Equal Pay Day: Wie sich Lohntransparenz auf Mitarbeitende auswirkt

Leider immer noch ein Thema: Die geschlechtsspezifische Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland. Eine mögliche Gegenmaßnahme könnte mehr Lohntransparenz darstellen. Ob und wie diese sich auf Arbeitnehmende auswirkt, hat eine Studie untersucht.

Heute ist es soweit: Mit Erscheinen dieses Artikels werden Frauen in Deutschland – symbolisch gesprochen – ebenfalls bezahlt. Denn der gestrige Equal Pay Day markierte symbolisch den Tag, an dem Frauen in Deutschland aufgrund der geschlechtsspezifischen Lohnlücke in diesem Jahr unentgeltlich gearbeitet haben. Das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2022 berechnet, dass Frauen in Deutschland im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen als Männer. Dies stellt die unbereinigte Lohnlücke dar, auf deren Basis das Datum des diesjährigen Equal Pay Days festgelegt wurde.

Ein Teil dieser Lohnlücke lässt sich auf strukturelle Unterschiede zurückführen: Viele Frauen erlernen z. B. Berufe, die schlechter bezahlt sind, arbeiten seltener in Führungspositionen und häufiger in Teilzeit oder in Minijobs. Rechnet man diese Faktoren heraus und schaut sich die Gehälter von Frauen und Männern bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie an, ergibt sich für 2022 eine bereinigte sowie nicht erklärbare Lohnlücke von 7 Prozent.

Mögliche Gegenmaßnahmen

Die Equal Pay Day Kampagne stellt auf ihrer Website fünf Ursachen vor, aus denen sich dazugehörige Gegenmaßnahmen ergeben, um die geschlechtsspezifische Lohnlücke zu verkleinern:

1. Horizontale Segregation

Frauen und Männer arbeiten in unterschiedlichen Branchen und Berufen. Während Frauen häufig Berufe im Bereich der personenbezogenen und sozialen Dienstleistungen, wie z. B. Krankenschwester oder Erzieherin, ergreifen, in denen der Verdienst gering ist, sieht es bei den Männern umgekehrt aus; sie sind oft in sogenannten Männerberufen zu finden, mit überdurchschnittlichem Verdienst und Karriereoptionen.

Diese unterschiedliche Berufswahl wird stark von Rollenstereotypen beeinflusst, denen man bereits in Kindergarten und Schule entgegenwirken sollte.

2. Vertikale Segregation

Frauen und Männer arbeiten in Betrieben und Unternehmen auf unterschiedlichen Positionen und Hierarchiestufen. Der Anteil von Frauen in höher bezahlten Führungspositionen ist nach wie vor gering. Dies hat nicht nur für die einzelnen Frauen finanzielle Konsequenzen, sondern könnte noch weitreichendere Folgen haben.

Wie eine Studie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigt, entlohnen Managerinnen fairer. Nora Szech, Professorin für Politische Ökonomie am Institut für Volkswirtschaftslehre des KIT und Autorin der Studie, kommt daher zu dem Schluss, dass „Diversität in den Führungsetagen wichtig ist, wenn die Atmosphäre in einem Unternehmen wertschätzend sein soll und Lohnungleichheit begrenzt werden soll“ (Szech, Kühl & Huber, 2022).

3. Familienbedingte Unterbrechungen

Aufgrund von z. B. Elternzeit oder der Pflege von Angehörigen unterbrechen oder reduzieren Frauen ihre Erwerbstätigkeit häufiger und länger als Männer. Diese Unterbrechungen sowie die darauffolgenden Einstiegshemmnisse wirken sich langanhaltend auf die Lohn- und Einkommensentwicklung von Frauen aus, was sich bis in die Rentenphase niederschlägt.

4. Geschlechterstereotype beeinflussen Arbeitsbewertung

Wie schon in Punkt 1 erwähnt, sind frauentypische Berufe unterbewertet. Eine Aufwertung dieser Berufe sollte nicht nur über eine gesamtgesellschaftlich höhere Wertschätzung geschehen, sondern diese Berufe sollten auch finanziell besser anerkannt werden.

5. Fehlende Gehaltstransparenz

Entgeltgleichheit setzt Transparenz voraus. Bestehende (auch unbewusste – siehe Implicit Biases) Entgeltunterschiede können nur durch transparente Entgeltstrukturen in Unternehmen aufgedeckt werden.

Die spannende Frage für Unternehmen ist hierbei jedoch, ob sich mehr Lohntransparenz auch positiv auf die eigenen Arbeitnehmende auswirken würde, so dass es sich auch für Unternehmen selbst lohnt, Lohn- und Vergütungsstrukturen transparenter zu gestalten? Dieser Frage ist Alina Gerke, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, in ihrer Masterarbeit nachgegangen (Gerke, 2020).

