Vertrauen und Kontrolle – New Work braucht beides

New Work steht für Flexibilität, Freiheit und Entfaltung. Die Ansicht, dass hierfür eine vertrauensbasierte Kultur förderlich ist, dürften die meisten Menschen teilen. Doch warum braucht New Work in der Praxis auch Kontrolle?

New Work bietet Ihnen einen Ansatz, um zeitgemäß mit dem Fokus auf Selbstbestimmtheit und Sinnstiftung zusammenzuarbeiten. Jedoch kommt es bei der Einführung und Umsetzung von New Work auch zu Fehlentwicklungen. Diese zeigen sich dann z. B. in einem Mangel an Führung bzw. Orientierung, einer toxischen Arbeitsatmosphäre, ungenügenden Ergebnissen sowie zu wenig Agilität und Flexibilität. Dabei kann die Ursache ein zu großes Ungleichgewicht der beiden Faktoren Vertrauen und Kontrolle sein.

Vertrauen grundlegend fördern

Eine vertrauensbasierte Arbeitskultur ist für Sie grundsätzlich vorteilhaft, da gegebenes Vertrauen unkomplizierter, flexibler, effizienter und freudvoller zusammenwirken lässt. Damit dienen die positiven Faktoren des Vertrauens auch als Grundlage für das Gelingen von New Work. In der Praxis bringt es gute Ergebnisse, sowohl das intrapersonale und das interpersonale als auch das systemische Vertrauen zu entwickeln:

  • Um das intrapersonale Vertrauen der Mitarbeitenden zu fördern, sollten Sie diese erkennen lassen, dass sie über die Kraft, die Fähigkeiten, die Kompetenzen etc. verfügen, die mit New Work einhergehenden Veränderungen zu meistern (siehe hierzu auch „Stärkenorientierte Interviews richtig nutzen“). Das können Sie praktisch umsetzen, indem sie z. B. zielführende Qualifizierungen anbieten und den Menschen genug Zeit geben, das Neue nach und nach anhand bewältigbarer Herausforderungen zu verinnerlichen.
  • Im Bereich des interpersonalen Vertrauens ist das Vertrauen gegenüber den direkt Repräsentierenden des Unternehmens bzw. den Vorgesetzten zentral. Die Voraussetzung dafür ist, dass diese die dahingehend bestehenden Erwartungen, wie z. B. Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Unterstützungswille und Kompetenz erfüllen. Auch hier können Sie in der Praxis mit Qualifizierungsmaßnahmen viel erreichen: Wichtig ist, die Führungskräfte in den Bereichen Beratung und Coaching weiterzuentwickeln. Dadurch sollen diese befähigt werden, kompetent in primär beratender und coachender Weise zu führen. Im Arbeitsalltag überschneidet sich das interpersonale teilweise mit dem systemischen Vertrauen. Der Grund dafür ist, dass das Vertrauen in die Systemvertretenden zu einem großen Teil unbewusst auf das System selbst übertragen wird.
  • Das systemische Vertrauen in Organisationen, Unternehmen, Institutionen usw. besteht in erster Linie darin, dass die jeweils kommunizierten Werte, Normen, Regeln und Leitbilder auch erfüllt werden. Das ist so, da keine Einzelperson alle innerhalb ihres Systems bestehenden Einflussfaktoren und Verbindungen im Detail überblicken kann. Deshalb sollten Sie sich für die praktische Umsetzung dieser Werte und Normen etc. einsetzen. Um das systemische Vertrauen im Rahmen von New Work zu fördern, ist für Sie zudem wesentlich, die hierfür grundlegenden Bedingungen wie flache Hierarchien, Mitsprache, Wertschätzung, Agilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit bestmöglich umzusetzen.

Kontrolle ergänzend bieten

Vergegenwärtigen Sie sich neben all den positiven Aspekten des Vertrauens jedoch auch das Risiko, dass Vertrauen enttäuscht werden kann. Darum geht dem Vertrauen nach Niklas Luhmann eine mehr oder weniger bewusste Auseinandersetzung mit diesem Risiko voraus (Luhmann, 2014), was ebenfalls mögliche damit einhergehende Folgen beinhaltet. Entfällt diese Auseinandersetzung, wird einfach so bzw. aufgrund von bloßer Hoffnung Zuversicht gefasst.

