Verlässliche und verträgliche Chefs sind gefragt
Eigenschaften, Verhalten, Erfolg
Als wichtigste erfolgsrelevante Eigenschaften einer Führungskraft haben sich in der Analyse die drei Persönlichkeitsmerkmale Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Verträglichkeit herauskristallisiert. Sie bestimmten wiederum die zwei großen Dimensionen des Führungsverhaltens: ob sich ein Chef eher auf Aufgaben, Leistungen und Ziele konzentrierte (Aufgabenbezug) oder auf die Mitarbeiter und deren Gedanken, Gefühle und Interessen (Mitarbeiterbezug).
Zu beiden Dimensionen wurden jeweils zwei wirksame Führungsstile ausgemacht: Leistungsorientierung und transaktionale Führung hinsichtlich Aufgabenbezug sowie Mitarbeiterorientierung und transformationale Führung in Sachen Mitarbeiterbezug. Das Verhalten schließlich bestimmte den Führungserfolg. Dieser wurde an vier Kriterien festgemacht:
- Persönlicher Erfolg: Wie schnell, effizient und mit welcher Qualität arbeitete der Chef selbst?
- Teamleistung: Welche Leistung (Stückzahl, Umsatz etc.) erbrachte das Team?
- Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter: Wie zufrieden waren die Mitarbeiter im Team mit ihrer eigenen Arbeit?
- Zufriedenheit mit dem Leader: Wie zufrieden waren die Teammitglieder mit ihrem Chef?
Wie sehen nun die wichtigsten Eigenschaften und Verhaltensweisen aus und welche der vier Erfolgskriterien beeinflussen sie?
Gewissenhaftigkeit
Ein Chef ist gewissenhaft, wenn er verlässlich, pflichtbewusst, leistungsorientiert, planvoll und strukturiert handelt. Gewissenhaftigkeit war der Wesenszug, der alle vier Erfolgskriterien guter Führung am stärksten beeinflusste. Die größten Auswirkungen hatte die Eigenschaft auf Teamleistung und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter.
Extraversion
Eine extrovertierte Führungskraft ist gesellig, umgänglich, herzlich, gut gelaunt, durchsetzungsfähig und gerne aktiv. Extraversion sagte am besten die persönliche Leistung des Chefs voraus.
Verträglichkeit
Verträgliche Vorgesetzte sind vertrauenserweckend, altruistisch, entgegenkommend, eher bescheiden und gutherzig. Verträglichkeit sagte am besten voraus, ob die Mitarbeiter mit ihrem Chef zufrieden waren oder nicht.
Leistungsorientierung (Initiating Structure)
Leader mit Leistungsorientierung reden vor allem über Ziele, Aufgaben, Leistung und messbare Erfolge. Sie versuchen, das Team auf Linie zu bringen und verpflichten die Mitarbeiter zu vorgegebenen Standards. Sie greifen strukturierend in das Tagesgeschehen ein, wenn das Ziel verfehlt wird. Leistungsorientierung war in der Studie ein Marker für gute Teamleistung.
Transaktionale Führung (Belohnung/Sanktionierung)
Transaktionale Führung ist Mitarbeiterführung, die in Austauschbeziehungen erfolgt. Für gute Leistungen werden die Mitarbeiter belohnt, für schlechte Leistungen sanktioniert. Transaktionale Führer sagen ihren Mitarbeitern genau, was sie zu erwarten haben, wenn sie die Ziele erreichen oder verfehlen. Belohnung/Sanktionierung sagte am besten die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter vorher.
Mitarbeiterorientierung (Consideration)
Leader, die sich an ihren Mitarbeitern orientieren, sind um den Zusammenhalt der Gruppe bemüht, achten auf die Gedanken und Gefühle ihrer Kollegen und auf deren persönliche Ziele, Interessen und Wünsche. Sie sind um ihr Wohlergehen besorgt und schätzen sie als Persönlichkeiten. Mitarbeiterorientierung sagte am besten voraus, ob die Teammitglieder mit ihrem Leiter zufrieden waren oder nicht.
Transformationale (verändernde) Führung
Transformationale Führung verändert die Mitarbeiter von pflichtbewussten Arbeitsbienchen hin zu eigenständig handelnden Persönlichkeiten. Transformationales Verhalten ist durch charismatisches Auftreten geprägt, durch Motivation mithilfe von Symbolen und Bildern, durch intellektuelle Anregung und durch individuelle Wertschätzung. Verändernde Führung war das Verhaltensmuster, das alle vier Erfolgskriterien am meisten beeinflusste. Die stärksten Auswirkungen hatte dieser Führungsstil auf die persönliche Leader-Leistung.
Der verlässliche und inspirierende Chef war gefragt
Erstaunlich ist, dass Gewissenhaft gegenüber Extraversion oder auch Intelligenz so deutlich ins Gewicht fiel, wenn es um Teamleistung ging. Die Gewissenhaftigkeit des Chefs bestimmte ca. 40 mal mehr als seine Intelligenz, ob sein Team Termine erfüllte und Umsatz brachte, und dies ca. 200 mal mehr als seine Geselligkeit oder Umgänglichkeit. Ein guter Vorgesetzter punktete ebenso, wenn er seine Mitarbeiter inspirierte und sie über ihn sagen konnten: „Er hilft mir wirklich, die Probleme als neue Herausforderung zu sehen.“
Praxistipps
Für die Praxis empfehlen die Autoren, bei der Auswahl von Führungskräften besonders darauf zu achten, wie verlässlich, umgänglich und verträglich die Kandidaten sind. Geeignete Persönlichkeitsinventare bieten sich an, um diese Eigenschaften zu messen.
Bei der Führungskräfteentwicklung sollten konkrete Verhaltensweisen der Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung im Mittelpunkt stehen. Führungskräfte müssen diese Verhaltensweisen trainieren und reflektieren.
Literatur
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