Wie der Alltag zum Lichtblick wird

Wie können Beschäftigte an einem ganz normalen Arbeitstag aufblühen? Das haben Barbara Fredrickson und Lahnna Catalino in einer Studie untersucht. Dabei waren es die kleinen Dinge, die sich positiv auswirkten: jemandem helfen, sich verabreden, spielen, lernen, meditieren. Wenn die Teilnehmenden diese erfreulichen kleinen Dinge intensiv wahrnehmen und genießen konnten, wurden sie achtsamer und fühlten sich langfristig wohler.

 

Aufblühen durch positive Gefühle

Barbara Fredrickson, Psychologieprofessorin und Gefühlsexpertin an der University of North Carolina at Chapel Hill, hat 1998 ihre Erweiterungs- und Aufbau-Theorie positiver Gefühle entwickelt. Freude, Interesse, Zufriedenheit oder Liebe erweitern demnach unseren Wahrnehmungsfokus und helfen dabei, Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aufzubauen.

Positive Gefühle führen auch zum sogenannten Flourishing – zum Aufblühen. Personen, die aufblühen, haben einen Zustand optimaler geistiger und seelischer Befindlichkeit erreicht. Sie fühlen sich überwiegend gut, meistern ihr Leben und leisten einen Beitrag für die Gesellschaft. Wenn man täglich 3x mehr positive als negative Gefühle erlebt, beginnt man aufzublühen, hat Fredrickson 2005 herausgefunden. Die eigene „Positivity Ratio“ kann man täglich mit dem „Positivity Self Test“ überprüfen und sich vom Testscore zu mehr Freude inspirieren lassen. „Der Test erweitert unser Repertoire an guten Emotionen“, sagte die Autorin 2009 in einem Interview in der Psychologie Heute (Metzger, 2009, S. 24).

Die Studie

In ihrer Studie „Ein Dienstag im Leben eines Aufblühenden“ – veröffentlicht in einer Ausgabe der Fachzeitschrift Emotion – hat sie zusammen mit Lahnna Catalino untersucht, wodurch „Flourisher“ ihr gutes Funktionsniveau erreichen.

An der Studie nahmen 208 Berufstätige mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren teil. Die Autorinnen unterteilten sie in Aufblühende, Nicht-Aufblühende und depressive Personen. Sie wurden an einem Mittwoch im Juli 2007 gebeten, den vorherigen Dienstag ausführlich zu beschreiben: was sie getan hatten und was sie dabei fühlten. Warum gerade ein Dienstag? Weil er als durchschnittlicher Wochentag einen typischen Arbeitstag am besten abbildet.

Die Teilnehmer wurden nach sechs Aktivitäten gefragt, die besonders positive Gefühle auslösen und denen sie an jenem Dienstag nachgingen: 

  • Helfen: jemandem helfen, ihm etwas schenken, Zuspruch und Mitgefühl äußern, Unterstützung anbieten
  • Interaktion: mit anderen zusammen sein, jemanden einladen, mit Kolleg:innen sprechen, etwas gemeinsam unternehmen
  • Spielen: sich spielerisch mit etwas beschäftigen, einem Hobby nachgehen, dabei Raum und Zeit vergessen, spielerische Sportarten ausüben (z. B. Basketball)
  • Lernen: neue Fakten oder Verhaltensweisen (nebenbei) lernen, neugierig sein, ein neues Kunstwerk kennen lernen, von Kolleg:innen etwas Neues lernen
  • Spiritualität: meditieren, über den Lebenssinn nachdenken, beten, an religiösen Veranstaltungen teilnehmen
  • Trainieren: körperliches Training, Fitnesstraining, Aerobic

Zwei Monate nach diesem Dienstag wurden alle Teilnehmenden noch einmal befragt. Diesmal mussten sie zu einer bestimmten Fähigkeit Auskunft geben: Achtsamkeit. Achtsamkeit ist eine Haltung, den gegenwärtigen Moment aufmerksam wahrzunehmen und ihn nicht zu bewerten. 

Damit verbunden ist die Fähigkeit genau zu beobachten, was gerade geschieht („Ich achte auf Empfindungen wie den Wind im Haar oder die Sonne in meinem Gesicht zu spüren.“), und negative Gedanken und Gefühle innerlich vorbeiziehen zu lassen („Wenn ich unangenehme Gedanken oder Vorstellungen habe, bemerke ich sie und lasse sie gehen.“).

Ergebnis: Aufblühende erlebten Positives positiver

Es zeigte sich, dass Aufblühende viel stärker als Nicht-Aufblühende auf positive Aktivitäten reagierten. Wenn sie jemandem halfen, mit anderen zusammen waren, spielten, lernten oder meditierten, stieg ihre Freude im Schnitt doppelt so stark an wie bei Nicht-Aufblühenden oder Depressiven. Die Autorinnen sprechen von positiven Gefühlsschüben oder stärkerem positivem Reaktionsvermögen.

Erstaunlich ist, dass diese Gefühlsschübe an einem einzigen gewöhnlichen Arbeitstag zu mehr Achtsamkeit zwei Monate später führten. Die Aufblühenden mit den Gefühlsschüben achteten dann mehr darauf, was sie spürten, und konnten negative Gedanken und Gefühle leichter vorüberziehen lassen. Personen ohne diese kleinen Gefühlssprünge berichteten über keinerlei Änderungen in ihrem achtsamen Wahrnehmen.

Schließlich ging eine Stärkung der Achtsamkeit mit Verbesserungen des Wohlbefindens einher. Diejenigen, die achtsamer geworden waren, gaben an, dass sie zufriedener waren, mehr Lebenssinn verspürten und mehr für die Gesellschaft tun konnten.

Lichtblick Alltag

Der Reiz der Studie liegt darin, dass sie zeigt, wie der gewöhnliche Alltag zum Lichtblick werden kann. Die Teilnehmenden erlebten ganz normale, kleine, erfreuliche Begebenheiten. Und nach zwei Monaten stießen diese alltäglichen Begebenheiten ein achtsameres Verhalten und mehr Wohlbefinden an. Aber nur bei denjenigen, die diese positiven Erlebnisse auch intensiv wahrnehmen und genießen konnten. Wenn man selbst aufblühen möchte, sollt man sich also Folgendes zu Herzen nehmen:

  • Positiven Aktivitäten nachgehen: helfen, sich verabreden, spielen, lernen, meditieren.
  • Sich ganz auf diese Aktivitäten konzentrieren und die Freude und das Wohlbefinden genießen, das sie auslösen.
  • Seine negativen Gedanken und Gefühle währenddessen vorbeiziehen lassen.

 

Literatur

Lahnna I. Catalino & Barbara L. Fredrickson. (2011). A Tuesday in the Life of a Flourisher: The Role of Positive Emotional Reactivity in Optimal Mental Health. Emotion, 11, 938-950.

Jochen Metzger (2009). Wie (und warum) wir aufblühen. Psychologie Heute, November 2009, 20-26.

Barbara L. Fredrickson & Marcial F. Losada (2005). Positive affect and the complex dynamics of human flourishing. American Psychologist, 60, 678-686.