Schluss mit Aufschieben: Gute Vorsätze in die Tat umsetzen
Seien es Studierende, die ihre Prüfungsvorbereitung wiederholt vertagen, oder Arbeitnehmende, die mit Projekten zu spät beginnen – die meisten Menschen haben schon mal prokrastiniert. Das Aufschieben von Aufgaben geht jedoch mit Leidensdruck und negativen Folgen einher. Doch es gibt effektive Strategien, um diese zu vermeiden.
Gehören Sie zu den Menschen, die entgegen ihren Vorsätzen erst kurz vor Weihnachten die Geschenke besorgen? Wollen Sie endlich wieder joggen gehen, aber (noch) ist nichts daraus geworden? Wenn Sie solche Situationen kennen, dann haben Sie wie die meisten Menschen praktische Erfahrungen mit Prokrastination.
Was ist Prokrastination?
Unter Prokrastination wird das freiwillige Aufschieben von eigentlich intendierten Handlungen verstanden, trotz der Einsicht, dass das Aufschieben die Situation wahrscheinlich verschlechtert (z. B. Steel, 2007). So investieren viele Studierende relativ lange sehr wenig Zeit in ihre Prüfungsvorbereitung, bis es kurz vor der Prüfung zu einer „Lerneskalation“ kommt (z. B. Howell, Watson, Powell & Buro, 2006; König & Kleinmann, 2005; Häfner, Oberst & Stock, 2014).
Häufigkeit und Problematik von Prokrastination
In moderatem Umfang neigen wir alle zu Prokrastination. Die Frage ist, wie viel Leidensdruck und konkrete Probleme daraus entstehen. Bei Studierenden liegen die Prävalenzraten für Prokrastination als ernsthaftes Problem bei ca. 30 bis 60 % (z. B. Moon & Illingworth, 2005). Prokrastination ist assoziiert mit Schuldgefühlen (Pychyl, Lee, Thibodeau & Blunt, 2000), Angst (Fritzsche, Young & Hickson, 2003) und Leistungseinbußen (Klassen, Krawchuk & Rajani, 2008). Diese Folgen können sehr belastend sein und neben Stress sogar das Scheitern des Studiums bewirken.
Ursachen von Prokrastination
Prokrastination gilt als ein Problem der Selbstregulation (z. B. Howell et al., 2006). Es fehlen geeignete Strategien, um Handlungen adäquat zu organisieren (Howell & Watson, 2006). Laut einem entscheidungstheoretischen Modell sind Menschen geneigt, den Nutzen von Aufgaben stark zu diskontieren: „Das bedeutet, dass Menschen bei der Abwägung von Kosten und Nutzen recht kurzfristig denken und deswegen häufig ad hoc Entscheidungen treffen, die nicht ihren langfristigen Präferenzen entsprechen“ (Kleinmann & König, 2018, S. 30 f.). Hinzu kommt, dass wir die Dauer von Aufgaben häufig unterschätzen (Kahnemann & Tversky, 1979). Dann konkurrieren zu viele Aufgaben miteinander um die knappe Ressource „Zeit“.
Strategien zur Vermeidung von Prokrastination
Es ist keine Willensfrage, sondern völlig normal, Aufgaben aufzuschieben. Ob es nun das Erlernen einer neuen Sprache ist oder die Bearbeitung eines langfristigen Arbeitsprojekts – bei Aufgaben, deren Nutzen sich erst in fernerer Zukunft zeigt, ist es schwierig, die gewünschten Handlungen zu initiieren und zu Ende zu bringen. Strategien der Handlungssteuerung können jedoch Abhilfe schaffen.
In Studien hatten Planungsstrategien positive Effekte auf Prokrastination (z. B. Häfner et al., 2014). Zur Verbesserung der Handlungsinitiierung und Persistenz sind beispielsweise die Strategieentwicklung, Zielsetzung oder die Formulierung von Durchführungsintentionen relevant (z. B. Diefendorff & Lord, 2003; Gollwitzer, 1999). Die nachfolgenden Ansätze wirkten sich in Interventionen positiv u. a. auf Prokrastination und Stresserleben aus (z. B. Häfner et al., 2014; Häfner, Stock & Oberst, 2015; Häfner, Stock, Pinneker & Ströhle, 2014). Sie folgen einem Handlungsplanungsmodell zur Förderung des zeitbezogenen Kontrollerlebens (Häfner, 2011; Häfner, Hartmann & Pinneker, 2015):
- Prioritäten setzen: Wir trauen uns oft zu viel zu. Reflektieren Sie daher, welche Ziele Sie realistisch verfolgen können, und welche Ziele Ihnen wirklich wichtig sind. Das Loslösen von einmal gesteckten Zielen kann schwerfallen, auch weil in vielen Kontexten (z. B. in Arbeitsteams) eher über das Setzen als über das Loslösen von Zielen gesprochen wird. Doch Priorisierung kann mehr Zeit für wichtige Aufgaben schaffen.
- Arbeit einteilen: Weiterhin sollten Sie sich mehrere gleichmäßig verteilte Zieltermine für die einzelnen Arbeitsschritte einer Aufgabe setzen. Studierende können z. B. einen Lernplan erstellen und sich den Stoff aufteilen. Dadurch können die ungünstigen Effekte zeitlicher Diskontierung reduziert werden.
- Ablenkungen vorbeugen: Sie können mögliche Hindernisse antizipieren und sich Gegenmaßnahmen überlegen, z. B. indem Sie Ihr Smartphone bei der Aufgabenbearbeitung ausschalten.
- Anfangen: Gerade bei langfristigen und umfangreichen Aufgaben kann der Einstieg schwerfallen. Vielleicht warten Sie darauf, dass Sie einmal drei freie Stunden im Kalender für die Aufgabe entdecken. Diese Zeit werden Sie allerdings nicht finden. Womöglich gelingt der Einstieg besser, wenn Sie morgen nach dem Frühstück eine erste halbe Stunde dafür fest einplanen.
- Planen und reflektieren: Die entscheidende Planungseinheit ist der einzelne Tag. Es ist wichtig, für die einzelnen Arbeitstage im Vorfeld Prioritäten zu setzen, die Aufgaben konkret zu planen und den Tagesablauf am Abend zu reflektieren, um etwas über den Zeitbedarf für bestimmte Aufgaben zu lernen. Antizipieren Sie Situationen („Morgen früh nach dem Frühstück setze ich mich an meinen Schreibtisch …“) und schaffen Sie so gute Auslösebedingungen für das intendierte Verhalten („… und beginne mit meiner ersten Lerneinheit“).
Die Strategien können zu einer effektiveren und effizienteren Handlungssteuerung führen, nicht nur bei Studierenden, sondern auch im Arbeitskontext: In einer Studie von van Eerde (2003) hatten Beschäftigte mehrerer Unternehmen nach einem Training zu Prioritätensetzung, Planung und Umgang mit Unterbrechungen weniger Schwierigkeiten mit dem rechtzeitigen Beginnen von Aufgaben.
Prokrastination ist menschlich und möglicherweise täte uns etwas mehr Gelassenheit gut. Doch wenn Sie sich in der Prokrastinationsfalle sehen und Leidensdruck haben, probieren Sie die vorgestellten Strategien einmal aus.