Studie: Die Bedeutung von Lohntransparenz für Arbeitnehmende

In ihrer Studie untersuchte sie, wie sich Lohntransparenz auf die folgenden wichtigen arbeitnehmer- sowie organisationsrelevanten psychologischen Konstrukte auswirkt:

  • Lohnzufriedenheit
  • Affektives Commitment (emotionale Bindung an das Unternehmen)
  • Freiwilliges Arbeitsengagement
  • Organisationale Gerechtigkeit
  • Organisationales Vertrauen

Außerdem erfasste sie zwei potenzielle Moderatorvariablen, das Bedürfnis nach informationeller Privatheit sowie die Höhe des monatlichen Bruttoentgelts, die einen Einfluss auf die Zusammenhänge zwischen Lohntransparenz und den eben genannten Konstrukten haben könnten.

Methode und Stichprobe

Mittels einer Online-Fragenbogenstudie wurden 159 Teilnehmende befragt. Diese waren zwischen 21 und 66 Jahre alt und es nahmen mehr Frauen (65 %) als Männer (33 %) teil (die fehlenden 2 % machten keine Angabe zu ihrem Geschlecht). Über ein Drittel der Teilnehmenden verfügte über einen akademischen Abschluss (Bachelor, Master oder Promotion), knapp die Hälfte hatte eine Ausbildung absolviert. Diese Stichprobe ist zwar nicht repräsentativ, dennoch lohnt sich ein Blick auf die Ergebnisse und deren Implikationen für die Praxis.

Ergebnisse

Insgesamt belegt die Studie, dass Lohntransparenz positive Effekte auf Arbeitnehmende hat. Insbesondere wurde gezeigt, dass eine höhere Lohntransparenz mit einer höheren Zufriedenheit mit dem eigenen Lohn, mit einer stärkeren Wahrnehmung prozeduraler und distributiver Gerechtigkeit sowie mit einem höheren Vertrauen in die Organisation assoziiert ist.

Lohntransparenz wirkte sich tendenziell insbesondere dann positiv auf Arbeitnehmende aus, wenn diese ein geringes Bedürfnis nach informationeller Privatheit aufwiesen oder über ein geringes monatliches Bruttoentgelt verfügten. Umgekehrt konnte nicht gezeigt werden, dass sich Lohntransparenz bei Personen mit einem hohen Bedürfnis nach informationeller Privatheit negativ auswirkte.

Es konnte also geschlussfolgert werden, dass sich Lohntransparenz grundsätzlich positiv auf Mitarbeitende auswirkt bzw. keinen Effekt zeigt. In keinem Fall aber scheint sie negative Konsequenzen für Arbeitnehmende zu haben.

Implikationen für die Praxis

Die Studie empfiehlt zunächst, Mitarbeitende bei der Entscheidung, wie viel Transparenz im Unternehmen gewährt wird, einzubeziehen (z. B. über Mitarbeiterbefragungen). Selbst wenn die Ergebnisse zeigen sollten, dass ein Großteil der Belegschaft nicht mehr Transparenz als bisher präferiert, könnten sich die Mitarbeitenden bereits mehr wertgeschätzt fühlen, da sie in den Entscheidungsprozess miteinbezogen worden sind.

Zudem ist es hilfreich, wenn folgende Aspekte bei der Gestaltung des Vergütungssystems beachtet werden:

  1. Lohnstufen sollten fair und unter nachvollziehbaren Aspekten bestimmt werden, sodass eine akkurate Kommunikation Mitarbeitende überzeugen kann, dass ihre Bezahlung im Vergleich mit relevanten Vergleichspersonen angemessen ist.
  2. Methoden, mit denen eine faire Bezahlung festgelegt wird, sollten systematisch und bewusst kommuniziert werden. Um dies umsetzen zu können, benötigen Führungskräfte zunächst selbst ein klares und konsistentes Verständnis der Vergütungsstrategie und -praxis, bevor sie solche Gespräche mit Mitarbeitenden führen und ggf. auch Rückfragen beantworten können.

Es geht nicht darum, Gehaltssysteme völlig zu öffnen und der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Unternehmen, denen es widerstrebt, individuelle Gehälter zu veröffentlichen, sollten daher wenigstens die Kriterien zur Bestimmung des Lohns offenlegen. Zudem müssen individuelle Löhne nicht preisgegeben werden. Organisationen können auch ein moderateres Maß an Transparenz wählen, indem sie z. B. nur aggregierte Informationen in Form von Gehaltsbändern veröffentlichen.

Literaturliste zum Download

(Text: Anja Wermann, Redaktion WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE aktuell)

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