Warum und wie Führung und HR Job Crafting fördern sollten
Wissen Sie, was mit „Job Crafting“ gemeint ist? Vielleicht nicht, denn die meisten Führungs- und HR-Kräfte, die ich in Trainings oder Coachings auf das Thema anspreche, haben von dem Wort noch nie gehört. Das ist einerseits nicht schlimm, da wahrscheinlich viel mehr Menschen „einfach so“ Job Crafting betreiben als genau zu wissen, was sie da tun. Andererseits ist es ein Jammer, denn Job Crafting kann viele Vorteile bringen – für Einzelne, Teams, Organisationen. Dazu gibt es nicht nur einiges an wissenschaftlicher Evidenz, sondern es gibt dafür, gerade in Zeiten der multiplen Umbrüche und der Fachkräftenot, auch einige handfeste praktische Argumente. Führung und HR sollten sich mit ihnen auseinandersetzen.
1. Verstehen…
…sollten Sie zunächst einmal, was Job Crafting eigentlich ist: Die eigene Stelle informell „zurechtzuschnitzen“, sie umzudesignen, so dass bestimmte Charakteristika wie das Aufgabenportfolio oder das soziale Beziehungsgeflecht, in dem Sie Ihre Arbeit verrichten, besser zu Ihren Stärken, Werten, Leidenschaften passen und damit zu mehr Freude und Engagement am und im Job führen – das ist mit Job Crafting gemeint (Tims et al. 2013, Schachler et al. 2019).
Seit Ende der 1990er Jahre wird Job Crafting speziell in der Organisationsforschung und in der Positiven Psychologie in den Blick genommen. Studien legen nahe, dass Job Crafting Vorteile auf individueller, Team- und organisationaler Ebene bringen kann: Sowohl die erlebte Bedeutsamkeit von und die Performance in der Arbeit als auch das individuelle Wohlbefinden und das Burn-out-Risiko lassen sich durch Job Crafting positiv beeinflussen wie eine umfangreiche Meta-Analyse von Rudolph et al. (2017) zeigte, die 122 Studien mit insgesamt über 35.000 Teilnehmenden einbezog.
2. Vorleben…
…sollten Sie als Führungs- oder Personalfachkraft Job Crafting am besten selbst. Indem Sie sich und anderen die eigenen Stärken bewusst machen, Ihre Tätigkeiten daraufhin anpassen, aber auch Aufgaben, die eher in Ihrem Schwächenbereich liegen, bewusst an andere delegieren – die genau dort möglicherweise ihre Stärken haben.
„Dann macht hier jedeR, was sie/er will“, „wir sind doch keine Wünsch-Dir-was-Veranstaltung“: Vielleicht denken Sie ja gerade das oder ähnliches, diese Einwände höre ich zumindest immer wieder von Personal- und Führungskräften. Aber es geht beim Job Crafting gar nicht darum, Stellen komplett von links auf rechts zu stricken – ein bisschen mehr Stärkeneinsatz, und schon steigt die Arbeitszufriedenheit signifikant, so erlebe ich das häufig.
3. Überprüfen…
… Sie, was Ihnen Energie gibt im Berufsleben und was Ihnen Energie zieht. Könnten Sie von ersteren Dingen etwas mehr und von letzteren etwas weniger machen? Oder diese anders, an anderen Orten, zu anderen Zeiten, mit anderen Vorgehensweisen oder Menschen tun? Auch das kann Job Crafting sein.
4. Vorschlagen…
… könnten Sie Ihren Mitarbeitenden zum Beispiel Stärkentests, individuelle Coachings oder Workshops. So können sie genauer herausfinden, was eigentlich ihre Stärken sind, wie sie diese besser in den Beruf einbringen und damit ein Stück erfüllter und erfolgreicher arbeiten können. Vielleicht befassen Sie sich an einem Teamtag mit Job Crafting, zum Beispiel im Rahmen der Mitarbeiter:innengespräche oder bei der Weihnachtsfeier?
Vielleicht aber auch, wenn es darum geht, Stellen nachzubesetzen oder überhaupt auszuschreiben – mit Fragen wie diesen: „Wen brauchen wir wofür? Was sollte sie oder er können und mitbringen? Und wie könnten wir die Zuständigkeiten und Aufgaben so anpassen, dass sie innerhalb des Teams besser zu den Einzelnen passen?“
5. Weiterverbreiten…
… sollten Sie Erfahrungen und Erfolge mit Job Crafting gerade an Menschen in Umbruchsituationen (Rückkehr aus der Elternpause, Versetzung, Wiedereinstieg nach längerem Krankenstand…), auch um als Arbeitgeber:in attraktiv zu bleiben für Talente, die Sie finden oder binden wollen.
Die Zugchefin in der Bahn, die die Ansagen an eine besonders komödiantisch veranlagte Zugbegleiterin delegiert und ihr dafür ungeliebte Service-Aufgaben abnimmt; der Apotheker, der das für ihn gelegentlich nervige Thema Qualitätsmanagement einer Mitarbeiterin überträgt, die das liebend gerne macht; wenig qualifizierte, körperlich hart Arbeitende Beschäftigte in einem skandinavischen Logistikunternehmen, die neben ihrer Schlepperei auch ein paar – körperlich entlastende – Wartungs- und Weiterbildungstätigkeiten in ihr Stellenprofil aufgenommen haben; vielleicht sind das anregende Beispiele für Sie, die als Vorbild gelten können. Na, denn mal: happy crafting!
Literatur
Rudolph, C. W., Katz, I. M., Lavigne, K. N., & Zacher, H. (2017). Job crafting: A meta-analysis of relationships with individual differences, job characteristics, and work outcomes. Journal of Vocational Behavior, 102, 112–138. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2017.05.008
Schachler, V., Epple, S.D., Clauss, E., Hoppe, A., Slemp, G.R., Ziegler, M. (2019). Measuring Job Crafting Across Cultures: Lessons Learned From Comparing a German and an Australian Sample. Front. Psychol. 10:991. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2019.00991
Tims, M., Bakker, A. B., & Derks, D. (2013). The impact of job crafting on job demands, job resources, and well-being. Journal of Occupational Health Psychology, 18(2), 230–240. https://doi.org/10.1037/a0032141
Zum Weiterlesen
[Werbung] Baker, R. (2020). Personalization at Work: How HR Can Use Job Crafting to Drive Performance, Engagement and Wellbeing. Kogan Page.
[Werbung] Thiele, C. (2023). Job Crafting. Erfolgreicher und erfüllter arbeiten – mit Hilfe der Positiven Psychologie. Wiesbaden: SpringerGabler.
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