Wie löse ich meine inneren Konflikte?
Schon Goethes Faust lamentierte: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!“ Wenn es doch nur zwei wären, würden Sie sich vielleicht manchmal wünschen. In vielen inneren Konflikten schwirrt uns der Kopf von Gedanken und die unterschiedlichsten Emotionen treiben uns um. Wie kommen wir da raus?
Typisch für innere Konflikte, Entscheidungssituationen, Dilemmata: Innere Stimmen raten uns mal dies, mal das. In uns herrscht Chaos und wir wissen nicht, was der richtige Weg ist. Aber wie finden wir den Weg trotzdem?
Stellen Sie sich vor, Ihre Kollegin fragt Sie eines Tages, ob Sie sie morgen bei einem Meeting vertreten könnten. Vielleicht meldet sich sofort eine ganz vorlaute und gleichzeitig hilfsbereite innere Stimme und spricht plötzlich laut und deutlich durch Ihren Mund: „Ja, gerne!“ Nun ist es raus – aber Sekundenbruchteile später melden sich andere innere Stimmen zu Wort: „Letztes Jahr hat sie sich aber auch geweigert, als ich einen Urlaubstag tauschen wollte.“ – „Und das fällt ihr jetzt ein! Hätte sie mich ja auch letzte Woche schon fragen können.“ Schon haben Sie einen inneren Konflikt.
Mitglieder des inneren Teams identifizieren
In solchen Situationen lohnt es sich, dieses „innere Team“ aus Gedanken, Eindrücken und Gefühlen einmal genauer anzuschauen.
Manche Teammitglieder sind sofort zu erkennen: Sie artikulieren sich unmissverständlich und stehen im Vordergrund. Andere sind eher zurückhaltend. Oder sie verstecken sich irgendwo in einer dunklen Ecke. Spannend ist, dass sich manche Teammitglieder verbünden – gegen andere Mitglieder oder Grüppchen innerhalb des Teams.
Es hilft bei der Selbstklärung, wenn Sie alle diese Stimmen in Ihnen personifizieren und wie Mitglieder eines Teams behandeln, dessen Chef Sie selbst sind.
Verschaffen Sie sich für Ihren inneren Konflikt einen Überblick über Ihr inneres Team:
- Wer taucht da auf? Innere Teammitglieder können Gedanken und Gefühle, aber auch Werte, Prägungen, Rollen und Haltungen sein.
- Geben Sie jedem Teammitglied einen Namen, in unserem Beispiel könnte das „die Hilfsbereite“ sein, „die Gekränkte“ oder „die Planerin“.
- Finden Sie für jedes Teammitglied eine typische Aussage, z. B. „Ich helfe gerne“ und „Ich will mich in Ruhe vorbereiten können“.
- Hören Sie in sich hinein: Welche Teammitglieder sind dominant? Welche leise und zurückhaltend?
- Und wenn Sie denken, Sie hätten alle Teammitglieder entdeckt: Welche könnte es noch geben?
- Zeichnen Sie auf ein Blatt eine Person mit großem Bauch und dann alle Teammitglieder in den Bauch, mit Namen und typischem Satz. Das könnte dann beispielsweise so aussehen:
Möglichkeiten zur Lösung des Konfliktes verschriftlichen
Nehmen Sie sich dann die Zeichnung, die Sie von Ihren Teammitgliedern angefertigt haben. Überlegen Sie, wie sich die Teammitglieder zueinander verhalten. Wer ist mit wem verbündet? Und gegen wen? Welche Allianzen und Koalitionen gibt es in Ihrem Team? Wofür treten sie ein? Wogegen? Was wird Ihnen klar, wenn Sie das so betrachten?
Spielen Sie nun die Möglichkeiten, zwischen denen Sie sich bei Ihrem inneren Konflikt entscheiden müssen, gedanklich durch. Wichtig dabei: Verlagern Sie dieses innere Gespräch raus aus Ihrem Kopf – beispielsweise auf ein Blatt Papier, in Ihr Tagebuch, oder auf ein Flipchart. Notieren Sie Ihren inneren Dialog, statt ihn nur zu denken. Vielleicht hilft es Ihnen auch, wenn Sie sich für jede Option auf einen anderen Stuhl setzen und sich in diese Rolle einfühlen.
- Wie reagieren die einzelnen Teammitglieder auf die eine oder die andere Möglichkeit?
- Wo schreien sie empört auf?
- Wo blockieren sie?
- Wo freuen sie sich?
- Wie reagieren andere Teammitglieder und Gruppen im Team auf diese Reaktion?
- Wie sähe auf einer Skala von eins bis zehn die Zehn für jedes Teammitglied aus? (Die Zehn steht für den Idealzustand.)
- Wie sähe ein kleiner Schritt Richtung Ziel für jeden aus?
- Was sagen die anderen dazu?
Gemeinsam mit dem inneren Team einen Kompromiss finden
Erlauben Sie Ihrem inneren Team eine Diskussion über diese unterschiedlichen Möglichkeiten, Positionen und Sichtweisen. Sie als Teamleiter können diese Diskussion moderieren, indem Sie bei allen Teammitgliedern nachfragen: „Wie siehst du das? Wie geht es dir damit?“
Nach dieser Teamdiskussion, die nichts anderes als Selbstklärung ist, gelingt „Ihnen allen“ vielleicht schon ein Kompromiss, bei dem niemand zu kurz kommt und an dem sich alle beteiligen können. Ansonsten: Bleiben Sie im Gespräch, bis Klarheit entsteht.
Und wenn Sie sich einem Kompromiss nähern: Überlegen Sie, welcher kleine Schritt „Sie alle“ in Richtung Kompromiss voranbringen würde. In unserem Beispiel könnte eine Lösung, die unterschiedliche innere Teammitglieder integriert, vielleicht so aussehen: „Ich (=wir, die inneren Teammitglieder) kann mir das prinzipiell gut vorstellen, dich im Meeting zu vertreten. Diesmal ist mir das aber zu kurzfristig, weil ich mich bis morgen nicht gut vorbereiten kann. Wenn du mich beim nächsten Mal ein paar Tage früher fragst, mach‘ ich das aber gerne.“
Lassen Sie sich auf alle Fälle Zeit und überlegen Sie gründlich - vor allem wenn Sie zum ersten Mal mit dem inneren Team arbeiten. Später können Sie dann darauf zurückgreifen und können mit etwas Übung zügiger in die innere Gruppendiskussion und Konfliktlösung einsteigen.
Literatur
Schalk, C. (2012). Selbstcoaching. Berlin: Down to Earth.
Schalk, C. (2013). Ziele erreichen. Berlin: Down to Earth.
Schalk, C. (2019). Blockaden lösen. Berlin: Down to Earth.
Schalk, C. (2020). Ihr bester Coach sind Sie selbst. Berlin: epubli.