In 20 Schritten zum Kompetenzmodell
20 praxiserprobte Schritte
Ein Kompetenzmodell ist eine Sammlung von Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen und Eigenschaften, die notwendig sind, um auf einer Stelle gute Arbeit zu erbringen. Damit ein Kompetenzmodell nachvollziehbar abgeleitet und sinnvoll eingesetzt wird, sollte man 20 Schritte berücksichtigen. Diese Schritte sind vielfach praxiserprobt. Sie lassen sich drei Bereichen zuordnen: Kompetenzinformationen sammeln, ordnen und nutzen.
Kompetenzinformationen sammeln
1. Den Unternehmenskontext betrachten
Faktoren wie Umgebungsreize, Unternehmenskultur, Alter, Markt, Kunden, Beziehungen der Mitarbeiter untereinander und Führungsverhalten bestimmen, welche Kompetenzen wie wirken. Wenn man sie genau analysiert, kann man auch die notwendigen Kompetenzen besser festlegen.
2. Kompetenzmodelle mit Zielen verbinden
Kompetenzen sind Mittel, mit denen Ziele erreicht werden können. Startpunkt sollten daher immer die Unternehmensziele sein.
3. Auf oberster Führungsebene beginnen
Weil Topmanager eher wissen, was zukünftig aufs Unternehmen zukommt, weil sie das Geld lockermachen und den Kompetenzprozess machtvoll unterstützen können, sollte man sie als erstes fragen, welche Kompetenzen gut sind.
4. Methoden der Arbeitsanalyse einsetzen
Auf gängige Verfahren der Arbeitsanalyse – Beobachtung, Expertenbefragung, Brainstorming, Theorieentwicklung, Begriffsdefinition, Mitarbeiterbefragung – sollte nicht verzichtet werden, wenn man Kompetenzen ableiten will. Warum? Weil diese Methoden sicherstellen, dass damit objektive, genau bestimmbare und erfolgsversprechende Fähigkeiten herausgefiltert werden.
5. Zukünftige Arbeitsanforderungen berücksichtigen
Dieser Punkt wird am häufigsten vernachlässigt, obwohl er am wichtigsten ist. Dabei ist der Zugang gar nicht so schwer: Zunächst müssen die Topentscheider gefragt werden, welche Probleme und neuen Produkte in Zukunft überhaupt anstehen. Dem werden im zweiten Schritt zukünftige Kompetenzen zugeordnet.
6. Weitere passgenaue Methoden einsetzen
Die Kategorie „Sonstiges“: Methoden, mit denen Kompetenzen bestimmt werden können, die aber in keine andere Kategorie passen. Man kann z.B. die Kompetenzen selbst von Mitarbeitern bewerten lassen, sich von ihnen Szenen aus dem Arbeitsalltag erzählen lassen (situatives Interview) oder ganze Teams längere Zeit beobachten und befragen.
Kompetenzinformationen ordnen
7. Die Kompetenzen bestimmen
Hier werden alle Bestandteile des Kompetenzmodells zusammengetragen: 1) die Bezeichnung der notwendigen Kompetenzen, 2) ihre Definition, indem jeweils das Verhalten und die erzielten Leistungen genau beschrieben werden, 3) die einzelnen Ausprägungen einer Kompetenz. Je genauer die Beschreibung, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Modell angewendet wird.
8. Die Ausprägungen einer Kompetenz festlegen
Die Ausprägungen einer Kompetenz sollten noch einmal genauer betrachtet werden: Welche Abstufungen sind hinsichtlich Erfahrung (Anfänger, Könner, Experte), Leistung (befriedigend, gut, ausgezeichnet) oder Dienstgrad (Junior, Senior, Chef) möglich? Eine durchdachte Abstufung bedeutet, dass man später eine genaue Skala zur Kompetenzeinschätzung hat.
9. Die Sprache des Unternehmens sprechen
Damit ein Kompetenzmodell Anklang beim Personalmanager findet, sollte er darin die ihm vertrauten Begriffe wiederfinden. Wenn z.B. „Teamfähigkeit“ bislang der entscheidende Marker war, sollte er nicht plötzlich „emotionale Intelligenz“ heißen. Andererseits sollte man darauf achten, dass eingebürgerte Begriffe (z.B. „Ordnungsliebe“) Standardkompetenzen („Gewissenhaftigkeit“) nicht verschleiern oder gar konterkarieren.
10. Jobübergreifende und jobspezifische Kompetenzen ausmachen
Wenn für viele Stellen ein Kompetenzmodell erstellt werden soll, ist es hilfreich, Basiskompetenzen zu bestimmen, die für alle Tätigkeiten im Unternehmen erfolgversprechend sind. Und Fachkompetenzen, die nur für einzelne Stellen gelten.
