Mit emotionaler Intelligenz besser führen

Emotionale Intelligenz (EI) ist eine Schlüsselkompetenz für erfolgreiche Führung. Doch lässt sie sich gezielt verbessern? Eine aktuelle Studie zeigt: Schon ein vierwöchiges Online-Training mit Dankbarkeit und Mitgefühl kann Teile der EI signifikant steigern.

Der Begriff der emotionalen Intelligenz (EI) wurde maßgeblich durch Daniel Goleman (Goleman, 1995) geprägt. EI beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und bewusst zu regulieren.  

Forschungsergebnisse zeigen eindeutig: EI ist ein entscheidender Faktor für Führungserfolg. Führungskräfte mit hoher EI haben bessere zwischenmenschliche Beziehungen, treffen durchdachtere Entscheidungen und sind widerstandsfähiger gegenüber Stress (Cherniss, 2010; Goleman, 1995). Im Gegensatz zum IQ, der weitgehend genetisch determiniert ist und sich im Erwachsenenalter kaum verändert, kann die EI gezielt trainiert und verbessert werden. Da emotionale Fähigkeiten auf neuronaler Plastizität basieren, kann das Gehirn neue Verhaltensmuster durch bewusste Übungen und Wiederholung etablieren (Goleman, 2007; Klimecki et al., 2014).

Die vier Kernkompetenzen der EI 

Die EI lässt sich in vier Hauptbereiche unterteilen (Goleman, 2007): 

  1. Selbstwahrnehmung: Eigene Emotionen bewusst erkennen, verstehen und reflektieren können  
    Führungskräfte mit hoher Selbstwahrnehmung erkennen frühzeitig eigene Stresssignale oder emotionale Reaktionen auf herausfordernde Situationen. Eine Führungskraft bemerkt beispielsweise, dass sie gereizt auf Kritik reagiert und hinterfragt, ob dies mit Stress oder Unsicherheit zusammenhängt. 
  2. Emotionsregulation: Gefühle bewusst steuern können und sich nicht von impulsiven Reaktionen leiten lassen  
    Führungskräfte, die ihre Emotionen regulieren können, bleiben auch in schwierigen Situationen besonnen. Bei einem unerwarteten Konflikt im Team reagiert eine Führungskraft nicht sofort gereizt, sondern bleibt ruhig und sachlich. 
  3. Empathie: Emotionen anderer wahrnehmen und verstehen, um angemessen darauf zu reagieren 
    Empathische Führungskräfte erkennen die emotionale Lage ihrer Mitarbeitenden und können unterstützend eingreifen. Eine Führungskraft bemerkt z. B., dass ein Teammitglied sich zurückzieht, und bietet der Person Unterstützung an. 
  4. Soziale Kompetenz: Effektive Beziehungen aufbauen, Konflikte lösen und positiv kommunizieren können 
    Dies umfasst Teamführung, Beziehungsmanagement und Einflussnahme. Ein:e Abteilungsleiter:in nutzt beispielsweise die eigene soziale Kompetenz, um ein Teamgespräch zu moderieren und eine konstruktive Lösung für ein Problem zu erarbeiten. 

Die genannten Kompetenzen sind eng miteinander verknüpft. Eine hohe Selbstwahrnehmung ist Voraussetzung für eine effektive Emotionsregulation, denn, wer die eigenen Emotionen nicht erkennt, kann sie auch nicht steuern. Empathie und soziale Kompetenz wiederum ermöglichen es Führungskräften, gezielt auf die Emotionen anderer einzugehen – ein essenzieller Aspekt für eine motivierende und unterstützende Führungskultur. 

Achtsame Führung und EI 

Führung in der heutigen Arbeitswelt ist zunehmend komplex und herausfordernd. Emotionale Intelligenz ist dabei nicht nur ein persönlicher Vorteil, sondern eine essenzielle Fähigkeit für ein produktives und gesundes Arbeitsumfeld. Genau hier setzt achtsame Führung (Mindful Leadership) an. Ihre Prinzipien – Selbstreflexion, emotionale Kontrolle und empathische Kommunikation – ermöglichen es Führungskräften, ihre eigenen Emotionen zu regulieren und respektvoll mit denen ihrer Mitarbeitenden umzugehen (Castrillon, 2022; Stedham & Skaar, 2019). 

Studien zeigen eindeutig: EI hat zahlreiche Vorteile (Kinnary et al., 2023). Sie fördert fundierte Entscheidungen, unterstützt Besonnenheit in stressigen Situationen und hilft, Konflikte frühzeitig zu entschärfen. Zudem stärkt sie eine konstruktive Unternehmenskultur, in der sich Mitarbeitende wertgeschätzt fühlen. Das steigert nicht nur das Wohlbefinden und die Motivation, sondern auch die Zufriedenheit im Unternehmen. 

Doch wie lässt sich EI konkret trainieren?

