5 Stellschrauben für eine gendersensitive Personalauswahl

Trotz der Debatten um Frauenquoten und Gleichberechtigung ist das Geschlecht weiterhin ein bedeutsames Kriterium im Bewerbungsprozess. Forscher*innen zeigen auf, dass bereits das Anschreiben Hinweise darauf enthält, ob es ein Mann oder eine Frau verfasst hat, und nennen Strategien, mit denen Geschlechtseinflüsse im Bewerbungsverfahren aufgedeckt und kontrolliert werden können.

Männer sind selbstbewusst, Frauen devot? Solche Geschlechterstereotype begegnen uns oft. Sogar im Bewerbungsverfahren prägen sie den häufig karrierebestimmenden ersten Eindruck. So fanden Williams und Best bereits 1990 heraus, dass Männer über Kulturen hinweg eher als aggressiv, selbstherrlich, stark, unabhängig, unnachgiebig und unternehmungslustig eingeschätzt werden, Frauen hingegen als einfühlsam, feinfühlig, verträumt und unterwürfig.

Klischees bestimmen die Selbstdarstellung

Derartige Klischees beeinflussen, wie Bewerber*innen wahrgenommen werden, aber tatsächlich verhalten sich viele Frauen und Männer auch passend zu diesen Stereotypen. Monika Siverding von der Freien Universität Berlin demonstrierte dies 2003 in einer Studie, in der sie Teilnehmende einem Bewerbungsprozess mit Leistungstests, einem Interview und der Aufgabe, sich selbst in einem Vortrag zu präsentieren, unterzog und die Leistungen per Selbst- und Fremdbeurteilung erfasste. Die gefundenen Geschlechterunterschiede waren beachtlich: Während Frauen ihre Leistung durchweg unterschätzten, beurteilten sich Männer tendenziell zu positiv, entsprechend ihrem stereotyp größeren Selbstbewusstsein. 

Selbstdarstellung im Bewerbungsschreiben

Interessanterweise zeigen sich derartige Tendenzen schon vor dem persönlichen Kennenlernen, nämlich in den Bewerbungsunterlagen, wie Monika Stempkowski und Elisabeth Ponocny-Seliger (2017) herausfanden. Die Forscherinnen untersuchten in ihrer Studie sogenannte „assertive“ Selbstdarstellungstechniken. Diese dienen der proaktiven Durchsetzung eigener Interessen, z. B. durch den Verweis auf Qualifikationen, durch Komplimente, hohe Ansprüche, die Selbstaufwertung über Kontakte oder ein betont hohes Selbstwertgefühl.

In der Studie wurde die Häufigkeit solcher Selbstdarstellungsstrategien in den Bewerbungsmappen von insgesamt 55 Jurist*innen und 17 Psycholog*innen erfasst und es wurden qualitative Interviews mit Personaler*innen geführt.

Die bedeutsamsten professionsübergreifenden Unterschiede zwischen Männern und Frauen betrafen drei assertive Techniken:

  1. Die Betonung des eigenen Selbstwertgefühls wurde bei Männern häufiger beobachtet als bei Frauen. Zudem berichteten Personaler*innen, dass Männer im Bewerbungsgespräch selbstbewusst ihre Fähigkeiten hervorheben und Schwächen nicht offen zugeben. Frauen hingegen stehen eher zu ihren Schwächen, zumal das breitbeinige Auftreten der Männer nicht zum weiblichen Geschlechtsstereotyp passt.
  2. Sich durch Kontakte aufzuwerten war ebenfalls für Männer typischer, während Frauen zum Nachweis ihrer beruflichen Fähigkeiten häufiger auf Zeugnisse und Praktika verwiesen. Die Forscherinnen vermuten, dass Frauen ihre Qualifikation objektiv belegen, da ihnen nicht wie Männern automatisch Kompetenz unterstellt werde.
  3. Komplimente anzubringen zur Bestätigung des Gegenübers war typischer für Frauen als für Männer. Frauen fanden demnach im Vergleich zu männlichen Bewerbern positivere Worte für die Seite der Arbeitgebenden als für sich selbst und rückten nicht wie die Männer sich selbst in den Vordergrund.
Ein Blatt, auf dem "Motivationsschreiben" steht, darauf liegen ein Stift und eine Brille.

