Feierabend ohne Erholung: Liegt es an der Führung?

Erholung von der Arbeit ist für Arbeitnehmende essenziell, um langfristig leistungsfähig zu bleiben und ihr individuelles Wohlbefinden aufrechtzuerhalten. Führungskräften kommt bei der Sicherstellung der Erholung von Arbeitnehmenden eine zentrale Rolle zu. Doch gibt es auch Verhaltensweisen von Führungskräften, die Erholungsprozesse ihrer Mitarbeitenden erschweren?

Was versteht man unter Erholung von der Arbeit?

Durch die tägliche Arbeit werden die Ressourcen von Arbeitnehmenden (z. B. ihre Energie oder Aufmerksamkeitsfähigkeit) natürlicherweise beansprucht. Unter Erholung versteht man den Prozess, der dieser Beanspruchung entgegenwirkt, also die Wiederherstellung von persönlichen Ressourcen (Sonnentag et al., 2022). Erholung findet daher im Alltag vor allem nach Feierabend statt, wenn Berufstätige ihre „Akkus“ wieder aufladen. Besonders relevant sind hier die psychologischen Erfahrungen, die Berufstätige in ihrer Freizeit machen (Sonnentag & Fritz, 2007). Zu diesen Erholungserfahrungen zählen das Abschalten von der Arbeit (d. h. die Arbeit nach Feierabend gedanklich hinter sich lassen) und die Entspannung am Feierabend (d. h. eine geringe physiologische Aktivierung erleben). Beide Erfahrungen sind zentral für den Erholungsprozess und gehen beispielsweise mit erhöhter Energie und größerem Arbeitsengagement am nächsten Tag einher (ten Brummelhuis & Bakker, 2012).

Studie: Feindseliges Führungsverhalten und Erholung von Mitarbeitenden

Da Führungskräfte eine wichtige Rolle auf der Arbeit einnehmen, haben wir uns in einer Studie die Frage gestellt, ob Verhaltensweisen von Führungskräften die Erholungsprozesse von Mitarbeitenden erschweren können (Iser-Potempa et al., 2024). Paradoxerweise gehen besonders stressige Arbeitstage mit eingeschränkten Erholungsprozessen am Feierabend einher, obwohl Erholung gerade an diesen Tagen wichtig wäre (Sonnentag, 2018). Verhaltensweisen von Vorgesetzten könnten also auch ein Arbeitsstressor sein, der Erholungsprozesse einschränkt. Folglich wurde untersucht, ob feindseliges Führungsverhalten (engl.: „abusive supervision“) mit geringerem Abschalten und verminderter Entspannung der Mitarbeitenden am Feierabend einhergeht. Unter feinseligem Führungsverhalten versteht man die Wahrnehmung von feindseligem verbalem und nonverbalem Verhalten der Führungskraft (Tepper, 2000), z. B. dass die Führungskraft Mitarbeitende vor anderen runtermacht oder sich über Mitarbeitende lustig macht. In der Studie sind wir davon ausgegangen, dass sowohl kognitive als auch affektive Prozesse den Zusammenhang von feindseligem Führungsverhalten und geringem Abschalten und verminderter Entspannung erklären können. Außerdem war Gegenstand der Untersuchung, ob die Unterstützung von Kolleg*innen, das Verhalten der Führungskraft anders einzuordnen, dabei hilft, mit feindseligem Verhalten der Führungskraft umzugehen, und die negativen Zusammenhänge abmildert. In einer täglichen Befragung über zwei Arbeitswochen hinweg haben wir 171 Berufstätige regelmäßig während ihres Arbeitsalltages zu den genannten Punkten befragt.

Was können Führungskräfte für die Erholung ihrer Mitarbeitenden tun?

Unsere Studie hat gezeigt, dass Führungskräfte sich nicht feindselig gegenüber ihren Mitarbeitenden verhalten sollten, denn auch eine geringe Intensität von feindseligem Führungsverhalten während des Arbeitstages kann Erholungsprozesse von Mitarbeitenden bereits erschweren. Den Studienergebnissen nach geht feindseliges Führungsverhalten mit mehr Grübeln über das Verhalten der Führungskraft während des Arbeitstages einher, was wiederum mit vermindertem Abschalten am Feierabend zusammenhängt. Außerdem hängt feindseliges Führungsverhalten mit erhöhter Wut der Mitarbeitenden und in der Folge mit einem beeinträchtigten Abschalten und Entspannen am Feierabend zusammen. Insgesamt konnten wir also zeigen, dass feindseliges Führungsverhalten über kognitive (Grübeln) und affektive (Wut) Prozesse mit eingeschränkter Erholung zusammenhängt.

Weitere Forschung hat gezeigt, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden bei der Erholung von der Arbeit unterstützen können (Iser-Potempa et al., 2025; Sonnentag et al., 2024). Dabei ist es besonders wichtig, Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu respektieren (Sonnentag et al., 2024). Im Alltag ist es außerdem relevant, dass Führungskräfte sowohl auf beruflicher Ebene helfen als auch Unterstützung in Bezug auf private Angelegenheiten signalisieren, um die Erholung ihrer Mitarbeitenden optimal zu fördern (Iser-Potempa et al., 2025).

Was können Arbeitnehmende für ihre Erholung tun?

In der Studie haben wir auch herausgefunden, dass Unterstützung von Kolleg*innen die indirekten Zusammenhänge von feindseligem Führungsverhalten und Abschalten abmildert. Das bedeutet, dass es bei der kognitiven Verarbeitung von feindseligem Führungsverhalten helfen kann, wenn Kolleg*innen dazu anregen, das Verhalten der Führungskraft in einem anderen Licht zu sehen und konstruktiv damit umzugehen. Beispielsweise könnte man überlegen, warum die Führungskraft das Verhalten gezeigt hat. Wenn es keine rationalen Anhaltspunkte gibt, sollte man vermeiden, sich gemeinsam mit anderen Kolleg*innen in das Verhalten der Führungskraft „hineinzusteigern“, da exzessive, negativ fokussierte Gespräche die Effekte des feindseliges Führungsverhalten noch verstärken können (Haggard et al., 2011). Passend dazu ergab unsere Untersuchung, dass die emotionale Unterstützung von Kolleg*innen (also z. B., dass man Arbeitnehmenden dabei hilft, Dampf auf der Arbeit abzulassen) nicht bei der Verarbeitung von feindseligem Führungsverhalten hilft und die indirekten Zusammenhänge mit eingeschränkter Erholung nicht abmildert.

Arbeitnehmende sollten zudem versuchen, an stressigen Arbeitstagen (z. B. wegen feindseligen Führungsverhaltens) besonders auf ihre Erholung zu achten, indem sie negative Gedanken und Gefühle in Bezug auf die Arbeit möglichst hinter sich lassen. Dabei können Aktivitäten, die von der Arbeit ablenken, besonders hilfreich sein. Beispielsweise könnten Arbeitnehmende sich mit Freund*innen treffen oder zum Sport gehen (Alameer et al., 2023). Wichtig ist, dass man auch an stressigen Arbeitstagen nicht auf solche Aktivitäten verzichtet, da diese den Erholungsprozess unterstützen (Sonnentag, 2018).

Fazit

Insgesamt hat sich gezeigt, dass Verhaltensweisen von Führungskräfte eine wichtige Rolle für die Erholung ihrer Mitarbeitenden am Feierabend spielen. Führungskräfte sollten daher die Erholung ihrer Mitarbeitenden fördern, um das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden sicherzustellen.

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