Durch Achtsamkeit besser arbeiten
Achtsamkeit ist zunehmend zu einem Trend geworden und wird mitunter als wichtige Ressource für berufliche Zufriedenheit diskutiert. Zwei Studien des Forscherinnenteams um die Psychologin Ute Hülsheger zeigen, dass Achtsamkeit auch bei der täglichen Arbeit hilft, indem sie mit weniger Erschöpfung und einer höheren beruflichen Zufriedenheit einhergeht. Achtsamkeitstrainings scheinen daher eine effektive Strategie zu sein, um gezielt beruflichem Stress vorzubeugen.
Achtsamkeit: den Moment ohne Bewertung wahrnehmen
Ein Ergebnis unserer Zeit, in der fast jeder von uns seine tägliche Zerstreuung in Form seines Smartphones mit sich herumträgt, ist eine achtsame Gegenkultur. Einer der Vorreiter war Jon Kabat-Zinn, der in den 1980er Jahren an der University of Massachusetts ein achtwöchiges Achtsamkeitstraining entwickelte, um damit die Heilung bei körperlichen Erkrankungen zu unterstützen.
Auch die Auswirkungen von Achtsamkeit im beruflichen Kontext wurden in den vergangenen Jahren mehr und mehr erforscht. Im Jahr 2013 untersuchte beispielsweise ein Forscherteam der Universität Maastricht um Ute Hülsheger, wie sich Achtsamkeit in fordernden Berufen mit viel Kundenkontakt auswirkt. Die Forscherinnen definierten dafür Achtsamkeit als eine Form der bewussten Wahrnehmung, bei der man sich auf das aktuelle Geschehen konzentriert und Gedanken, Gefühle und die Umgebung objektiv beobachtet, ohne diese zu bewerten.
Wie wirkt sich Achtsamkeit im Berufsleben aus?
Um zu untersuchen, ob achtsame Arbeitnehmer auch zufriedener und gesünder im Beruf sind, führten die Psychologinnen zwei Tagebuchstudien durch. In der ersten Studie ging es darum, welche Auswirkungen „natürliche“ Achtsamkeit hat, also eine, die nicht antrainiert ist, sondern der eigenen Persönlichkeit oder dem situationsbezogenen Gemütszustand entspringt. Dazu gaben sie 219 Krankenschwestern, Lehrerinnen, Personalmanagern, Verkäuferinnen und Sozialarbeitern ein Tagebuch an die Hand, in dem sie das Ausmaß ihrer Achtsamkeit notierten, entweder
- als überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal (z. B. mit der Aussage: „Normalerweise gehe ich schnell dorthin, wohin ich möchte, ohne groß darauf zu achten, was ich auf dem Weg dahin erlebe.“, die für wenig Achtsamkeit steht), oder
- als veränderlichen Zustand (z. B. mit der Aussage: „Heute fand ich es schwierig, mich auf das zu konzentrieren, was in der Gegenwart geschieht.“, die ebenfalls geringe Achtsamkeit impliziert).
Außerdem wurden die emotionale Erschöpfung und berufliche Zufriedenheit erfasst. Ein weiteres erhobenes Merkmal war das sogenannte Surface Acting: Das bedeutet, dass man negative Gefühle unterdrückt und stattdessen künstlich positive Gefühle beispielsweise mit der Mimik zum Ausdruck bringt. Vielleicht kennen Sie das auch, dass Sie sich manchmal im Kontakt mit Kunden oder Klientinnen zu einem Lächeln zwingen müssen, obwohl Ihnen gar nicht danach zumute ist. Womöglich merken Sie dann, dass Sie immer mehr verkrampfen und sich nach einer Weile ziemlich erschöpft fühlen. Eine achtsame Wahrnehmung sollte es erleichtern, auch unerwünschte Gefühle wie z. B. Ärger zu akzeptieren, ohne sie reflexartig zu überspielen.
Kann man Achtsamkeit trainieren?
