Emotional Capital: Was es ist und wie Sie es fördern

Emotionen sind ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Wesens, denn wir sind nicht nur rationale, sondern auch emotionale Wesen. Dabei spielt die Emotionale Intelligenz (EQ) von Führungskräften und Mitarbeitenden eine wesentliche Rolle für den Unternehmenserfolg. Wie die Bedeutsamkeit des EQ in Unternehmen eingeschätzt wird, hat eine Studie erforscht. Zudem nennt Ihnen unsere Autorin 5 Tipps, wie durch die Förderung des EQ auch das sogenannte Emotional Capital in Unternehmen gestärkt werden kann.

Von EQ bzw. EI (Emotionale Intelligenz) und IQ (Intelligenzquotient) haben Sie sicher schon einmal gehört. Während die Berechnung des IQ bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Angriff genommen wurde, wurde der EQ erst wesentlich später entdeckt. Dabei liefert er die Antwort auf eine bisher ungeklärte Frage: Wie ist es zu erklären, dass ein überdurchschnittlicher IQ nicht automatisch zu großem Erfolg führt, sondern manchmal Menschen mit durchschnittlichem IQ erfolgreicher sind als Menschen mit sehr hohem IQ? Offenbar hängt Erfolg (noch) mit einem anderen Faktor zusammen (Bradberry & Greaves, 2016).

In unserem Alltag gehen Emotionen und Rationalität, EQ und IQ, Hand in Hand und interagieren permanent miteinander, indem sie sich gegenseitig Informationen zur Verfügung stellen, die wiederum aufeinander aufbauen (Rostomyan, 2020, 2022a,b,c,d).
 

Grafik zeigt zwei Kreise, der linke steht für Emotionalität, der rechte für Rationalität, die Schnittmenge zwischen beiden bildet die Wahrnehmung.

Die Verbindung von Emotionalität und Rationalität im menschlichen Gehirn (Abb.: Anna Rostomyan, 2013; 2022a)

Dabei ist zu beachten, dass Emotionen und Rationalität nicht immer im Gleichgewicht sind. Vielleicht kennen Sie auch Gelegenheiten, in denen Sie sich von Ihren Emotionen in eine Richtung drängen lassen, während Ihr rationales Denken, Ihr IQ, sich in eine ganz andere Richtung bewegt. Immer wenn Sie feststellen, dass es einen „Kampf“ zwischen „Herz“ und „Verstand“ gibt, ist es an der Zeit die emotionalen und rationalen Beweggründe gegenüberzustellen. Durch diesen Abgleich werden Sie Klarheit über die Bedeutung Ihrer Emotionen erlangen und diese berücksichtigen können, ohne die Kontrolle über die Situation zu verlieren und überzureagieren (Rostomyan, 2020).

In der Kommunikation und zwischenmenschlichen Interaktion kann es auch Fälle geben, in denen der IQ vorherrscht. Der IQ hilft uns einen „kühlen Kopf“ zu bewahren, während der EQ uns Emotionen erkennen lässt, die auch am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielen. Dieses Zusammenspiel ist für den Unternehmenserfolg relevant, denn erfolgreiche Geschäftsbeziehungen beruhen u. a. auf zwischenmenschlichen (emotionalen) Beziehungen. Daher muss beim Umgang mit Humankapital im Geschäftsleben auch das sogenannte „Emotional Capital“ berücksichtigt werden, von dem jedes Unternehmen stark profitieren kann.

Das Emotional Capital in Unternehmen

Laut Oxford Business English Dictionary (2005) stellt das Emotional Capital die Gefühle, Überzeugungen und Werte der Mitarbeitenden eines bestimmten Unternehmens dar, die ihnen untereinander gute Beziehungen ermöglichen, was wiederum dem Unternehmen zugutekommt. Diese Definition legt nahe, dass für den Erfolg und die Entfaltung eines Unternehmens die emotionalen Fähigkeiten der Mitarbeitenden – insbesondere beim Aufbau dauerhafter Bindungen zu Kolleg:innen, aber auch zu Geschäftspartner:innen, Kund:innen und Verbraucher:innen – von großer Bedeutung sind. Doch wie ist es um den EQ und das Emotional Capital in Unternehmen bestellt?

Hierzu haben wir Studien in verschiedenen namenhaften Unternehmen in Deutschland und Armenien durchgeführt, die gezeigt haben, dass ein hoher IQ nicht unbedingt EQ-Kompetenzen einschließt und umgekehrt (Rostomyan & Rostomyan, 2021-2022).

