Kulturell diverse Remote-Teams erfolgreich managen

Projektarbeit findet heutzutage vermehrt in Remote-Teams statt, die über kulturelle Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Die damit verbundene kulturelle Diversität der Teammitglieder kann für Remote-Teams zwar eine wertvolle Ressource sein, aber ebenso eine Quelle für Unsicherheit darstellen. Die Auswertung von drei Fallanalysen zeigt, welche Stellschrauben und Handlungsempfehlungen von Führungskräften und Mitarbeitenden beachtet werden sollten.

Die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe in diesen Remote-Teams sorgen für einen breiten Spannungsbogen. Einerseits sind damit vielseitige und wertvolle Kompetenzen, Einstellungen, kognitive Ressourcen und Kenntnisse verbunden, die sich ergänzen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Teams steigern können. So können diverse Teams zu ausgewogeneren Entscheidungen sowie kreativeren Problemlösungen gelangen und besitzen eine geringere Anfälligkeit für die Effekte des sogenannten Gruppendenkens (van Knippenberg & Schippers, 2007). Andererseits bilden die kulturellen Unterschiede eine Basis für soziale Identitätsprozesse sowie Missverständnisse und können zu Reibungsverlusten führen.

Die drei Fallanalysen

Anhand von drei Fallanalysen im Rahmen des Planspiels "JEMUN Konferenz" haben wir die Bearbeitung komplexer Projekte in kulturell diversen Remote-Teams untersucht. Dies ist eine simulierte Konferenz der Vereinten Nationen, die durch die Kindai Universität in Japan für Studierende aus der ganzen Welt an drei aufeinanderfolgenden Konferenztagen veranstaltet wird. Die Teilnehmenden müssen in Teams komplexe Aufgabenstellungen lösen, wobei sie auf Englisch über die Videokommunikationssoftware Zoom kommunizieren.

Im Rahmen der Fallanalysen wurde jeweils ein Team während der Zusammenarbeit aufgezeichnet und die Aufzeichnungen wurden anschließend ausgewertet. Die Teammitglieder stammten aus sechs verschiedenen asiatischen Ländern, welche untereinander Unterschiede in ihrer jeweiligen nationalen Kultur aufweisen und somit das Kriterium der kulturellen Diversität erfüllen (Frewen et al., 2015; Mann et al., 1998).

Stellschrauben für eine erfolgreiche Zusammenarbeit

Bei der Beobachtung der einzelnen Teams haben sich insgesamt 4 Stellschrauben herauskristallisiert. Auf deren Basis konnten wir Handlungsempfehlungen ableiten, die Ihnen dabei helfen sollen, kulturelle Diversität bei der Arbeit in Remote-Teams zu Ihrem Vorteil zu nutzen.

Die Checkliste fasst die vier Stellschrauben für die Teamzusammenstellung zusammen: Sprachniveau, Gruppengröße, Verbindungsrollen und Verwerfungslinien beachten sowie Zeit für die Entfaltung der Vorteile lassen

Checkliste für die Teamzusammenstellung (Abbildung: Starker/Kammerer, canva.com)

Aufgrund des unterschiedlichen Sprachniveaus der Teammitglieder kam es zu Störungen in der Kommunikation und zu unterschiedlichen Verhaltensweisen. Vor allem Teilnehmende, die ein niedriges Sprachniveau aufwiesen, verhielten sich eher zurückhaltend. Teilnehmende mit einem höheren Sprachniveau traten hingegen selbstsicherer auf und hatten höhere Redeanteile. Wenn die Teammitglieder ein ähnliches Sprachniveau hatten, waren die Sprechzeiten dagegen relativ gleich. Die Stellschraube Sprachniveau spielt in einem kulturell diversen Kontext eine wichtige Rolle, da häufig nicht in der Muttersprache kommuniziert wird. Außerdem liegt durch die Remote-Zusammenarbeit ein besonderer Fokus auf der Sprache.

Tipp: Um eine gleichmäßige Beteiligung anzuregen, sollten Sie das Sprachniveau bei der Teamzusammenstellung einschätzen und berücksichtigen sowie bei Bedarf Teammitglieder mit einem niedrigen Sprachniveau zu einer aktiven Teilnahme ermutigen.

