Resiliente Mitarbeitende: Wer trägt die Verantwortung?

Krisen, Unsicherheit und ständige Veränderungen der Anforderungen des Arbeitsmarkts belasten zweifellos die Psyche und Gesundheit der Mitarbeitenden – aber anscheinend nicht bei allen gleichermaßen. An einigen scheint die erhöhte Belastung abzuprallen, während andere mit Stress und Burnout reagieren. Der Unterschied ist zum Teil mit dem Ausmaß an Resilienz zu erklären, weshalb mehr und mehr Unternehmen ihren Mitarbeitenden Resilienztrainings anbieten. Aber kann Resilienz überhaupt trainiert werden? Und inwiefern liegt die Förderung von Resilienz in der Verantwortung des Unternehmens?

Manche Menschen sind wie Korken, die sich mit dem Strom des Lebens treiben lassen. Wellen und Strömungen können sie vorübergehend unter Wasser drücken, aber sobald der Druck nachlässt, schießen sie wieder an die Oberfläche und setzen den Weg anscheinend ungerührt fort. Solche Menschen besitzen ein hohes Ausmaß an Resilienz.

Es gibt allerdings nicht die eine allgemeingültige Definition von Resilienz, sondern viele Beschreibungen, die jedoch alle die gleiche Kernbotschaft haben: Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit eines Individuums, Krisen und Widerstände durch Anpassungsvermögen, Lösungsorientierung und Lernbereitschaft zu bewältigen. Wie der Korken schnellen resiliente Menschen rasch zurück zum Normalzustand, wenn die erhöhte Belastung nachlässt. Sie haben ein ausgeprägtes Gespür für ihr persönliches Ressourcenmanagement und wissen, auf welche persönlichen und sozialen Ressourcen sie zurückgreifen müssen, wenn die Wellen besonders hoch und nachhaltend sind. Somit ist ein hohes Ausmaß an Resilienz durchaus ein erstrebenswerter Zustand. Daher stellt sich die Frage, ob die Widerstandsfähigkeit eines Menschen einfach ein genetischer Glückstreffer ist oder erlernt werden kann?

Das genetische Erbe ist nicht unwesentlich, wenn es um die Widerstandskraft geht, zudem gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die für die Entwicklung von Resilienz förderlich sind, und solche, die hinderlich sind. Die Prägung durch die Kultur, Erziehung und früheren Erfahrungen sind ebenfalls bedeutend; sie haben große Auswirkungen auf unser Verhalten, unsere Denkweise, unsere Wahrnehmung sowie unseren Umgang mit Krisen. Diese Prägungen sind oft gefühlt in Stein gemeißelt, aber lernen wir den Meißel zu beherrschen, haben wir die Möglichkeit, neue Prägungen und Verhaltensweisen zu verinnerlichen – das gilt auch für Resilienz.

Vom Opfer zum Gestalter

Der entscheidende Erfolgsfaktor, wenn es um die Erlernbarkeit von Resilienz geht, ist von der Opferrolle in die Gestalterrolle zu wechseln. Diese zwei Begriffe beziehen sich auf das verbreitete „Circle of Control“-Modell von Covey (2018). Das Modell besteht aus 3 Kreisen:

  • Im inneren Kreis liegen die Dinge, die wir selbst kontrollieren können, z. B. der Umgang mit Gedanken, dem eigenen Verhalten und ob man eine Situation akzeptiert, verändert oder verlässt.
  • Im mittleren Kreis befinden sich die Dinge, die wir (vielleicht) beeinflussen können, die jedoch meist vom Mitwirken anderer Menschen abhängen, was eine gewisse Unsicherheit mit sich führt.
  • Im größten Kreis ganz außen befinden sich die Dinge, die uns interessieren, die wir aber weder kontrollieren noch beeinflussen können, wie z. B. das Verhalten der anderen, das Wetter oder politische Entscheidungen.

Menschen, die im äußersten Kreis leben, fühlen sich oft als Opfer der Situation; sie haben das Gefühl, machtlos und fremdbestimmt zu sein, weil sie sich auf die Dinge konzentrieren, die sie nicht beeinflussen können. Resiliente Menschen leben dagegen hauptsächlich im Innenkreis; sie fokussieren sich auf die Dinge, die sie kontrollieren können und vermeiden damit die Opferrolle. Sie handeln und übernehmen Verantwortung und sehen sich deswegen als Gestalter (oder Mitgestalter) des eigenen Lebens. Diese Gestalterrolle gibt Kraft und stärkt die Selbstwirksamkeit; die Überzeugung, dass man Herausforderungen bewältigen kann.

Grafische Abbildung des "Circle of Control"-Modells.

