Wechseljahre am Arbeitsplatz – ein vernachlässigtes Thema

Je nach Lebensabschnitt haben Mitarbeitende unterschiedliche Bedürfnisse, die für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz Beachtung finden sollten. Die Wechseljahre der Frau waren für Unternehmen jedoch lange kein Thema. Dabei fallen Frauen, die in den Wechseljahren unter starken Symptomen leiden, häufig zumindest vorübergehend als Arbeitskräfte aus; mangelndes Verständnis und fehlende Anpassungsmöglichkeiten verschlimmern die Situation. Wie können Unternehmen eine Arbeitskultur mit Raum für individuelle Bedürfnisse schaffen?

Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ist ein wichtiges Thema für Unternehmen. Aber was Gleichberechtigung bedeutet, kann je nach der Lebensphase und den Bedürfnissen von Mitarbeitenden variieren. Eine bedeutsame Lebensphase, über die im Arbeitskontext lange nicht gesprochen wurde, sind die Wechseljahre der Frau. Erst seit Kurzem rückt das Thema stärker in den Fokus von Unternehmen und es kommen viele Vorurteile und ungeklärte Fragen ans Licht: Welche Symptome treten in den Wechseljahren wirklich auf und sind alle Frauen gleichermaßen betroffen? Was brauchen Frauen in den Wechseljahren, um gesund und produktiv zu arbeiten? Und warum profitieren auch alle anderen Arbeitnehmenden, wenn das Thema aus der Tabuzone geholt wird? 

Was sind die Wechseljahre? 

Mit den Wechseljahren verbinden die meisten das Ende der monatlichen Menstruation. Diesen Tag der letzten Blutung („Menopause“) erleben Frauen im Schnitt mit 51 Jahren (Mishra et al., 2019; Rees et al., 2021). Die Wechseljahre beginnen jedoch schon deutlich früher, in der Zeit vor der Menopause. Diese Phase wird Perimenopause genannt.

Dass bereits die Perimenopause mit Symptomen und besonderen Bedürfnissen einhergeht, ist selbst bei Ärzt:innen, Frauen und in der Gesellschaft zu wenig bekannt; es fehlt an Aufklärung und Bewusstsein. Die grundlegenden Veränderungen im Hormonhaushalt können einhergehen mit Hitzewallungen, Schlafproblemen oder Muskelschmerzen, und in der Folge Konzentrationsprobleme, depressive Verstimmung und Reizbarkeit verursachen (Blümel et al., 2018; Chung et al., 2018; Griffiths et al., 2013; Monteleone et al., 2018). 

Wechseljahre werden bislang kaum thematisiert 

Während es mittlerweile geläufig ist, z. B. bei Schwangerschaftsübelkeit den Arbeitgeber um ein flexibleres Arbeitszeitenmanagement zu bitten, sind der hormonelle Zyklus der Frau und die Menopause in der Arbeitswelt noch tabuisierte Themen. In der Studie MenoSupport der HWR Berlin fühlte sich über die Hälfte der 2.119 befragten Arbeitnehmerinnen mit den Wechseljahren im Arbeitskontext alleingelassen. Zwei Drittel wünschten sich eine offenere Kommunikation über das Thema, doch bei 88 % fand nie oder nur selten ein offenes Gespräch statt. Insgesamt widersprachen nur 24 % der Aussage, dass die Wechseljahre tabuisiert würden. Die Stigmatisierung des Themas ist jedoch eine weitere Last, die Frauen in dieser Lebensphase in ihrer Leistung und Gesundheit einschränken kann (Beck et al., 2020; Hardy et al., 2018). 

Folgen für Unternehmen 

Die Auswirkungen im Arbeitskontext sind nicht zu unterschätzen: Starke Wechseljahressymptome erhöhen das Risiko für lange Fehlzeiten (Geukes et al., 2016) und v. a. Schlafprobleme, depressive Verstimmung und vasomotorische Symptome gehen mit einer reduzierten Arbeitsfähigkeit einher (Humeniuk et al., 2019). 

