Mit vier Techniken zur Gedankenstille

Niels Birbaumer erklärt im Gespräch gedankliche Leere. Sie ist einfach zu beschreiben, aber schwierig zu erreichen. Vier Techniken helfen dabei.

Das Effektgehirn schweigt

Klaus Wilhelm hat den Psychologen und Neurobiologen Niels Birbaumer in der Zeitschrift Psychologie heute nach gedanklicher Leere gefragt. Sie tritt ein, wenn man nicht zielgerichtet in Wörtern oder Sätzen denkt, wenn Gefühle nachlassen, Wünsche sich abschwächen und man sich nicht mehr verteidigen will. Physiologisch gesehen ist dann das sogenannte „Verteidigungssystem, Effekt- oder katastrophische Gehirn“ weniger aktiv. Alpha- und Thetawellen zeigen sich in den Gehirnströmen, die auch bei Entspannung, Schlaf oder Meditation auftauchen.

Gelähmte sind glücklich

Diesen Zustand fand Niels Birbaumer z.B. bei Locked-in-Patienten, die vollständig gelähmt sind, nicht mehr sprechen, aber noch wahrnehmen können. Je weiter sie in ihrem eingeschlossenen Zustand fortgeschritten seien, sich der Hoffnungslosigkeit ergeben hätten, desto mehr Leere komme zu ihnen, was man an einer bestimmten Erregung des Gehirns sehe, so der Forscher. Sie hätten daher „eine hohe Lebensqualität, höher als wahrscheinlich die vieler anderer Menschen“.

Getaktetes Gehirn

Gedankliche Leere ist anfangs nur schwer auszuhalten, weil Belohnungen ausbleiben, die immer dann winken, wenn man sich auf ein Ziel zubewegt. Folgende Techniken erleichtern es, das Leeresystem des Gehirns anspringen zu lassen:

  • Gleichschritt. Im Gleichschritt laufen, wandern, im Fußballstadion brüllen, sich auf einer Technoparty bewegen – all das bewirkt, dass Hirnströme gleich getaktet werden und man weniger denkt.
  • Entspannung. Auch Entspannungstechniken (z.B. Autogenes Training) oder Meditation, bei der man nur sein Atmen wahrnimmt oder innerlich ein einziges Wort wiederholt, helfen abzuschalten. Für Niels Birbaumer ist das der „gesündeste Zugang“ zu mehr innerer Leere.
  • Musik. Bei ihr feuern viele Bereiche im Gehirn in gleicher Weise. Sie werden synchronisiert, was ebenfalls problembezogenes Denken stoppt. Bei jenen, die Popmusik mögen, tritt das durch den Rhythmus ein. Klassikliebhaber versenken sich eher in das farbenfrohe Spiel verschiedener Instrumente.
  • Floaten. Dabei steigen Menschen in ein abgedunkeltes Becken mit konzentriertem Salzwasser und lassen sich treiben. Durch diese Schwerelosigkeit fühlt man seinen Körper nicht mehr so stark, was ebenfalls dazu führt abzuschweifen.

Nur dasitzen

Gedankenstille ist wichtig, um abzuschalten und kreativ zu werden. Außerdem scheint sie lebensnotwendig zu sein, worauf Niels Birbaumer hinweist: „Unser Gehirn aktiviert seinen Leeremechanismus ausgesprochen gerne.“ Besonders in Zeiten, in denen wir unentwegt an Elektrogeräten hängen, sollte man wieder häufiger einfach nur regungslos dasitzen.

Literatur

Klaus Wilhelm (2016). „Die Leere gibt uns einen freien Blick auf die Welt.“ Niels Birbaumer im Interview [Abstract]. Psychologie heute, November 2016, 64-68.