Außerdem wurden drei Teams mit Gruppengrößen zwischen 5 und 10 Teammitgliedern untersucht. Innerhalb des kleinsten Teams war gleich zu Beginn eine hohe Interaktion zu beobachten. Innerhalb des größten Teams war die Interaktion dagegen anfangs geringer und steigerte sich erst im Laufe der Zusammenarbeit. Diese Beobachtung wird auch von Forschungsergebnissen aus der Teamforschung gestützt; größere Teams brauchen häufig mehr Zeit für die Teambildung und sind schwerer zu koordinieren (Robbins & Judge, 2015). Dies scheint ebenso für kulturell diverse Remote-Teams zuzutreffen.

Tipp: Sie sollten Ihre Remote-Teams nicht zu groß gestalten. Robbins und Judge (2015) schlagen beispielsweise vor, dass ein Team für die optimale Leistung bis zu 5 Teammitglieder haben sollte. Bei neuen Teams kann es zudem hilfreich sein, wenn sich bereits 20 bis 40 Prozent der Teammitglieder untereinander kennen und somit Verbindungsrollen übernehmen können.

Des Weiteren konnte in den beiden Teams mit mehr männlichen Teammitgliedern beobachtet werden, dass diese pro Kopf einen deutlich höheren Redeanteil als die weiblichen Teammitglieder einnahmen. Im Team mit mehr weiblichen Teammitgliedern war das Gegenteil zu beobachten. Die genannten Beobachtungen könnten im Zusammenhang mit dem Phänomen der sogenannten Faultlines oder auch Verwerfungslinien stehen. Von Faultlines spricht man, wenn sich aufgrund der Überschneidung von mehreren Diversitätsmerkmalen Subgruppen in Teams bilden (Kunze & Bruch, 2010). Das Merkmal Geschlecht kann dabei Verbindungen zwischen den Subgruppen schaffen, aber ebenso zu einer Abgrenzung beitragen.

Tipp: Beachten Sie bei der Teamzusammensetzung mögliche Überschneidungen und betonen Sie im Laufe der Zusammenarbeit die Gemeinsamkeiten des Teams. Damit mögliche Faultlines innerhalb des Teams möglichst schwach ausfallen, sollten die sich unterscheidenden Merkmale ausgewogen auf die Teammitglieder verteilt sein.

Beispiel: Wird beispielsweise ein Team zusammengestellt, das aus 2 Teammitgliedern besteht, die zwischen 20 und 25 Jahre alt sind und einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund haben, sowie 2 Teammitgliedern, die zwischen 45 und 50 Jahren alt sind und einen naturwissenschaftlichen Hintergrund aufweisen, dann ist von starken Faultlines auszugehen. Denn die sich unterscheidenden Merkmale Alter und Profession sind in diesem Team nicht ausgewogen verteilt. Besser wäre in diesem Fall, wenn sich das Team aus einem jüngeren und einem älteren Teammitglied mit wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund sowie einem jüngeren und älteren Teammitglied mit naturwissenschaftlichem Hintergrund zusammensetzen würde.

Zudem intensivierte sich der Austausch in allen Teams im Laufe der Zusammenarbeit. Insbesondere diverse Teams brauchen folglich Zeit, um sich entfalten zu können, da die Vorteile der Diversität besonders dann auftreten, wenn die Teammitglieder mehr Erfahrung im Umgang miteinander gesammelt haben (van Knippenberg & Schippers, 2007).

Tipp: Denken Sie daran, dass die Entfaltung der Vorteile von kultureller Diversität ausreichend Zeit benötigt. Hieraus folgt, dass für unterschiedliche Aufgabentypen unterschiedlich viel Diversität sinnvoll sein kann. Bei Routineaufgaben, die eine schnelle Leistungsfähigkeit des Remote-Teams benötigen, ist eher ein niedriger Grad an kultureller Diversität anzuraten. Bei innovativen und komplexen Aufgaben, die über einen längeren Zeitraum bearbeitet werden, können sich die Vorteile der kulturellen Diversität hingegen im Laufe der Zeit entfalten.

Kulturelle Diversität in Remote-Teams – kein Selbstläufer

Kulturell diverse Remote-Teams bieten viel Potenzial, sind jedoch keine Selbstläufer. Wenn Sie die Zusammenarbeit in solchen Teams allerdings unter Berücksichtigung der genannten Stellschrauben ausrichten, wird die kulturelle Vielfalt eine wertvolle Ressource für Ihr Unternehmen.

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