Sinn im Beruf erfassen mit dem ME-Work-Inventar

Sinn ist ein starker Motivator. Beschäftigte arbeiten engagierter, wenn sie ihre Tätigkeit als bedeutsam und kohärent erleben, sich zugehörig fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Sinnleere dagegen kann im schlimmsten Fall zu Burn-out, Bore-out oder zur (inneren) Kündigungen führen. Wo Ihre Mitarbeitenden stehen, lässt sich mit dem „ME-Work“-Inventar untersuchen, das Ihnen unsere Autorinnen Prof. Dr. Schnell und Frau Hoffmann vorstellen.

Warum Sie sich mit Sinnhaftigkeit und Sinnleere im Beruf beschäftigen sollten

Blake Allan und Kolleg:innen (2019) berichten in einer Metaanalyse von engen Zusammenhängen zwischen beruflicher Sinnerfüllung und Arbeitsengagement, Commitment und Arbeitszufriedenheit. Bei hohem Sinnerleben sind Kündigungsabsichten niedrig und allgemeine Gesundheitswerte liegen im grünen Bereich.

Berufliche Sinnleere dagegen ist belastend für Beschäftigte und kritisch für Arbeitgebende. Sie kann zu Indifferenz, Resignation und im schlimmsten Fall zu Burn-out oder Bore-out führen. Mit dem von uns entwickelten „ME-Work“-Inventar können Sie herausfinden, ob Ihre Mitarbeitenden bei ihrer Tätigkeit ein hohes oder niedriges Sinnerleben haben. Das Inventar stellen wir Ihnen am Ende des Artikels kostenfrei zum Download zur Verfügung. ME-Work steht dabei für Meaning in Work, zu Deutsch also Sinn in der Arbeit.

Das „ME-Work“-Inventar im Detail

ME-Work erfasst ein breites Spektrum von Sinnkomponenten im Kontext der Arbeitstätigkeit und baut auf langjähriger Forschung auf. Das zugrunde liegende Modell orientiert sich an der von Tatjana Schnell (2020) entwickelten Sinntheorie. Diese geht davon aus, dass vier Merkmale – Bedeutsamkeit, Kohärenz, Zugehörigkeit und Orientierung/Purpose – das Erleben sinnvoller Arbeit ermöglichen. Diese vier Merkmale werden in Modul 1 des ME-Work anhand von insgesamt 13 Items erfasst. Modul 2 erhebt mit jeweils drei Items das Ausmaß der wahrgenommenen Sinnhaftigkeit und Sinnlosigkeit der eigenen Arbeit, während Modul 3 anhand von vier Items erfasst, inwiefern der Beruf als Sinnquelle wahrgenommen wird. Die gesamte Durchführungszeit beträgt nur drei bis vier Minuten.

Die Module können sowohl einzeln als auch gemeinsam eingesetzt werden. Je nach Modulauswahl erlaubt ME-Work somit, eine Arbeitstätigkeit hinsichtlich ihrer Sinnleere, Sinnhaftigkeit oder auch Sinnstiftung zu evaluieren. Eine Analyse der grundlegenden Merkmale ermöglicht es außerdem, Ursachen eines Vorhandenseins oder Fehlens beruflichen Sinns zu eruieren, so dass Sie Ansatzpunkte für Veränderungen ermitteln können.

Die vier Merkmale, die das Erleben sinnvoller Arbeit ermöglichen

Ein Busfahrer und ein Fahrgast winken sich an der Tür des Busses zu.

“Man verbindet Stadtteile” – Arbeit kann als sinnvoll erlebt werden, wenn die Tätigkeit eine Bedeutung für andere hat (Foto: LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com)

Lassen Sie uns noch einen konkreten Blick auf die oben erwähnten vier Merkmale werfen. Zur Veranschaulichung verwenden wir dabei Zitate aus Interviews mit einem Busfahrer (moderate berufliche Sinnerfüllung) und einem Skilehrer (hohe berufliche Sinnerfüllung).

