User Experience – (k)ein Thema für die Personalabteilung?

Im Kontext von Homeoffice und Wirtschaft 4.0 werden Unternehmen zunehmend digitaler. Beschäftigte interagieren bei der Bearbeitung vieler Aufgaben bereits mit verschiedensten Programmen, welche die Arbeit effizienter gestalten sollen. Teilweise sind die Anwendungen jedoch sehr komplex und brauchen daher eine gute User Experience, um erfolgreich eingesetzt zu werden. Doch wie lässt sich die UX-Optimierung anwenden, welchen Nutzen hat sie für Mitarbeitende und was für eine Rolle spielen dabei Führungskräfte und Personaler:innen?

Die Arbeitswelt befindet sich in einem digitalen Transformationsprozess. Für immer mehr betriebliche Abläufe werden digitale Lösungen geschaffen und ein Großteil aller Berufsbilder verändert sich durch den Einsatz von Technologie teils radikal (Weber et al., 2019). In diesem Zusammenhang spielt User Experience (UX) eine wichtige Rolle. Das Konzept umfasst alle subjektiven Erfahrungen und Reaktionen einer Person, die vor, während und nach der Interaktion mit einem Produkt entstehen (Deutsches Institut für Normung e. V., 2020).

Im Bereich der betrieblichen Software wird UX zum Beispiel durch Kriterien wie Verständlichkeit oder Effizienz des Systems beschrieben. Eine gute User Experience kann dazu beitragen, dass Mitarbeitende die Anwendungen gerne und erfolgreich nutzen (Kaasinen et al., 2015). Im Rahmen der digitalen Transformation ist es für Unternehmen und Behörden daher wichtig, die UX von betrieblichen Fachanwendungen im Blick zu haben.

Warum ist User Experience im Arbeitskontext wichtig?

Angenommen, Ihre HR-Abteilung führt ein neues Self-Service-Portal ein, um Abläufe zu optimieren. Mitarbeitende können auf diesem Weg selbstständig Fragen zu HR-Themen klären und auf Anträge zugreifen, ohne die Unterstützung der Personalabteilung zu benötigen. Eigentlich eine gute Initiative, die sogar die Zufriedenheit der Mitarbeitenden positiv beeinflussen kann. Wenn das Programm jedoch schlecht funktioniert (etwa, weil es immer wieder abstürzt oder sehr unübersichtlich ist), kann es bei Ihnen und Ihren Kolleg:innen zu negativen Nutzererfahrungen, Frustration und sogar zum Produktivitätsverlust kommen – nur, weil die UX nicht beachtet wurde.

Betriebliche Fachanwendungen und UX

Entgegen den Erwartungen betrifft die Umsetzung der User Experience nicht nur die IT-Abteilung. Auch die Personalabteilung und Führungskräfte tragen Verantwortung dafür, dass betriebliche Anwendungen gewissen UX-Standards entsprechen (Andersson et al., 2011). Sie nehmen eine Schlüsselfunktion ein, da sie häufig die ersten Ansprechpersonen bei Softwareproblemen sind und eine wichtige Rolle bei der Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden spielen. Aufgrund dieser Tatsache sind sie in der Lage, Nutzerbedürfnisse aus erster Hand zu identifizieren und die Beobachtungen an die jeweiligen Verantwortlichen zu tragen.

Führungskräfte und Personaler:innen können die User Experience in ihrem Unternehmen sowohl bei bestehenden Anwendungen als auch bei Produkten in der Entwicklung fördern. Bei bereits genutzten betrieblichen Fachanwendungen können sie beispielsweise Nutzerbefragungen oder Usability-Tests durchführen lassen, um sicherstellen, dass sie die Qualitätsstandards erfüllen (Vermeeren et al., 2010). Sobald dann ein systematisches Problem bezüglich des Programms bemerkt wird, sollte ein Prozess initiiert werden, der sich mit der Optimierung der UX befasst. Natürlich müssen Personaler:innen und Führungskräfte die Untersuchung und Optimierung nicht selbst durchführen, vielmehr geht von ihnen der Impuls aus, betriebliche Softwareprogramme auf UX untersuchen zu lassen. Die Nutzer:innen der Fachanwendung sollten außerdem schon im Entwicklungsprozess des Programms einbezogen werden, um die UX bereits vor Einführung untersuchen zu können. So können die Funktionen spezifischer an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst und Probleme in der Benutzung identifiziert werden (Hassenzahl, 2010). Je früher Schwachstellen des Systems entdeckt werden, desto einfacher und günstiger ist es, diese auszubessern (Haskins et al., 2004).

Die Abbildung zeigt drei zeitliche Bereiche der User Experience: Vor der Nutzung (hier spielen Erwartungen und Vorstellungen der Nutzenden eine Rolle), während der Nutzung (entspricht der Usability) und nach der Nutzung (hier geht es um emotionale Reaktionen und Reflektion der Nutzung).

User Experience nach DIN EN ISO 9241-210 (Abbildung: Tim-Can Werning)

Faktoren, die die User Experience von betrieblichen Fachanwendungen beeinflussen

Die UX von betrieblichen Fachanwendungen wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die in verschiedenen Bereichen des Unternehmens ansetzen. Faktoren sind beispielsweise:

Usability (Gebrauchstauglichkeit): Wenn Mitarbeitende Schwierigkeiten haben, eine Anwendung zu bedienen, wird das zu einer schlechteren UX führen. Daher ist es wichtig, dass Fachanwendungen eine gute Usability haben. Diese beschreibt das Ausmaß, in dem ein System durch Benutzer:innen in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen (Deutsches Institut für Normung e. V., 2018).

Fehlertoleranz: Jeder macht mal Fehler. Gerade in kritischen Systemen ist es sehr wichtig, dass ein System auf Fehler der Nutzer:innen reagiert, damit keine schwerwiegenden Unfälle passieren (z. B. die Vergabe von 1 g Morphin statt 1 mg im Krankenhaus). Das System sollte bei einem Fehler daher Rückmeldung geben und ermöglichen, diesen zu korrigieren.

Performance: Fachanwendungen müssen verlässlich sein. Wenn sich etwa ein Vertriebsmitarbeiter im Kundengespräch befindet und etwas im System eingeben möchte, muss dies direkt funktionieren. Braucht das System zu lange, um zu laden, oder stürzt es häufig ab, führt das ebenfalls zu einer schlechten User Experience und zu geringerer Produktivität.

Fazit

Digitalisierung ist eine Herausforderung für viele Branchen. Für immer mehr betriebliche Abläufe werden digitale Lösungen geschaffen, Arbeitsplätze verändern sich stetig und die Komplexität der Fachanwendungen nimmt zu. Diese digitale Erfahrung kann einen erheblichen Einfluss auf Faktoren wie Bindung, Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeitenden haben. Für Personaler:innen und Führungskräfte ist es daher wichtig, das Benutzererlebnis mit den Programmen zu berücksichtigen.

Digitale Transformationsprozesse können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Softwarelösungen nutzerzentriert entwickelt werden – also eine gute User Experience aufweisen. Nur so wird die Einführung von neuen digitalen Technologien zum Erfolg und bietet einen nachhaltigen Mehrwert für Mitarbeitende und Unternehmen. Durch die Anwendung von UX-Prinzipien wird eine angenehmere Arbeitsumgebung geschaffen, Effizienz und Effektivität gesteigert und das Gesamterlebnis der Mitarbeitenden verbessert.

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