zu gewährleisten“ in konkrete Verhaltensweisen zu übersetzen.

Nun geht es um konkrete Aktionen (A), das Wie der Transformation, die mittels systematischer Projektsteuerung und -planung (P) in ihrem Zeit- und Ressourcenumfang strukturiert werden. Im Folgenden werden das Narrativ – die Change Story – sowie die Multiplikator:innen als zwei entscheidende Aktionen beschrieben.

Klarheit über den Wandel – Erfolgsfaktor Change Story

Das Narrativ soll die Richtung des Wandels bestimmen und ein gemeinsames Verständnis in der Organisation herstellen, aber in einer Art und Weise, in der sich alle Betroffenen angesprochen fühlen. Menschen lassen sich selten von nüchternen Wachstums-Plänen wie „Wir steigern den Umsatz um x Prozent“ mitreißen. Finden die eigenen Bedürfnisse einen Platz, werden Emotionen angesprochen; ist das Narrativ eine gut erzählte Geschichte, findet es entsprechende Aufmerksamkeit. Wichtig ist, dass es authentisch erzählt ist und keinem Marketing-Zweck folgt und dass man sich zuvor tatsächlich mit den Bedürfnissen der Menschen auseinandergesetzt hat. Folgende Leitfragen dienen dieser Vorbereitung und der Erzählweise.

  1. „Der Grund“: Wo kommen wir her? Warum wollen wir uns verändern? Wo wollen wir hin? Was ist unser gemeinsames Ziel?
  2. „Die Veränderung“: Was wird anders als in der Vergangenheit? Wie schaffen wir das? Warum wird der Ansatz (diesmal) funktionieren?
  3. „Ihr Beitrag“: Was wird von Ihnen konkret erwartet? Was können Sie von mir/uns erwarten? Was sind konkrete nächste Schritte?

Megafone und Mikrofone der Transformation – Erfolgsfaktor Multiplikator:innen

Für jede Veränderung braucht es eine kritische Masse von Überzeugten. Ein unverzichtbarer Schritt für erfolgreiche Transformationen ist daher der Aufbau eines Change Agent-Netzwerks. Dieses besteht aus Multiplikator:innen: Möglichst erfahrene Line-Manager:innen aus allen Hierarchieebenen und Bereichen, die der Mut und die Motivation vereint, den Wandel proaktiv voranzutreiben. Im besten Fall melden sich Multiplikator:innen selbst für diese Rolle, gegebenenfalls gepaart mit einem Auswahlprozess. Acht bis zehn Prozent der Belegschaft als Mulitplikator:innen sind ein guter Richtwert.

Multiplikator:innen haben zwei Kernaufgaben: Sie sind Megafone und Mikrofone.

  • Als Megafone tragen sie den Wandel mit gemeinsamen Aktionen (A) in die breite Organisation hinein. In unserem Beispiel „mutiger werden“ können sie etwa aktiv eine offen gelebte Fehlerkultur praktizieren und so nach und nach psychologische Sicherheit herstellen. Wie genau? Beispielsweise indem sie sich gemeinsam mit den Führungskräften einmal im Monat in gemeinsamen Jour Fixes über persönliche Schwierigkeiten im Projekt austauschen. Durch ihr bloßes Vorleben der neuen Verhaltensweisen regen sie ihre Peers zur Nachahmung an: In einer sogenannten Fehlerkultur wird offen über Schwierigkeiten gesprochen, Fehler werden schnell behoben, aus ihnen wird gelernt, und es werden auch kalkulierte Fehlerrisiken eingegangen.
  • Als Mikrofone fragen Multiplikator:innen mit offenem Ohr proaktiv in ihren Teams nach Ideen, Bedürfnissen und Herausforderungen in Bezug auf die Veränderung. Niemand steht beispielsweise gerne als ignorant oder inkompetent da; gerade in Deutschland ist die Angst vor Fehlern sehr groß. Fehler werden daher oft nicht angesprochen oder gar vertuscht. Das mindert das Potenzial, aus Fehlern zu lernen und sinnvolle Fehlerrisiken einzugehen. Solche Hindernisse spüren Multiplikator:innen auf und gehen sie proaktiv an.

Das Ende mitdenken – Erfolgsfaktor Achtsamkeit

Woran können wir einen nachhaltigen Erfolg ausmachen (I – Impact)? Zwar mögen einzelne Projekte einen Abschluss finden, doch der Wandel ist der Normal- und nicht der Ausnahmefall. Organisationen werden sich in Zeiten zunehmender Komplexität und Geschwindigkeit stets in Veränderungsprozessen befinden. Dies macht es schwierig, das Ende eines Kulturwandels zu benennen und man vergisst darüber, Erfolge zu feiern oder über Gelerntes zu reflektieren. An geeigneter Stelle bisherige Erfolge zu feiern gibt die Möglichkeit, inne zu halten und achtsam wahrzunehmen, welche Wirksamkeit das Multiplikator:innen-Netzwerk hat – ein Baustein, um überzeugt zu bleiben, dass sich die Mühe gelohnt hat und man diesen Weg nicht alleine geht.

Literaturliste zum Download

Zum Weiterlesen:

[Werbung] von Hehn, S.; Cornelissen, N. & Braun, C. (2021). Kulturwandel in Organisationen. Wiesbaden: Springer.

---

Ihnen hat der Artikel gefallen und Sie möchten keinen weiteren Beitrag verpassen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter!