Von den 1980ern bis heute: Was ist New Work?

Was ist New Work? New Work-Experte Prof. Dr. Schermuly gibt Ihnen provokante, philosophische, banale, praktische und psychologische Antworten auf eine vielleicht nicht ganz so wichtige Frage.

Der Begriff New Work wurde von Frithjof Bergmann in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die Literatur eingeführt. Vor allem in Deutschland ist er zunächst im Personalbereich populär geworden. Die Pandemie hat ihn dann in der Breite der Wirtschaftswelt bekannt gemacht. Deswegen sollte die Frage gestellt werden, was New Work heute ist bzw. was als New Work wahrgenommen wird. Ich habe darauf eine provozierende, eine banale, eine philosophische, eine praktische und eine psychologisch-wissenschaftliche Antwort. Beginnen wir mit der Provozierenden.

Die Provozierende: New Work als Containerbegriff

Der Begriff New Work wird häufig wie ein Container benutzt. In einen Container dürfen alle hineinwerfen, was sie möchten, aber auch herausholen, was sie wollen. So nennt ein CEO, der Mietfläche sparen möchte, den Wechsel in das Großraumbüro New Work, weil sich die Transformation mit dem Label besser anhört. Für die Scrum-Trainerin ist Agilität New Work, weil Maßnahmen, die in das Geschenkpapier New Work verpackt werden, sich besser zu verkaufen scheinen. Der Begriff New Work wird so maximal gedehnt. New Work ist dann das, was gerade passt und den eigenen Interessen nützlich ist. Dadurch entsteht aber ein Problem. Container riechen irgendwann und Menschen beginnen, Abstand von ihnen zu halten.

Die Philosophische: New Work als Sozialutopie

Kommen wir zur philosophischen Antwort. Der Philosophieprofessor Bergmann beobachtete in den 1980er Jahren den Niedergang der Autoindustrie in Michigan. Er zog daraus Schlüsse über die Neugestaltung von Arbeit, aber auch die Veränderung der Gesellschaft. Bergmanns Gegner war die tayloristisch organisierte Lohnarbeit. Diese wollte er durch einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus zurückdrängen. Bergmann wollte erreichen, dass die Arbeit den Menschen dient und nicht umgekehrt (Bergmann, 2017). Menschen sollen dabei begleitet werden, dass sie die Arbeit finden, die sie „wirklich, wirklich wollen“. Im Idealfall sollten sie nur noch wenige Tage in der Woche einer Lohnarbeit nachgehen. Weiterhin schlägt er vor, dass durch eine „High-Tech-Eigenproduktion“ Menschen zu Selbstversorger:innen werden. Die Produkte des täglichen Bedarfs sollen mit technischer Unterstützung selbstständig produziert werden (Bergmann, 2017).

Jedes Jahr führen wir in unserem Institute for New Work and Coaching zusammen mit dem Personalmagazin und HRpepper als Medienpartner das New Work-Barometer durch. Hier werden 500 Unternehmensvertreter:innen zu New Work befragt. Im Zuge dessen legen wir den Teilnehmenden verschiedene Verständnisse von New Work vor und fragen die Zustimmung dazu ab. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, bekommt das New Work-Verständnis von Bergmann die geringste Zustimmung. Die Ideen von Bergmann sind spannend, doch scheinen vielen Unternehmensvertreter:innen an einem grundsätzlichen Wechsel des Wirtschaftssystems nicht interessiert zu sein.

Abbildung 1: Zustimmung zu verschiedenen Verständnissen von New Work

Abbildung 1: Zustimmung zu verschiedenen Verständnissen von New Work (angelehnt an Schermuly & Meifert, 2022, S. 26)

Die Banale: New Work als Homeoffice

Nun möchte ich Ihnen das banale New Work-Verständnis vorstellen. Im Zuge der Coronapandemie wurde New Work in den Medien immer stärker mit dem Arbeiten im Homeoffice gleichgesetzt. Ich kann nicht rekonstruieren, wo diese Neuausrichtung ihren Ursprung genommen hat, aber auf einmal war sie da. Dieser Trend hat sich gehalten. Die Computerwoche schrieb kürzlich „Coworking-Spaces bergen als Arbeitsort neben Büro und Home-Office große Chancen für New Work“ Schon im Jahr 2021 mussten wir das Homeoffice-Verständnis in das New Work-Barometer aufnehmen und waren von der Höhe der Zustimmung überrascht (siehe Abb. 1). Eine Arbeitsgestaltungsmaßnahme, die schon im Mittelalter praktiziert wurde, wird in Deutschland mehrheitlich als neue Arbeit verstanden. Das ist beachtlich.

Die Praktische: New Work als Charta

Markus Väth, Arthur Soballa und Anja Gstöttner haben eine New Work-Charta verfasst, die von über 400 Menschen in Deutschland unterschrieben wurde. Die überwiegende Mehrheit der Unterzeichnenden waren Praktiker:innen. Eine Charta ist laut Duden.de eine Verfassungsurkunde. Es gibt die Magna Charta, es gibt die UN-Charta, aber was verbirgt sich hinter einer New Work-Charta? In der Charta entwickeln die Autor:innen fünf verschiedene Prinzipien von New Work-Unternehmen. Die Charta zielt also stark auf die praktische Umsetzung von New Work auf der Unternehmensebene ab. Es handelt sich um die Prinzipien Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung. Diese Prinzipien sollen sich im unternehmerischen Alltag wiederspiegeln. Abbildung 1 zeigt, dass dieses Verständnis von New Work im New Work-Barometer 2022 die zweithöchste Zustimmung erhalten hat.

Die Psychologische: New Work als psychologisches Empowerment

Kommen wir zuletzt zum psychologischen Verständnis von New Work (siehe Schermuly, 2021). Hier wird New Work als ein Konglomerat verschiedener Maßnahmen verstanden, die die Zielsetzung haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern. Psychologisches Empowerment setzt sich aus dem Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz zusammen (Spreitzer, 1995) und ist reliabel und valide mit einem Fragebogen messbar (siehe Schermuly, 2021). Psychologisches Empowerment ist mit vielen positiven Konsequenzen wie z. B. gesteigerter Arbeitszufriedenheit, Flowerleben, Arbeitsleistung und Innovationsverhalten assoziiert. Darüber hinaus werden das Stresserleben, die Depressionsneigung und die körperliche Belastung reduziert. Weiterhin reduziert sich die Fluktuation und empowerte Menschen gehen erst später in Rente (für eine Übersicht der positiven Konsequenzen siehe Schermuly, 2021). Abbildung 2 zeigt das Modell, das die Grundlage für die wissenschaftliche und praktische Arbeit mit dem Empowermentansatz bildet.
 

Abbildung 2: Modell, das die Grundlage für die wissenschaftliche und praktische Arbeit mit dem Empowermentansatz bildet

Abbildung 2: Modell, das die Grundlage für die wissenschaftliche und praktische Arbeit mit dem Empowermentansatz bildet (Schermuly)

Fazit

New Work kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Letztlich soll mit New Work die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt werden. Die äußere Komplexität soll durch eine innere gespiegelt werden. Dabei sollte sowohl die Humanisierung als auch die Effizienz im Fokus stehen. Die Wege zu diesem Ziel können sehr unterschiedlich sein. Ob das dann New Work genannt wird oder anders ist nicht so wichtig, denn das, was heute new ist, mag in volatilen und unsicheren Zeiten morgen schon ganz alt aussehen. Und zur Beruhigung: Den Begriff New Work gibt es nur im deutschsprachigen Raum.

Literaturliste zum Download

Bestellhinweis auf Ausgabe 1/2022 der Wirtschaftspsychologie aktuell, die einen weiteren Artikel des Autors zu "New Work Utopia" enthält.