Sich gesund meditieren

Positive Gefühle können das Wohlbefinden steigern und uns vor gesundheitsschädlichem Stress schützen. Wie mehrere Forschungsteams seit einigen Jahren herausfanden, könnten positive Gefühle sogar ein Schlüsselfaktor sein für die stärkende Wirkung von Meditationen. Welche Mechanismen hierbei greifen und welche Meditationsformen man praktizieren kann, um gesund durch den stressigen Alltag zu kommen, ist das zentrale Forschungsthema der Wohlbefindensforscherin Barbara Frederickson der University of North Carolina.

Die meisten Menschen kennen das: Auf der Arbeit häufen sich die Aufgaben, der Kollege hat ein Anliegen, die Chefin ist nicht zufrieden und bei einem selbst stauen sich Stress und Gereiztheit an. Dadurch kommt eine Negativspirale in Gang, denn negative Gefühle führen zu einer zusätzlichen Absenkung des Wohlbefindens.

Daher nehmen Forschende wie die Psychologin Barbara Frederickson von der University of North Carolina seit geraumer Zeit die Auswirkung positiver Emotionen auf das Wohlbefinden unter die Lupe.  Die Annahme ist, dass positive Gefühle den Geist öffnen und so zum Aufbau neuer Fähigkeiten beitragen. So haben Frederickson und ihre Kollegen bereits 2013 untersucht, wie Freude, Hoffnung oder Liebe, angestoßen durch Meditieren, die körperliche Gesundheit stärken können, und ihre Ergebnisse in der Onlineversion der Fachzeitschrift Psychological Science veröffentlicht.

Stille Freudenswünsche für sich und andere

Dafür trainierten die Forscherinnen 65 Angestellte der University of North Carolina sechs Wochen lang in der sogenannten Liebende-Güte-Meditation, bei der man sich jeden Tag für eine Viertelstunde an einen ruhigen Ort setzen und sich innerlich formelhafte Wünsche für Glück oder Freude sagen soll. Diese fünfzehnminütige Meditation funktioniert folgendermaßen:

  • Aufrecht sitzen. Setzen Sie sich mit geradem Rücken und überkreuzten Beinen auf ein Kissen am Boden und legen Sie Ihre Hände auf den Oberschenkeln ab. Diese aufrechte Haltung sollte sich locker und nicht verspannt anfühlen.
  • Güte-Gedanken sagen. Sprechen Sie sich still den von liebender Güte getragenen, aufrichtigen Wunsch nach Glück zu, zum Beispiel mit dem Satz: „Möge ich voller Freude sein.“ Oder: „Möge ich glücklich und zufrieden sein.“

Sie werden die Wärme in Brust und Bauch fühlen, die sich dabei einstellt. Diesen Güte-Gedanken wiederholen Sie in regelmäßigen Abständen. Dabei können Sie sich bildlich vorstellen, was Sie im Zustand des Glücks erleben oder tun. Immer wieder können Sie auf Ihren Atem an einer gut fühlbaren Stelle achten, zum Beispiel an den Nasenflügeln oder der sich hebenden Bauchdecke. 

  • Gedanken vorbeiziehen lassen. Wenn abschweifende Gedanken aufkommen oder etwas juckt oder wehtut, lassen Sie diese Eindrücke sanft vorüberziehen. 
  • Güte-Gedanken erweitern. Jede Woche werden die Güte-Gedanken erweitert. In der ersten Woche denken Sie die Güte nur für sich selbst, in der zweiten Woche für Menschen, die Sie mögen, in der dritten Woche auch für Bekannte, in der vierten Woche für Fremde und ab der fünften Woche für alle Menschen. Ab Woche fünf lauten Ihre inneren Sätze also: „Möge ich glücklich sein. Mögen die, die ich liebe, voller Freude sein. Mögen meine Bekannten und auch Fremde glücklich sein. Mögen alle Menschen heiter sein.“

Gefühlstagebuch, Bindungen und Vagusnerv

Die Trainingsgruppe wurde mit einer Wartegruppe verglichen, deren Mitglieder so lange auf ihr Training warten mussten, wie die anderen übten. Die Teilnehmenden gaben in ihrem Onlinetagebuch jeden Tag ihre positiven und negativen Gefühle an und berichteten über die Qualität der zwischenmenschlichen Bindungen, die sie täglich erlebten.

Außerdem wurde vor und nach dem Training mit Elektroden über dem Herzen die Aktivität des Vagusnervs gemessen. Dieser gehört zum vegetativen Nervensystem und ist aktiv, wenn Organe wie das Herz oder der Bauchraum entspannen. Eine höhere Aktivität des Vagusnervs ist demnach ein Marker für Entspannung und körperliche Gesundheit.

Brünette junge Frau mit Locken sitzt lachend vor ihrem Laptop.

Von den positiven Effekten der Meditation profitieren wir auch auf der Arbeit. (Foto: Mateus Campos Felipe / Unsplash.com)

Fröhlichkeit verbessert Beziehungen und entspannt

Die Studie kam zu eindeutigen Ergebnissen:

  • Gute Gefühle. Sechs Wochen nach dem Training nahmen die Trainierten deutlich mehr Freude, Hoffnung, Dankbarkeit, Liebe und weniger negative Gefühle wahr als die Teilnehmenden der Wartegruppe. Dabei konnten diejenigen, die schon vor dem Training eine hohe Vagusaktivität hatten, besonders von der Liebenden-Güte-Meditation profitieren.
  • Bessere Bindung. Die guten Gefühle gingen damit einher, dass die Beziehungen zu anderen Menschen enger und besser wurden. Positive Gefühle und das Bindungserleben waren dabei die zentralen Katalysatoren für körperliches Wohlbefinden. Aber Gefühle und Bindungen waren in ihrer Reihenfolge nicht austauschbar. Das Training wirkte sich zunächst unmittelbar auf die Gefühle aus, die erst danach das Miteinander verbesserten. Beziehungsgestaltung setzte also bei der eigenen Person an.
  • Aktiver Vagusnerv. Schließlich führten gute Gefühle und bessere Bindungen zu einer größeren Aktivität des Vagusnervs und damit zu einem objektiven Zeichen für Gesundheit und Entspannung.
  • Glücksspirale. Die Meditation setzte eine Glücksspirale in Gang: positive Gefühle, gutes Miteinander, aktiver Vagusnerv, der wiederum noch mehr positive Gefühle zuließ.

Durch Meditation weniger Stress im Büro

Die Studie zeigt, dass Büroangestellte mit einer relativ einfachen täglichen Übung ihre körperliche Gesundheit aktiv verbessern können. Das Potential des Meditierens liegt darin, dass Gefühle der Freude aktiviert werden, man stärker in die Gemeinschaft eingebunden wird, auf gute Beziehung achtet und vegetativ entspannt. Für Unternehmen ist das eine gute Nachricht, denn es braucht nur ein Kissen und etwas Ruhe, um von der gesundheitsförderlichen Wirkung der einfachen Meditationsübungen zu profitieren. 

Literatur

Kok, B. E., Coffey, K. A., Cohn, M. A., Catalino, L. I., Vacharkulksemsuk, T., Algoe, S. B., ... & Fredrickson, B. L. (2013). How positive emotions build physical health: Perceived positive social connections account for the upward spiral between positive emotions and vagal tone. Psychological science24(7), 1123-1132. https://doi.org/10.1177/0956797616647346