Das „Circle of Control“-Modell von Covey (Abbildung: WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE aktuell)

Das Zirkelmodell bietet eine realistische Antwort auf die Frage, wer die Verantwortung für die Resilienz der Mitarbeitenden trägt: Die Mitarbeitenden selbst oder das Unternehmen?

Resilientes Verhalten

Das Verhalten eines Menschen liegt im Kontrollzirkel des Einzelnen. Wir können uns Unterstützung und Hilfe holen, um ein Verhalten zu verändern, aber letztendlich müssen wir die Arbeit selbst ausführen. In Bezug auf die Bewältigung von Krisen und Widerständen haben wir zwei Möglichkeiten:

  1. Entweder können wir die Situation an sich ändern und das Problem lösen.
  2. Oder wir können den emotionalen Bezug zu der Situation ändern, indem wir z. B. das Problem anders bewerten.

Beide Bewältigungsstrategien gehören zum klassischen Stressbewältigungsverständnis (Lazarus, 1984) und zum Repertoire von resilienten Menschen (Amann & Egger, 2021).

Der erstgenannte lösungsorientierte Ansatz umfasst z. B. die Fähigkeit, in Krisen neue Wege zu finden und kreative Lösungen zu suchen. Er umfasst die Fähigkeit, unüberschaubare Problemstellungen in kleine, hantierbare Einzelteile herunterzubrechen und anzugehen. Und er umfasst die Fähigkeit, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man kontrollieren kann.

Zu den emotionalen Bewältigungsstrategien gehört die Fähigkeit, den Perspektivwinkel bewusst zu verändern. Das heißt nicht, dass man sich Krisen und Probleme schönredet oder verleugnet, sondern erkennt, was sie auch sind: Möglichkeiten. Resiliente Menschen erkennen Lern-, Wachstums- und Zukunftsmöglichkeiten in Krisen und Widerständen. Dadurch entsteht eine Neubewertung der Situation, die nicht mehr „Alarmstufe Rot“ signalisiert, und der Körper kann sich wieder entspannen.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung von Resilienz sind Beziehungen. Eine Langzeitstudie von Havard hat herausgefunden, dass die wichtigste Komponente für Gesundheit und Glücksempfinden gute zwischenmenschliche Beziehungen sind (Waldinger & Schulz, 2023). Dies gilt auch für Resilienz. Das Miteinander, die Zugehörigkeit und die Unterstützung von anderen Menschen ist eine der wichtigsten Ressourcen dafür.

Aber auch Beziehungen müssen gepflegt werden und so liegt die Verantwortung für das Verhalten, das zur Resilienz beiträgt, bei den einzelnen Mitarbeitenden selbst. Nichtsdestotrotz können ungünstige Rahmenbedingungen diesen Vorgang erschweren und so liegt es im Verantwortungsbereich der Arbeitgebenden, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln.

Resiliente Verhältnisse

Toxische Teams, fehlende Wertschätzung, Mangel an Autonomie, Ungerechtigkeit, Misstrauen und Mikro-Management sind einige der Rahmenbedingungen, die die Resilienz der Einzelnen erschweren und nicht zum Kontrollzirkel der Mitarbeitenden gehören. Sie gehören zum Kontrollzirkel des Unternehmens.

Mitarbeitende, deren Arbeitgebende sich für Mitbestimmung, Work-Life-Balance, wertschätzende Kommunikation, Achtsamkeit und Vertrauen einsetzen, haben viel bessere Chancen, ein hohes Ausmaß an Resilienz zu entwickeln, wenn sie dies möchten. Dieses Wollen bringt uns wiederum zurück zur Verantwortung der Mitarbeitenden.

Empowerment als Unternehmensstrategie

Kann man nun daraus schließen, dass Unternehmen sich lediglich um die Rahmenbedingungen kümmern sollen/können? Nicht ganz. Im Einflussbereich des Unternehmens liegt auch die Möglichkeit für Empowerment. Die Unternehmen können die Mitarbeitenden durchaus zur Entwicklung der eigenen Stärken und Resilienz ermutigen und ihnen Hilfestellungen bei der Aneignung von Selbstbestimmung, Bewältigungsstrategien und Autonomie vermitteln.

Das Jobcenter des Ennepe-Ruhr-Kreises verfolgt diese Strategie: Die Mitarbeitenden mussten in den letzten Jahren einen enormen Druck abfedern; die Pandemie, Flüchtlingsströme und die Einführung des Bürgergeldes sind nur einige Beispiele hierfür. Daher bietet das Jobcenter den Mitarbeitenden nun die Möglichkeit, ihre eigene Resilienz zu stärken, um die Krisenzeit zu überstehen. Die Verantwortung für die Resilienz tragen damit die Unternehmen zusammen mit den Mitarbeitenden, indem sie sie zu mehr Resilienz empowern.

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