Mit Achtsamkeit gegen Selbstsabotage
Mit selbstschädigendem Verhalten – ungesundes Essen, falsche Bescheidenheit, Pingeligkeit – verschafft man sich eine kurze Verschnaufpause von unliebsamer Angst oder bedrohlichen Gedanken. Ein neuer Zeitschriftenbeitrag zeigt verschiedene Formen dieser Selbstsabotage auf. Mit Achtsamkeit kann man dagegen angehen.
Heute erscheint die Juli-Ausgabe der Psychologie Heute. Anna Roming hat darin einen Übersichtsbeitrag zum selbstschädigenden Verhalten geschrieben. Außerdem gibt es ein Interview mit den Achtsamkeitsexperten Matthias Hammer und Andreas Knuf, die sagen, wie sich selbstschädigendes Verhalten durch nicht bewertendes Gewahrsein eindämmen lässt. Hier soll kurz erläutert werden, was selbstschädigendes Verhalten ist, welche Formen es im Arbeitsalltag annehmen kann und wie sich dabei eine achtsame Haltung auszahlt.
Selbstsabotage: Was, wie, wogegen?
Selbstschädigend ist ein Verhalten, das einer Person kurzfristig nutzt, aber ihre langfristigen Ziele oder ihr Wohlbefinden einschränkt. Beispiel: Man kommt in einer Verhandlung dem Gegenüber entgegen (kurzfristige Erleichterung), hat aber mehrere Monate lang finanzielle Einbußen (langfristige Nachteile). Es gibt also keinen „Todestrieb“ zur Selbstschädigung, sondern das Selbst schützt sich damit vor momentanen bedrohlichen Gefühlen oder Gedanken. Einige Formen selbstschädigenden Verhaltens:
Negative Folgen ignorieren. Man weiß, dass man mittags nicht mehr zu fettem Fleisch greifen sollte um abzuspecken, tut es aber trotzdem. Damit wird die negative Folge der Gewichtszunahme oder des schlechteren Körpergefühls ignoriert. Die Gaumenfreuden übertünchen diese selbstbedrohlichen Gedanken.
Sich selbst opfern. Im Meeting wird besprochen, dass eine zusätzliche Recherche von jemandem übernommen werden soll. Ein Kollege erklärt sich dazu bereit, fühlt sich in diesem Moment gut, weil er meint, die anderen würden dies wertschätzen. Die nächsten zwei Wochen ächzt er aber unter dem Aufgabenberg.
Zu bescheiden sein. Im Mitarbeitergespräch wird nicht der Wunsch nach einer Gehaltserhöhung. Innerlich rühmt sich dieser Mitarbeiter seiner Bescheidenheit wegen – kurzfristige Selbstwertsteigerung. Das ganze nächste Jahr ärgert er sich aber darüber, dass er nicht den Mund aufgemacht hat.
Perfekt sein wollen. Eine Mitarbeiterin schiebt das Briefing für die externe Werbeagentur vor sich her, weil sie denkt, noch nicht alle Punkte für die perfekte Werbeaktion berücksichtigt zu haben. Kurzfristig fühlt sie sich mit dem Gedanken gut: „Ich werde die perfekte Kampagne lancieren, daher kann das Briefing noch nicht rausgehen.“ Langfristig werden sie und andere in Terminnot kommen.
Dinge aufschieben. Die Vorbereitungsunterlagen für eine Besprechung werden am Tag vorher versendet. Damit hat der Teamleiter zwar Zeit für sich selbst gewonnen, aber die Diskussion wird womöglich ungeordnet verlaufen.
An einem erfolglosen Vorhaben festhalten. Beharrlichkeit, an sich eine Tugend, ist dort fehl am Platz, wo sich abzeichnet, dass kein Erfolg in Sicht ist. Ein Produkt wurde durch die Lead User abgelehnt. Das Team hält aber an dem Projekt fest, um sich und anderen zu zeigen, dass man standhaft ist. Diese vorübergehende Selbstbeschwichtigung wird langfristig das Betriebsergebnis hineinreißen.
Achtsamkeit kann helfen gegen selbstschädigendes Verhalten. Was geschieht dabei?
- Man beobachtet das was man gerade tut – denkt, fühlt, handelt – genau, aber bewertet es nicht: „Okay, ich denke gerade, dass ich das Projekt nicht beenden kann. Ich merke die aufsteigende Angst davor, dass mich die Kollegen als Versager sehen.“
- Eine Bewertung, die fast immer dem Gedankenstrom folgt, wäre: „Schwachsinnige Gedanken. Ich muss es durchziehen. Koste es, was es wolle.“ Demgegenüber versucht man einfach nur wahrzunehmen, vor allem auch das Negative: „Ich will mir einfach nur ansehen, was ich gerade denke und fühle.“ Andreas Knuf spricht daher auch von „annehmendem Gewahrsein“ (S. 26).
- Der Versuch, alles akzeptierend wahrzunehmen, ist allerdings nicht leicht. Ständig strömen neue Gedanken ein. Stets hat man es mit automatischen Abwehrreaktionen zu tun: „Hör mit diesem blöden Gedanken auf.“ Achtsamkeit bedarf also einer stetigen liebevollen Aufforderung, es noch einmal zu versuchen, ganz im Jetzt zu sein ohne Werturteil.
- Das Resultat ist, dass man die bedrohlichen Gefühle und Gedanken erkennt, die selbstschädigendes Verhalten abwehren will: Angst vor Misserfolg, langweilige Arbeit, bedrohliche Vorhersagen, Konflikte untereinander, sich alleine fühlen. Zwei Dinge hängen mit diesem Erkennen zusammen: 1) man kommt wieder mit seinen eigenen Gefühlen in Kontakt, 2) damit ergibt sich eine bessere Grundlage für weitere Entscheidungen.