Infolge von Konzentrationsproblemen, Müdigkeit oder einer gedrückten Stimmung reduzieren Frauen in den Wechseljahren häufig ihr Arbeitspensum (Griffiths et al., 2013). Auch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Job kündigen (Evandrou et al., 2021). 

Frauen in der Lebensmitte sind wertvolle Arbeitskräfte  

Diese Auswirkungen sind für Unternehmen fatal, nicht nur wegen des allgemeinen Fachkräftemangels, sondern auch, weil wertvolle Arbeitskräfte verloren gehen. So sagt Sonja Hachenberger vom Kompetenzzentrum the-change.org im Gespräch mit der WPA:

„Wir sollten die Wechseljahre nicht als Schwäche betrachten, sondern den Blick auf die Stärken und Kompetenzen lenken, die Frauen in der Lebensmitte mitbringen. Sie haben eine Menge Lebenserfahrung, sind oft äußerst gut organisiert, halten die Beziehungen im Unternehmen aufrecht, lösen Konflikte und stärken Teams.“

Das ergab auch die Umfrage meno@work (the-change.org/Kununu, 2024). 

Im Gegensatz dazu ist in vielen Köpfen verankert, dass Frauen wegen ihres Zyklus ohnehin weniger leistungsstark seien als Männer. Dieses Vorurteil verhärtet sich, wenn Bedürfnisse von Frauen in einer Arbeitswelt, die auf zyklische Schwankungen keine Rücksicht nimmt, aus dem Raster fallen.  Jennifer Chan de Avila, ebenfalls Teil von the-change.org, erläutert im WPA-Interview hierzu:

„Nach patriarchalen Idealen gehen in der Menopause Fruchtbarkeit, Jugend und Schönheit verloren. Die lebenslange Diskriminierung von Frauen verschlimmert sich, da hier Geschlecht und Alter zusammenwirken. Daher ist eine feministische und geschlechterkritische Perspektive so wichtig.“

Ziel: Enttabuisierung für lebensphasenorientierte Personalführung 

Die Wechseljahre senken nicht per se die Arbeitsfähigkeit. Entscheidend ist offenbar neben der Stärke der Symptome, inwieweit die Arbeitsumgebung auf die Bedürfnisse von Frauen in den Wechseljahren eingeht. Aus den Ergebnissen entsprechender Studien und Umfragen lassen sich Maßnahmen ableiten, die für betroffene Frauen und ihre Arbeitgeber einen konstruktiven Umgang mit den Wechseljahren anstoßen könnten. 

Auflistung der Ergebnisse hinsichtlich der Frage, wo Unternehmen ansetzen sollten, um konstruktiv mit den Wechseljahren umzugehen.

Teilergebnis der Umfrage meno@work (the-change.org/kununu, 2024)

In der Umfrage meno@work aus dem Herbst 2024 (the-change.org/Kununu, 2024) wurden erstmals Arbeitgeber in Deutschland zu dem Thema befragt. Die 1.035 Teilnehmenden arbeiteten mehrheitlich im HR-, BGM- und Diversity-Bereich, auch Führungskräfte waren dabei. Zu den Maßnahmen befragt, die Unternehmen realistischerweise hinsichtlich der Wechseljahre ergreifen könnten, nannten die Teilnehmenden mehrere Punkte, die auch von der European Menopause and Andropause Society (EMAS; Rees et al., 2021) empfohlen werden: 