Frauen und Männer stellen sich in Bewerbungsschreiben entsprechend ihren Stereotypen dar. (Foto: Loufre – Pixabay.com)

5 Tipps für eine geschlechtsneutrale Personalauswahl

Solche Geschlechterunterschiede im Auftreten von Bewerber*innen können natürlich Personalentscheidungen beeinflussen, weshalb zunehmend erforscht wird, wie eine gendersensitive Personalauswahl aussehen könnte. Sowohl Isaac, Lee und Carnes (2009) als auch Welpe, Brosi, Lotzkat, Ritzenhöfer und Schwarzmüller (2013) identifizieren diesbezüglich die folgenden fünf Faktoren, deren Beeinflussung Ihnen objektivere Personalentscheidungen ermöglichen kann:

  1. Anforderungsprofil: Definieren Sie im Vorfeld klare Anforderungskriterien für zukünftige Mitarbeiter*innen und legen Sie fest, wie Sie diese Kriterien messen und gewichten wollen. Dies steigert die Objektivität und Transparenz im Auswahlverfahren.
  2. Stellenausschreibung: Gestalten Sie die Stellenausschreibung für Interessent*innen aller Geschlechter gleichermaßen attraktiv, indem Sie gendern und insbesondere Frauen gezielt ansprechen, um deren Anteil am Bewerber*innenpool zu erhöhen.
  3. Bewerbungsunterlagen: Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Sichtung der Bewerbungsmappen und nutzen Sie zu deren Beurteilung Ihre anfangs festgelegten Auswahlkriterien. Vergeben Sie am besten Punkte für die einzelnen Aspekte und erstellen Sie einen Summenwert, anstatt nach Bauchgefühl direkt ein Gesamturteil zu fällen. Auch sollten Sie demografische Angaben verblinden, um die Fokussierung auf jobbezogene Qualifikationen zu maximieren.
  4. Tests und Arbeitsproben: Überprüfen Sie zentrale Kompetenzen durch einen Praxistest oder Arbeitsproben. So können Bewerber*innen ihre selbst attestierte Kreativität oder Ausdauer unter Beweis stellen.
  5. Bewerbungsgespräch: Hier scheinen strukturierte Interviews der Schlüssel zur Objektivität zu sein, denn während bei offenen Interviewformaten Stereotype auch die Art der gestellten Fragen beeinflussen (Johnston & Macrae, 1994), ist dies bei strukturierten Interviews wegen der festgelegten Fragen nicht möglich. Tatsächlich berichten Pogrebtsova und Kollegen (2020), dass in einer Feldstudie mit 691 Bewerber*innen keine rein geschlechtsabhängigen Bewertungsunterschiede auftraten, wenn ein strukturiertes Interview zum Einsatz kam. Wie Sie ein solches Interview planen und durchführen können, können Sie in der Handreichung von Welpe et al. (2013) nachlesen.

Mehr Objektivität durch ein gezieltes Vorgehen

Die dargestellten Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass es trotz der wachsenden Sensibilität für Gleichberechtigungsthemen ein reflektiertes Vorgehen für eine gendersensitive Personalauswahl braucht, denn Stereotype beeinflussen das Auftreten von Frauen und Männern sowohl schriftlich als auch im direkten Kontakt. Mit festen Anforderungsprofilen, geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen, einer objektiven Sichtung der Unterlagen, Arbeitsproben sowie strukturierten Interviews können Sie jedoch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, trotzdem ideale Kandidat*innen auszuwählen.