Bemerkenswert ist zudem, dass es in Unternehmen Mitarbeitende geben kann, die hochqualifiziert sind und über einen hohen IQ verfügen und gleichzeitig über einen niedrigen EQ. Deswegen raten wir, dass Arbeitgebende bei der Personalsuche auch auf den EQ der Bewerbenden achten sollten. Zu diesem Zweck haben wir für eine armenische Bank EQ-Tests ausgearbeitet und in den Rekrutierungsprozess aufgenommen. Außerdem können Unternehmen EQ-Trainings organisieren, um den EQ von Mitarbeitenden und Führungskräften zu fördern.

Was denken Führungskräfte über die Wichtigkeit des EQ?

Um mehr über das Bewusstsein von Führungskräften in Bezug auf Emotionale Intelligenz und die Bedeutung des EQ in der Wirtschaft und im HR-Bereich zu erfahren, haben wir 2021/2022 Online-Umfragen mit quantitativer Analyse in der armenischen Landesgesellschaft des Autobauers Porsche (Porsche Center Yerevan) sowie bei PCEE (Porsche Central and Eastern Europe) durchgeführt.
 

Das Balkendiagram zeigt die im Text geschilderten Ergebnisse der Umfrage bei Porsche.

Die Ergebnisse der Umfrage bei Porsche (Abb.: A. M. Rostomyan & A. A. Rostomyan, 2021)

Alle 30 Befragten haben den Fragen entweder „völlig zugestimmt“ oder „zugestimmt“, was darauf hindeutet, dass sich die befragten Führungskräfte der Wichtigkeit Emotionaler Intelligenz in der Wirtschaft und im HR-Bereich bewusst sind. Sie sind zudem achtsam gegenüber den Emotionen ihrer Arbeitskräfte, um für eine positive Arbeitsatmosphäre zu sorgen.

5 Tipps, um den EQ und somit das Emotional Capital zu stärken

Goleman (1995) nennt als die wichtigsten Bestandteile Emotionaler Intelligenz:

  • Selbstwahrnehmung,
  • Selbstregulation,
  • Motivation,
  • Empathie und
  • soziale Kompetenz.

An diesen 5 Bestandteilen können Sie ansetzen, um Ihren EQ zu stärken. Zur Konkretisierung habe ich Ihnen 5 Tipps zusammengestellt:

  1. Achten Sie auf die Emotionen der Menschen in Ihrer Umgebung (privat wie geschäftlich) sowie Ihre eigenen Emotionen.
  2. Regulieren Sie Ihre eigenen Emotionen (in dem Sie beispielsweise erstmal bis 4 zählen, wenn Sie wütend werden, statt sofort etwas zu sagen).
  3. Versuchen Sie, sich in die Lage Ihres Gegenübers zu versetzen.
  4. Üben Sie die Kunst des Zuhörens. Modelle wie das 4-Ohren-Modell von Schulz von Thun oder Methoden wie die Gewaltfreie Kommunikation können dabei hilfreich sein.
  5. Loben Sie gute Arbeit anstatt z. B. nach dem Motto „nicht geschimpft ist genug gelobt“ zu verfahren.

Fazit

Wenn Unternehmen erkennen, dass ein hoher Intelligenzquotient (IQ) noch kein Garant für nachhaltige ökonomische Erfolge ist, sondern auch die Emotionale Intelligenz (EQ) eine Rolle spielt, wird diese mehr Bedeutung gewinnen. Der EQ kann bereits im Rekrutierungsprozesse erfasst oder durch EQ-Trainings erhöht werden.

Doch nicht nur für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen und ökonomischen Erfolg ist der EQ von Mitarbeitenden und Führungskräften bzw. das gesamte Emotional Capital des Unternehmens wichtig, sondern auch innerhalb von Unternehmen ist es bedeutsam (beispielsweise für Arbeitsatmosphäre und Mitarbeiterzufriedenheit). So sollte sich der Umgang mit dem sogenannten Human Capital im HR-Bereich nicht nur auf einer rationalen Ebene abspielen und auch Führungskräfte sollten auf einen achtsamen Umgang mit Emotionen achten.

Danksagung

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Teilnehmer:innen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben, und bei denjenigen, die unsere Forschung ermöglicht und unterstützt haben, insbesondere Porsche AG, Porsche PCEE sowie Porsche Center Yerevan.

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