  1. 44 % der Befragten in der Umfrage meno@work sahen in Wissen und Aufklärung die größte Chance, um im Unternehmen das Thema Wechseljahre anzugehen. Sonja Hachenberger, die Gründerin von the-change.org, empfiehlt Workshops, Schulungen und Personalgespräche, um alle Menschen im Unternehmen über geschlechtsspezifische Bedürfnisse aufzuklären. Auch ist es laut der EMAS wichtig, Mitarbeiterinnen zu befragen, wie sich die Organisation der Arbeit (Arbeitszeiten, Schichtwechsel etc.) auf ihr Befinden auswirkt, um entsprechende Anpassungsmöglichkeiten zu finden. Dies ist in Deutschland im Zuge der psychischen Gefährdungsbeurteilung ohnehin Pflicht, wird jedoch in der Praxis zu selten umgesetzt. 
  2. 40 % der Befragten sprachen sich für eine Sensibilisierung von Führungskräften aus. Passend dazu empfiehlt die EMAS, Führungspersonen im Führen von sensiblen Gesprächen zu schulen. 
  3. Von 34 % der Befragten wurde für eine offene Kommunikation plädiert. Dafür ist ein vertrauensvolles, psychologisch sicheres Umfeld unerlässlich. Führungskräfte sollten das Thema Wechseljahre wie andere wichtige Lebensphasen auch auf dem Schirm haben. Sie sollten ausstrahlen, dass Frauen auf sie zukommen können, um über ihre veränderten Bedürfnisse zu sprechen. Ziel sollte sein, dass Frauen die Wechseljahre thematisieren können und dass dies als selbstverständlich angesehen wird – ohne dass sie zwangsläufig über einzelne Symptome sprechen müssen. 
  4. 25 % der Befragten sahen flexible Arbeitsmöglichkeiten als praktikablen Ansatz für ihr Unternehmen. Dies deckt sich mit den EMAS-Empfehlungen, die Flexibilität in der Arbeitsorganisation als ein Hauptbedürfnis von Frauen in den Wechseljahren identifizieren und Unternehmen auffordern, Homeoffice zu ermöglichen sowie Anpassungsmöglichkeiten (z. B. durch flexible Dresscodes oder die Bereitstellung von kaltem Wasser und sauberen Sanitäranlagen) anzubieten. 

Lebensphasenorientierte Personalführung 

Neben der allgemeinen Fürsorgepflicht gibt es zahlreiche gute Gründe für Unternehmen, sich mit den Bedürfnissen von Frauen in den Wechseljahren auseinanderzusetzen. Nach Meinung der an der Umfrage meno@work teilnehmenden Personalverantwortlichen würden sich die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen, die Gesundheit im Personal sowie die Attraktivität als Arbeitgeber verbessern. 

Ausblick 

In Europa ist das Vereinigte Königreich Vorreiter, was die Thematisierung der Wechseljahre im Arbeitskontext und die Anpassung von Arbeitsstrukturen an die Bedürfnisse betroffener Frauen angeht. Doch auch in Deutschland finden Entwicklungen statt: Es gibt den Deutschen Verband für Wechseljahreberatung sowie eine offizielle Anlaufstelle bei der Deutschen Menopause Gesellschaft. Darüber hinaus debattierte der Bundestag am 18.10.2024 zum Weltmenopausentag über eine nationale Menopausen-Strategie. 

Des Weiteren hat sich mit dem Kompetenzzentrum the-change.org ein Bündnis aus Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen gegründet, das der Öffentlichkeit fundiertes Wissen zur Verfügung stellt sowie in Kooperation mit Unternehmen und Hochschulen erforscht, welche Maßnahmen Organisationen ergreifen können, um zugunsten der gesamten Belegschaft auch die Wechseljahre als Lebensphase mit spezifischen Bedürfnissen auf dem Schirm zu haben und entsprechende Flexibilität zu gewährleisten. In der kommenden Woche beleuchtet ein Interview mit drei Expertinnen von the-change.org Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen anhand von Projekten aus der Praxis und diskutiert die Wechseljahre als Ausgangspunkt einer positiven Transformation. 

Literaturliste zum Download 

Hinweis auf Forschungsprojekt 

Wie lassen sich Wechseljahre gezielt in eine lebensphasenorientierte Personalstrategie integrieren? Das aktuelle Forschungsprojekt von the-change.org, der Universität Magdeburg und der Akademie für Frauen des Heinrich-Pesch-Hauses untersucht, wie branchenspezifische Anforderungen und Herausforderungen in nachhaltige und wirksame Interventionen münden können. 

Die WPA wird weiterhin über das Projekt berichten, sodass Sie von neuen Erkenntnissen direkt erfahren. Haben Sie Interesse an einer Teilnahme am Projekt? Dann schreiben Sie eine E-Mail an forschung@the-change.org

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