11. Kompetenzkataloge nutzen
Um das Rad nicht neu zu erfinden, bieten etwa Beratungsunternehmen Kompetenzkataloge an, aus denen sich die passenden Kompetenzen herausfischen lassen. Die Kompetenzen sollten aber ggf. in die Sprache des Unternehmens überführt werden (siehe Punkt 9).
12. So einfach wie möglich halten
Das ist der wohl schwierigste Punkt beim Kompetenzmodell: ein möglichst umfassendes und verständliches Fähigkeitsprofil erstellen, ohne zu ausführlich zu werden. Als Richtschnur kann gelten: 1) nicht mehr als eine halbe A4-Seite zur Beschreibung einer Kompetenz, 2) ca. 12 Kompetenzen für eine Stelle, 3) die Kompetenzen in Basis- und Fachkompetenzen unterteilen.
13. Schaubilder und Diagramme verwenden
Um die Kompetenzen den Mitarbeitern oder Jobkandidaten zu vermitteln, bieten sich kleine Schaubilder an. Darauf sind fein säuberlich alle Kompetenzen (z.B. „Fähigkeit zur Führung“) und alle Unterkompetenzen („Fähigkeit zu Innovation, Entscheiden, Gruppenarbeit, Dissenz, Kommunikation“) aufgelistet und graphisch verziert.
Kompetenzinformationen nutzen
14. Methoden aus der Organisationsentwicklung einbringen
Die Stufen der Erstellung eines Kompetenzmodells – Planung, Datensammlung, Modellentwicklung, Umsetzung – entsprechen denen der Organisationsentwicklung. Daher ist es sinnvoll, die Kompetenzentwicklung methodisch dort anzudocken.
15. Kompetenzmodelle bei der Personalarbeit nutzen
Kompetenzmodelle können vielfältig genutzt werden: zur Personalauswahl, für Mitarbeitergespräche, als Grundlage zur Beförderung, zur Entgeltfestlegung und zur Mitarbeitermotivation. Letztlich kann das gesamte HR-System davon profitieren. Einige Beispiele: Microsoft setzt Kompetenzmodelle für seine Jahresgespräche ein. Honda belohnt seine Mitarbeiter für Weiterbildung und Entwicklung ihrer Kompetenzen. Boeing bereitet mit den Kompetenzmodellen strukturierte Einstellungsinterviews vor.
16. Die gesamte Personalarbeit auf Linie bringen
Kompetenzmodelle können schließlich die gesamte Personalarbeit auf Vordermann bringen und ein Problem lösen, das die Autoren so beschreiben: „Verschiedene HR-Bereiche sind allzu oft getrennt. Sie sind isoliert und arbeiten voneinander abgekoppelt an gleichen Problemen. Jeder Bereich bietet dann seine eigene Problemlösung an und spricht dabei noch eine andere Sprache.“ (S. 255)
17. Eine praktische Theorie für Arbeitsleistung
Kompetenzmodelle sind eine kleine, praktische Theorie für gute Leistung am Arbeitsplatz. Sie verbindet die Menschen, ihre Fähigkeiten und das Unternehmen mit dem gewünschten Arbeitsergebnis. Und das alles auf einem einzigen Schaubild.
18. Informationstechnologien nutzen
Kompetenzmodelle sollten schnell abrufbar, nutzbar und daher in der HR-Software integriert sein. Die Autoren mahnen jedoch: „Trotz aller Begeisterung für Informationstechnologie: Sie ist nur Werkzeug, nicht der Zweck selber. Verwechseln Sie keine noch so ausgeklügelte HR-Software mit einem brauchbaren Kompetenzmodell.“ (S. 257)
19. Kompetenzmodelle ständig anpassen
In Kompetenzmodelle wird anfangs viel investiert. Danach liegt ihre Weiterentwicklung oft brach. Dabei müssen sie ständig gepflegt werden. Neue Unternehmensziele, neue Geschäftsführer, technologische Entwicklungen – an alle diese Veränderungen müssen die Kompetenzmodelle laufend angepasst werden.
20. Rechtlich Bedenken ausräumen
Verfahren zur Personalauswahl dürfen nur solche Eigenschaften einer Person erheben, die für die Arbeitsleistung auch wirklich notwendig sind. Sie müssen gewährleisten, dass die Merkmale objektiv und präzise erfasst werden. Genau das leistet ein Kompetenzmodell. Es definiert die notwendigen Kompetenzen und deren objektive Erfassung.
Literatur
Michael A. Campion, Alexis A. Fink, Brian J. Ruggeberg, Linda Carr, Geneva M. Phillips, Ronald B. Odman (2011). Doing competencies well: Best practices in competency modeling. Personnel Psychology, Volume 64, Issue 1, 225-262.