Für die praktische Einführung und Umsetzung von New Work in der Arbeitspraxis reicht den Mitarbeitenden die reine Hoffnung, es werde schon gut gehen, als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage natürlich nicht aus: Deshalb ist es sinnvoll, wenn Sie Ihre Risikoabwägung auch kommunizieren. Achten Sie dabei jedoch darauf, sachlich bzw. realistisch zu bleiben und nicht alle theoretisch denkbaren Risiken überzubetonen.

Eine Frau erläutert vor einer Gruppe von Mitarbeitenden eine Reihe verschiedenfarbiger Klebezettel, die sich vor ihr an einer Glasscheibe befinden.

Bei der Einführung neuer Prozesse ist es sinnvoll, Ihrem Team die eigene Risikoabwägung sachlich und realistisch zu kommunizieren (Foto: Flamingo Images – stock.adobe.com)

Wenn Sie für sich selbst das Risiko enttäuschten Vertrauens vermeiden wollen, haben Sie die Möglichkeit zu misstrauen. Wiederum mit Bezug auf Niklas Luhmann wäre Ihr Misstrauen dabei nicht einfach das Gegenteil von Vertrauen, sondern vielmehr eine Alternative dazu. Der Grund dafür ist, dass Vertrauen und Misstrauen beide komplexitätsreduzierend und vereinfachend wirken.

Wenn es Ihnen allerdings sowohl im Privat- als auch im Arbeitsleben wenig erstrebenswert erscheint, Ihre Zukunft grundsätzlich misstrauisch anzugehen, sind Sie damit nicht allein: Zwar würde das vieles vereinfachen, jedoch würden Sie sich damit für eine destruktive Haltung mit wenig Lebensqualität und Perspektive entscheiden. Das können Sie direkt auf die praktische Umsetzung von New Work übertragen: Hier ist grundsätzliches Misstrauen ebenfalls keine Lösung, da es Menschen voneinander abtrennt, der Zusammenarbeit entgegensteht und Entwicklungschancen verpassen lässt: Setzen Sie sich also im Sinne der Förderung von New Work in Ihrer Arbeitspraxis aktiv bzw. durch Worte und Taten für eine vertrauensbasierte anstatt einer misstrauensorientierten Herangehensweise ein.

Vor diesem Hintergrund stellt ergänzende Kontrolle einen gewinnbringenden Weg dar, um New Work vertrauensbasiert zu realisieren und gleichzeitig das Risiko enttäuschten Vertrauens zu verringern. Vielleicht wirkt das auf Sie widersprüchlich, da sich Kontrolle scheinbar nur schlecht mit New Work und noch weniger mit Vertrauen vereinbaren lässt. Allerdings ist hier keine dogmatische und starre Kontrolle gemeint: In der Praxis geht es für Sie um eine wohlwollende und unterstützende Kontrolle, die ergänzend zu einer grundlegend vorhandenen vertrauensvollen Haltung wirkt. Damit ist konkret gemeint,

  • auch und gerade im Kontext von New Work neue Prozesse beobachtend zu begleiten,
  • auftretende Schwierigkeiten klar zu benennen und anzugehen,
  • schwindendem Vertrauen gezielt entgegenzuwirken sowie
  • orientierungsförderliches Feedback zu geben etc.

Fazit

Sowohl vertrauensbasiert zu arbeiten als auch die Dinge unter Kontrolle zu halten, hat für Sie jeweils Vor- und Nachteile: So macht Vertrauen vieles einfacher bzw. weniger aufwendig, wobei es dafür ein Risiko mit sich bringt. Dagegen erhöht Kontrolle die Sicherheit, bedeutet aber einen höheren Aufwand und weniger Flexibilität. Deshalb ist auch im Kontext von New Work grenzenloses Vertrauen ebenso unrealistisch wie totale Kontrolle. Vielmehr geht es in der Praxis darum, beide Ansätze sinnvoll zu verbinden und zielorientiert umzusetzen.

Literatur

[Werbung] Becher, F. (2020). Psychologie und Körpersprache im Job: Überzeugend auftreten und kommunizieren. Freiburg: Haufe.

[Werbung] Luhmann, N. (2014). Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. 5. Aufl., Konstanz: UVK.

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