Beziehungen Bauen
Architektur ist das Klären, Ordnen und Ermöglichen von zwischenmenschlicher Interaktion. Architektur ist damit gebauter Ausdruck menschlicher Beziehungen oder Beziehungsmuster. LEPEL & LEPEL Architektur, Innenarchitektur hat dies als zentrale Aussage und Haltung so formuliert: Beziehungen bauen. Städtebau, Architektur, Innenarchitektur und Design ermöglichen Interaktion in unterschiedlicher Körnigkeit und gesellschaftlicher Bezugsgröße. Die persönliche Relevanz entsteht dabei aus dem jeweiligen Aktionsradius der Person. Als Architekt:innen und Innenarchitekt:innen arbeiten wir dabei bewusst oder unbewusst mit Distanzen, Grenzen und Gesten, die mittelbar oder unmittelbaren Aufforderungscharakter haben.
Im Fachgebiet der Innenarchitektur definieren wir nicht nur das Innere bestehender Architekturgrenzen, sondern stellen in gebauter Umwelt angemessenen Raum für spezifische Bedürfnisse her. Die gewünschte Interaktion und Nutzung sind dabei das Maß aller Dinge. Unser Schwerpunkt als Planer:innen liegt auf der Gestaltung von Arbeitswelten, Instituten und Kirchen. Dies alles sind Orte, die für Menschen gestaltet werden, die nicht immer unmittelbar in die Planung einbezogen sind. Dies bedeutet für uns über spezifisch persönliche Anforderungen hinaus, generell gute Räume zu verwirklichen, die für viele Menschen sozial und emotional gut funktionieren.
Distanz, Grenze und Gestus sind dabei die zu gestaltenden Bedingungen, die entscheidend auf Verhalten einwirken.
Distanz
In seinem Werk „The Hidden Dimension“ hat der amerikanische Antropologe Edward T. Hall 1963 verschiedene Abstände zwischen Menschen beschrieben und kategorisiert. Im Rahmen komplexer Zusammenhänge greift er in „The Hidden Dimension“ die Abstände zwischen handelnden Personen heraus. „Proxemik“ (vgl.: „proximus“, der Nächste) als die Lehre vom Abstand zwischen Menschen stellt hierbei einen Bezugsrahmen her zwischen messbaren Abständen und zu erwartender Beziehungsqualität. Die von Hall beschriebenen Kategorien differieren leicht je nach Kulturkreis. Sobald wir durch Begrenzungen oder Objekte Situationen baulich herstellen, geben wir allein durch die determinierte Distanz die Beziehungsintensität an.
Grenze
Grenzen schaffen Klarheit und Frieden. Dies gilt sowohl für Raumgrenzen, als auch für Objekte im Raum, die Bereiche voneinander trennen. Die Definition von „Mein Ort / Dein Ort“ schafft ein Setting des definierten Aktionsradius. Zu geringe Distanzen können durch physische, robuste Grenzen entschärft werden. Auch das „Wir“ zum Beispiel in Teamflächen oder Gruppenbüros bedarf wahrnehmbarer Grenzen, die das gemeinsame Territorium wie Duftmarken begrenzen und den kulturellen Rahmen setzten.
Geste
Jedes Gebäude und jeder Raum begegnen uns mit einer Geste, die meist intuitiv erkannt wird. Vilem Flusser hat in seinem Buch „Gesten, Versuch einer Phänomenologie“, Bollmann Verlag 1991 die Beziehung zwischen menschlichem Handeln und Erkennen beschrieben. Er stellt eine Verbindung her zwischen unserem Körper, insbesondere der Bedingtheit unserer Hände, und dem Schaffen. Es geht um die Form als Ergebnis des Formens und unserer menschlichen Voraussetzungen.
Festgelegt oder informell
Insgesamt erkennen wir bei unseren Bauherr:innen einen Wandel zum Informellen und einen starken Impuls zur Beteiligung. Das Selbstbestimmungspotenzial nimmt in unserer Wahrnehmung zu. Beginnend bei Beteiligungsformaten zu Beginn nachhaltiger Planungsprozesse bis zu Aneignung und Anpassung von Räumen stellen Nutzer:innen hohe Ansprüche an eine soziale Verträglichkeit und immer wieder neu definierten praktischen Nutzen.
Eine kluge Strategie von Gestaltungsschwerpunkten im Raum in Relation zu einer eher offenen Werkstattszenerie ist angesichts der Forderungen nach Nachhaltigkeit nicht nur ressourcenschonend sondern auch sozial zukunftsfähig. Unsere Verantwortung liegt hier darin, im Rahmen einer erkennbaren Identität die Szenerie für mögliche Aktivitäten vorzubereiten und unterschiedliche Beziehungsqualitäten mitzudenken. Die Kenntnis von kulturellen und physiologischen Bedingungen ist dabei in Gestaltung öffentlicher Räume extrem überzeugend.
Letztendlich sind das Erleben und Gestalten von persönlichen Distanzen, Grenzen und Gesten Ausdruck von menschlicher Kreativität und Würde.
„Jeder für den Menschen gemachte Raum ist Rahmen seiner Würde.“
Gottfried Böhm in seiner Dankesrede zur Verleihung des Pritzkerpreis 1986