So meistern Sie schwierige Entscheidungen in 5 Schritten
Die Philosophin Ruth Chang sagt im Interview, wie man schwierige Entscheidungen treffen kann, ohne sich zu zermartern. Dazu gehört, Beweggründe zu finden, Commitment aufzubauen und sich hinter die gewählte Alternative zu stellen.
Knifflige Gleichwertigkeit
Im Interview „Ich steh dazu“ in der Oktoberausgabe der Psychologie Heute befragt Anette Schäfer die Philosophin Ruth Chang, die an der Rutgers University lehrt, zum Umgang mit schwierigen Entscheidungen. Aus ihren Entgegnungen kann man folgende Schritte extrahieren, mit denen man sich etwa der kniffligen Wahl zwischen zwei Jobalternativen besser stellen kann:
1. Entscheidungsart bestimmen. Am Anfang steht die Überlegung, ob es eine „einfache“ oder „schwierige“ Entscheidung ist. Ersteres ist der Fall, wenn eine Alternative besser ist als eine andere (z.B. ein Brotaufstrich enthält mehr Eiweiß und weniger Fett als ein anderer). Letzteres trifft zu, wenn beide Alternativen ihre Vorteile haben und gleichwertig sind (z.B. die Wahl zwischen zwei Berufen, Lebensmittelpunkten oder Partnern).
2. Beweggründe finden. Bei Entscheidungen mit gleichwertigen Alternativen bringt es nichts, Pro- und Contra-Fakten zu sammeln. Hier sollten „von innen heraus Gründe“ gefunden werden, die für die eine oder andere Option sprechen. Leitfrage ist: Welche Art von Mensch möchte ich sein, wenn ich das tue? Die Beweggründe könnten bei der Wahl zwischen Marketing- oder Marktforschungsstelle sein, dass man die Freude lebt, sich mit Kunden auszutauschen, oder sich der Analyse unentdeckter Kundenbedürfnisse widmet. Ersteres könnte eher dem eigenen Lebensentwurf entsprechen und ausschlaggebend sein.
Wer kann ich sein?
3. Commitment aufbauen. Man beginnt, eine Bindung – neudeutsch: Commitment – zu einer der Alternativen aufzubauen. Die Bindungsstärke ist nach Axel Wolf, der im gleichen Heft über „Commitment“ schreibt, größer, (1) je freud- und lustvoller die Folgen sind, (2) je mehr man materiell und ideell aufwendet, (3) je weniger leidvoll die Erfahrungen sind und (4) je rarer bessere Alternativen sind. Leitfrage beim Bindungsaufbau ist: Wer kann ich mit der Entscheidung sein? Denn im Kern geht es darum, mit dem Entschluss die eigene Persönlichkeit zu formen. Wenn ich die Frage ehrlich beantworte, ergeben sich Lustgewinn (da ich z.B. mein etwas fragwürdiges Luxusbedürfnis berücksichtige), Aufwendung (da es mir Spaß macht, zu schwadronieren und aufzutrumpfen), weniger Schmerz (weil Persönlichkeit und Umfeld harmonisieren) und karge Alternativen (weil anderes ausgeschlossen wird).
4. Sich entscheiden. Die Entscheidung für den Marketingjob fällt also. Das Commitment führt dazu, dass man sich nun ganz dahinter stellen kann. Die andere Alternative birgt zwar auch viele Vorteile. Aber man weiß, dass man sich nur mit der gewählten Alternative in die gewünschte Richtung entwickelt und dabei seinen wirklichen Bedürfnissen gerecht wird. Ruth Chang gemahnt daran, sich nicht für die sichere Möglichkeit zu entscheiden, sondern quasi für Liebesalternative mit Bindung. Weil es im „schwierigen“ Fall keine richtige und falsche Entscheidung gibt, kann es nie ein Fehler sein, sich voll und ganz hinter ein Projekt zu stellen.
Bewusste Wandlung
5. Veränderungen einplanen. Mit der getroffenen Entscheidungen, den neuen Handlungen und Eindrücken verändert man sich. Das wird häufig ausgeblendet, wenn man nur nach der Devise „Ich mache, was ich will, und alles wird gut“ entscheidet. Im neuen Job wird man sich vielleicht das Kopfnicken des Chefs abschauen und in der anderen Wohnung zukünftig mit Augenmaske schlafen. Diese gewandelten Gewohnheiten verändern vielleicht auch das Denken und einen selbst. Zur Phase „Leben mit der Entscheidung“ gehört auch, dass man „ein Commitment wieder lösen“ kann, wie Ruth Chang sagt. Wenn etwas im neuen Job passiert, was einen abstößt, wenn Mitarbeiter übergangen werden oder Kollegen einen triezen, kann man seine Verbundenheit bewusst aufkündigen.