EI trainieren: Ein vierwöchiges Training für Führungskräfte 

In einer Studie wurde untersucht, ob gezielte Online-Interventionen innerhalb weniger Wochen messbare Verbesserungen bewirken können (Bock & Rana, 2024). Dafür wurde ein flexibles, selbstgesteuertes Online-Training für Führungskräfte entwickelt, das deren engen Zeitplan berücksichtigt. 21 Teilnehmende bildeten die Kontrollgruppe („Warteliste“), während die 24 Teilnehmenden der Interventionsgruppe täglich zwei SMS mit kurzen Anweisungen für Übungen erhielten, die insgesamt 20 Minuten dauerten. Kernbestandteile waren eine Mitgefühlsmeditation (Reflexion über Mitgefühl für sich und andere) sowie ein Dankbarkeitstagebuch mit drei abendlichen Einträgen. 

Verbesserungen der EI nach nur vier Wochen 

Die Analyse zeigte, dass die Interventionsgruppe eine signifikante Verbesserung der Fähigkeit zur Emotionsregulation aufwies. Führungskräfte berichteten, dass sie nach dem Training besser mit stressigen Situationen umgehen konnten und weniger impulsiv reagierten. Andere EI-Komponenten – wie das Erkennen eigener und fremder Emotionen oder der Ausdruck von Emotionen – zeigten leichte Verbesserungen, die jedoch nicht statistisch signifikant waren. Womöglich erfordert eine Verbesserung in diesen Aspekten längere oder intensivere Intervention. 

Wie jede Studie hat auch diese Einschränkungen: Die Stichprobe war mit 46 Führungskräften klein, und die Selbstauskünfte könnten subjektive Verzerrungen enthalten. Zudem bleibt die Langzeitwirkung des Trainings unklar. Dennoch bieten die Ergebnisse eine wertvolle Basis für weiterführende Forschung und praxisnahe Maßnahmen zur Förderung der EI in der Führung.  

Trotz der vielversprechenden Erkenntnisse gibt es nach wie vor Hürden bei der Umsetzung in der Praxis. Besonders verbreitet sind Vorurteile gegen EI, die oft dazu führen, dass emotionale Intelligenz in der Führung unterschätzt oder missverstanden wird.

Emotionen sind doch ein Frauending! 

Ein Vorurteil gegen EI ist, dass Emotionen ein „Frauending“ seien. Noch immer wird emotionale Intelligenz in vielen Unternehmen als „weiches“ Thema betrachtet und oft mit weiblichen Führungskräften assoziiert. Doch die Forschung zeigt eindeutig, dass EI eine messbare Kompetenz ist, die unabhängig vom Geschlecht über Führungserfolg entscheidet (Mandell & Pherwani, 2003). Unternehmen sollten daher gezielt Kennzahlen erheben, wie sich EI-Trainings auf Fluktuation, Engagement oder Führungseffizienz auswirken, um diese positiven Effekte sichtbar zu machen. 

Ein zweiter, häufiger Irrglaube ist, dass emotionale Intelligenz angeboren sei und nicht trainiert werden könne. Doch die Forschung widerspricht dem: Daniel Goleman, der Begründer des Konzepts der EI, betont, dass emotionale Intelligenz ähnlich wie ein Muskel durch gezieltes Training gestärkt werden könne. Studien zeigen, dass bereits kurze Interventionen – wie das vierwöchige Training dieser Studie –deutliche Effekte auf die Emotionsregulation haben. Durch regelmäßiges Üben von Selbstreflexion, Emotionskontrolle und Empathie können Führungskräfte ihre EI langfristig weiterentwickeln. 

Schließlich empfinden viele Führungskräfte Trainings zu den „weichen Themen“ als zu zeitaufwendig. Hier liegt der Schlüssel in niederschwelligen, flexiblen Formaten. Online-Trainings bieten eine Lösung, bergen jedoch das Risiko mangelnder Verbindlichkeit. Eine effektive kombinierte Alternative wäre ein Präsenz-Kick-off gefolgt von einem Online-Kurs, der durch eine kontinuierliche Messung begleitet wird. Beispielsweise könnten Führungskräfte nicht nur ihre eigene EI-Selbsteinschätzung reflektieren, sondern auch regelmäßig Feedback in Form von Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit einholen. So wird emotionale Intelligenz nicht nur trainiert, sondern auch direkt im Führungsalltag verankert. 

Beschreibung von 3 Strategien für emotionale Intelligenz

EI ist trainierbar 

Emotionale Intelligenz ist trainierbar und ein essenzieller Bestandteil achtsamer Führung und sie trägt maßgeblich zur Mitarbeiterzufriedenheit und einer positiven Unternehmenskultur bei. Damit der Nutzen von EI-Trainings nicht durch Vorurteile ausgebremst wird, sollten sie allerdings niederschwellig, messbar und praxisnah gestaltet sein – nur so wird emotionale Intelligenz als strategischer Erfolgsfaktor in Unternehmen verankert. 

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