In der zweiten Studie erhielten 64 Teilnehmer ein Selbsttraining zur Achtsamkeit. Wieder waren es Angestellte, die in Berufen mit viel Kundenkontakt tätig waren. Sie bekamen ein Trainingsbuch und eine Trainings-CD und sollten damit zwei Wochen lang selbstständig eine achtsame Haltung einüben. Jeden Tag mussten sie in ein Tagebuch schreiben, wie oft sie übten, wie sie sich fühlten und ob sie mit ihrem Job zufrieden waren. Das Achtsamkeitstraining enthielt folgende Übungen:
Rosinen-Übung: Hierbei sollen Sie eine kleine Rosine ganz bewusst wahrnehmen. Ertasten Sie zuerst ihre Oberfläche, riechen Sie an ihr und lassen Sie sie schließlich ganz langsam auf der Zunge zergehen.
Body Scan: Setzen Sie sich dafür in einen ruhigen Raum oder legen Sie sich hin. Spüren Sie dann nach und nach in jedes Körperteil, angefangen von den Zehen, über den Fuß, das Bein, den Rumpf, Finger und Arme, Schulter bis hin zum Kopf. Konzentrieren Sie sich zwischendurch immer wieder bewusst auf Ihren Atem.
Drei-Minuten-Atemraum: Diese dreiminütige Übung besteht aus drei Schritten. Nehmen Sie zuerst alle aktuellen Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen wahr. Achten Sie dann auf Ihren Atem, wie er durch die Nase strömte oder die Bauchdecke hebt, und nehmen Sie schließlich wieder den ganzen Körper wahr.
Achtsame Routinehandlungen: Suchen Sie sich hierfür eine alltägliche Routinehandlung aus – z. B. duschen, zur Arbeit fahren oder Kaffee trinken – und widmen Sie dieser Ihre ganze Aufmerksamkeit.
Liebende-Güte-Meditation: Bei dieser Übung geht es darum, ein warmes, liebevolles Gefühl zu kultivieren. Versuchen Sie zunächst, sich selbst mit ganzer Liebe zu betrachten. Stellen Sie sich dann vor, wie Sie andere Menschen liebevoll sehen könnten, ja sogar schwierige Personen, mit denen Sie nicht gerne zusammen waren.
Je achtsamer, desto zufriedener und kraftvoller
In beiden Studien zeigte sich, dass die Teilnehmer in ihrem Job umso zufriedener und weniger gestresst und ausgelaugt waren, je achtsamer ihre Wahrnehmung ausfiel. Egal, ob man schon vom Naturell her für eine achtsame Wahrnehmung angelegt ist oder diese mit kurzen Übungen trainiert, in beiden Fällen schützt Achtsamkeit vor emotionaler Erschöpfung im Berufsalltag. Sogar auf das anstrengende Surface Acting hat Achtsamkeit einen Einfluss, denn sie hilft dabei, auch negative Gefühle ohne Bewertung zu beobachten und zu akzeptieren. Wenn Sie Achtsamkeit also gezielt einsetzen, um Ihre Emotionen ohne Bewertung zuzulassen, werden Sie entspannter durch Ihren Arbeitstag gehen.
Ein paar Minuten Achtsamkeit helfen
Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, “dass Achtsamkeit ein ertragreicher Weg ist, um mit einem emotional fordernden Beruf besser umgehen zu können.“ Achtsamkeit ist also nicht nur in Wellnessoasen hilfreich, sondern auch am Schreibtisch oder bei Meetings. Legen auch Sie sich einen Puffer gegen den Arbeitsstress zu. Ein paar Minuten Achtsamkeit pro Tag sind bereits ausreichend.
Literatur
Hülsheger, U. R., Alberts, H. J., Feinholdt, A., & Lang, J. W. (2013). Benefits of mindfulness at work: the role of mindfulness in emotion regulation, emotional exhaustion, and job satisfaction. Journal of applied psychology, 98(2), 310.