Eine als sinnvoll erlebte Arbeit geht mit der subjektiven Erfahrung einher, dass die Tätigkeit eine Bedeutung für andere hat. So erläutert der Busfahrer: „Man verbindet Stadtteile. Man gibt älteren Leuten Freiheiten, weil sie mit dem Bus einkaufen und auf den Markt fahren können und wieder heim. Ich bringe Leute zur Arbeit, Kinder in die Schule.“

Kohärenz zeigt sich vor allem in der Passung von Person und Position. Dementsprechend hängt sie auch davon ab, wie gut Beschäftigte sich selbst kennen und wie diese Erkenntnis in weiterer Folge umgesetzt werden kann. Der Skilehrer beweist gute Selbstkenntnis, was jedoch nicht automatisch zu hoher Kohärenz führt: „Ich bin ein recht geduldiger Mensch, weshalb das Lehren an sich und jemandem etwas beizubringen gut zu mir passt, aber die Führungsposition passt nicht zu 100 Prozent.“

Orientierung/Purpose bezieht sich im beruflichen Kontext darauf, ob sich eine Person mit den Werten und Zielen identifizieren kann, die von der Organisation angestrebt und gelebt werden. Ist dies der Fall, dann können „alle an einem Strang ziehen“. Einzelne übernehmen Verantwortung für das Ganze. Der Skilehrer: „Zusammenhalt ist der größte Wert, den wir versuchen zu vermitteln, auch nach außen hin, sodass wir als Skischule eine Einheit bilden.“ Wenn eine solche Orientierung jedoch fehlt, wenn sie „nur Fassade ist“ oder offensichtlich den Menschen hintenanstellt, dann sind Zynismus und Sinnverlust nicht fern. Der Busfahrer spricht über belastende Arbeitsbedingungen, die aus den Unternehmenszielen resultieren: „Das Fahrpersonal ist ein Kostenfaktor. [Die Betriebsleitung] ergreift keine Maßnahmen, und der nächste Busfahrer kommt bestimmt. In dem Jahr, in dem ich angefangen habe zu arbeiten, sind bestimmt vier Leute gestorben. Herzinfarkt.“

Dagegen sei es unter den Kolleg:innen „ziemlich gut, zum Glück. Man trifft sich immer, wenn man Pause hat. Dann kann man einiges von dem loslassen, was einen so beschäftigt und widerfährt auf der Tour.“ Die hier thematisierte Zugehörigkeit steht im beruflichen Sinne für das Erleben, Teil eines größeren Ganzen zu sein, eines Teams oder einer Organisation. Dazu gehört auch verlässliche Wertschätzung. Der Skilehrer: „Am meisten Sinn ziehe ich aus positivem Feedback. Wenn man gesagt kriegt, das hat man gut gemacht.“

Widersprüche und Diskrepanzen dürfen nicht zu groß werden

Bei der Wahrnehmung beruflicher Sinnerfüllung geht es übrigens weniger um eine möglichst hohe Ausprägung der vier Merkmale. Stattdessen scheint es wichtig zu sein, dass Widersprüche und Diskrepanzen nicht zu groß werden. So kann der Busfahrer sagen: „Sind ja immerhin 180 Stunden im Monat, in denen ich arbeite. Und natürlich kann man nicht sagen, dass das alles scheiße ist. Man sieht viele Leute. Leute kommen auf einen zu. Es gibt groteske, alle möglichen Situationen. Auch im Gespräch miteinander. Das ist schon gut. Ich kann Ja dazu sagen.“ Der Skilehrer erklärt: „Die Leute kommen ja mit einem gewissen Ziel zu uns. Sie wollen Skifahren oder Snowboarden lernen, und im Optimalfall können wir diese Dienstleistung bieten und kommen diesbezüglich zu einem gewissen Erfolg. Von dem her erscheint mir das sinnvoll.“

Kostenfreier Download des „ME-Work“-Inventars

Danksagung: Wir danken dem Team des Existential Psychology Lab der Uni Innsbruck, insbesondere Frederik Jetter und Manu Besthorn, für ihre Mitarbeit am Projekt „ME-Work“.

Literatur

Allan, B. A., Batz-Barbarich, C., Sterling, H. M. & Tay, L. (2019). Outcomes of Meaningful Work: A Meta‐Analysis. Journal of Management Studies, 56(3), 500-528.

[Werbung] Schnell, T. (2020). Psychologie des Lebenssinns. 2. Aufl. Heidelberg: Springer.

Bestellhinweis auf Ausgabe 3/2022 der Wirtschaftspsychologie aktuell, die den ungekürzten Artikel enthält.