Ablaufmodell ethischer Entscheidungen schafft Klarheit

Top-Führungskräfte der US-Streitkräfte befragt

Der Managementforscher Scott Heyler von der United States Air Forces Academy hat zusammen mit Kollegen 25 hochrangige Führungskräfte des US-Verteidigungsministeriums zu ethischen Entscheidungen befragt. Diese qualitative Studie steht in der Onlineausgabe der Fachzeitschrift The Leadership Quarterly.

Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen, auf 748 Seiten verschriftlicht, woraus 205 Aussagen entnommen wurden, die mit Entscheidungen rund um Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Würde zu tun hatten. Aus diesen kristallisierten sich folgende sechs Themen heraus, die die Wissenschaftler schließlich in eine Reihenfolge des Entscheidungsablaufs brachten:

Sich verantwortlich fühlen

Moralisches Bewusstsein. Das war das Wissen um moralische Grundsätze und darüber, wie sie mit Entscheidungen verbunden sind. Es speiste sich aus Erfahrungen, der Familie, Weiterbildungen oder der Religion. Ein Beispielkommentar: „Ich denke, es war meine Erfahrung, mein Wissen über Vorgänge und Ereignisse in der Armee. Dazu noch etwas Selbstvertrauen und Glück. Und so habe ich die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen.“

Moralische Wirksamkeit. Diese umfasste die Überzeugung, dass man für ethisch relevante Ereignisse selbst verantwortlich sei, und die Fähigkeit, sich für menschliche Ziele stark zu machen, auch wenn Hürden diesen entgegenstanden. Beispiel: „Schon als junger Mann, hatte ich den Mut, Nein zu sagen, als ein leitender Angestellter etwas von mir verlangte. Darauf bin ich stolz.“

Fühlen und denken

Gefühle. Bei moralischen Entscheidungen spielten häufig Gefühle wie Reue, Schuld, Unbehagen, Frustration oder das Gewissen eine Rolle. Sie führten dazu, dass die Personen das Thema tiefer durchdrangen, sich „psychisch auf die Entscheidung vorbereiteten“. Beispiel: „Ich erinnere mich, dass ich mich nach dem Vorfall schlecht und schuldig fühlte, mich quasi selbst dafür schlug und mir sagte: Du hättest das nicht tun dürfen. Warum hast du das nur getan?“

Abwägen. Die Autoren gingen von einem schnellen und einem langsamen Verarbeitungssystem bei Entscheidungen aus. Ersteres reagierte automatisch und ohne Anstrengung, das zweite war mühevoller und abwägend. Hier begann die eigentliche Denkarbeit, die vor fehlerhaften Schnellschüssen bewahrte. Beispiel: „Ich habe länger darüber nachgedacht, Ratschläge von Außenstehenden eingeholt und solche Dinge.“

Im Hinblick auf andere entscheiden

Einfluss von Kollegen. Dieser konnte gut sein, indem er den Entscheider für die Werte der Gemeinschaft öffnete und von eigennützigen Zielen abbrachte. Er konnte aber auch negativ sein, wenn der Vorgesetzte Druck ausübte, die Kollegen zu einer Entscheidung drängten oder schlechte Ratschläge gaben. Beispiel: „Ich denke, der Hauptgrund dafür war Gruppendruck, was eine Gruppe tut, was sie von einem erwartet, wie sie einen umgarnt, wenn man Erfolg hat. Ein Erfolg jagt den nächsten. Und irgendwann sitzt man in der Falle und denkt: Wie konnte das nur passieren?“

Bedeutsamkeit. Moralische Entscheidungen hatten eine größere Bedeutsamkeit, wenn die Folgen ernst waren, wenn man etwa zwischen möglichen Kosten oder Menschenleben entscheiden musste, und wenn die Betroffenen der Entscheidung einem nahestanden (z.B. Freunde, Familienangehörige, Kinder). Beispiel: „Ich bin Vater. Meine Tochter war im gleichen Alter. Sie war gerade zwei Jahre alt, als es passierte. Ich war ziemlich aufgewühlt. Ich hatte eine Tochter im gleichen Alter. Da war dieses Kind. Und es sah offenbar alles selbst mit an.“

Das Ablaufmodell

Ablauf einer Entscheidung. Ausgehend von diesen Themen entwarfen die Autoren folgenden Ablauf für ethische Entscheidungen:

  1. Durch die Familie, den eigenen Glauben, seine Erfahren entwickelt jemand moralisches Bewusstsein.
  2. Sie oder er fühlt sich für aktuelle Situationen verantwortlich, in denen es um Gerechtigkeit, Fairness etc. geht.
  3. Die Bedeutsamkeit, also ob eine Entscheidung wichtig ist oder die Betroffenen einem nahe stehen, motiviert zusätzlich.
  4. Gefühle spielen hinein und das Abwägen beginnt. Die Entscheidung wird durchdacht, Kollegen werden um Rat gefragt.
  5. Ergebnis des Abwägens ist eine moralische Entscheidung, die mit Standhaftigkeit verteidigt werden muss. Das Ergebnis kann von anderen schließlich als moralisch oder unmoralisch eingeschätzt werden.

Mehr Klarheit für Entscheider

Das Modell könnte den Wissenschaftlern zufolge helfen, Führungskräfte auszubilden oder Einzelnen die Schritte ihrer eigenen ethischen Entscheidung vor Augen zu führen. Dabei geht es um folgende Fragen: 1. Bin ich mir über den ethischen Gehalt der Sache bewusst? 2. Fühle ich mich dafür verantwortlich? Wenn ja, warum? 3. Wie sehen die Folgen meiner Entscheidung aus? 4. Muss ich die Entscheidung verlangsamen und nachdenken? 5. Sollte ich meine Kollegen fragen? Die Autoren: „Insgesamt denken wir, dass unser vorgeschlagenes Modell in praktischen Situationen Personen dabei helfen kann, den Aufbau und Vorgang ethischer Entscheidungen besser zu verstehen.“

Literatur

Scott G. Heyler, Achilles A. Armenakis, Alan G.Walker & Donovan Y. Collier. (2016). A qualitative study investigating the ethical decision making process: A proposed model [Abstract]. The Leadership Quarterly, Articles in Press, Available online 9 June 2016.