Mentoring mit Wirkung: Kompetenzen fördern, Talente gewinnen

Mentoring ist weit mehr als nur ein effektives Instrument der Personalentwicklung, es kann ebenso wertvolle Impulse in Bereichen wie Recruiting oder Diversity Management setzen. Doch welches Mentoring-Format passt zu welchem Unternehmen? Ob Peer-Mentoring, Cross-Mentoring oder Diversity Mentoring – damit Mentoring seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es eine sorgfältige Planung, durchdachte Umsetzung und kontinuierliche Evaluation.

Wussten Sie, dass die Geschichte des Begriffs „Mentoring“ bis in das antike Griechenland zurückreicht? Mentor war der Name des väterlichen Freundes, Beraters und Beschützers von Telemachos, dem Sohn des Odysseus. Heute – in Zeiten von New Work, flachen Hierarchien und volatilen Arbeitswelten – ist Mentoring gefragter denn je: Sei es in der Personalentwicklung, im Recruiting oder im Diversity Management – Mentoring bietet enormes Potenzial für Unternehmen, wenn es gezielt in die Arbeitsabläufe integriert wird.

Was macht die Beziehung zwischen Mentor*in und Mentee so besonders? Wie können Unternehmen von Mentoring profitieren? Und welche Formen von Mentoring gibt es überhaupt? Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Sie in dem Buch „Mentoring“ von Alexandra Michel, Sarah Turgut, Perichole Schmidt und Anja Schmitz. Die Autorinnen analysieren, welche Faktoren den Erfolg von Mentoring bestimmen, wie Unternehmen Mentoring effektiv etablieren und die unterschiedlichen Mentoring-Formen sinnvoll nutzen können. Dies wird anhand von Fallbeispielen, Leitfäden und Checklisten praxisnah vermittelt.

Was ist Mentoring?

Mentoring beschreibt eine Beziehung zwischen zwei Personen über einen längeren Zeitraum hinweg, wobei üblicherweise der oder die Mentor*in über weitaus mehr berufliche Erfahrung verfügt als der bzw. die Mentee. Eine Mentoring-Beziehung basiert auf Vertrauen, gegenseitigem Respekt und persönlicher Verbundenheit. Zudem wird die Beziehung als einzigartig empfunden.

Mentor*innen unterstützen Mentees auf drei Ebenen:

  1. Karrierebezogen: Durch das Herstellen von Kontakten, das Teilen von Informationen über Organisationsabläufe und Machtstrukturen sowie die Unterstützung bei Bewerbungen und Beförderungen begleiten Mentor*innen die berufliche Entwicklung und Karriere ihrer Mentees.
  2. Psychosozial: Die Mentoring-Beziehung ist geprägt von emotionaler Unterstützung, vertrauensvollem Austausch und Offenheit.
  3. Vorbildfunktion: Mentor*innen können als Rollenbilder vermitteln, wie sich z. B. Führungskräfte verhalten sollten oder welche Werte und Einstellungen gelebt werden können.

Vorteile für Mentees

Ein großer Vorzug von Mentoring liegt in der selbstbestimmten, dezentralen Art des Lernens über Hierarchien und strukturelle Grenzen hinweg, denn dies fördert das Empowerment und die Selbstwirksamkeit der Mentees. Außerdem zeigen Studien, dass Mentees zufriedener und zuversichtlicher hinsichtlich ihrer Karriere sind, häufiger befördert werden und ein durchschnittlich höheres Gehalt bekommen. Auch die Motivation und Arbeitsleistung fallen höher aus, wenn Beschäftigte von Mentor*innen begleitet werden.

Vorteile für Mentor*innen

Dass auch Mentor*innen von der Tandembeziehung profitieren, ist zwar weniger offensichtlich, jedoch vielfach erwiesen. Zum einen erfahren sie Respekt und Anerkennung für ihren Einsatz, Mentees sind ihnen gegenüber loyal und außerdem kann das Gefühl, Wissen und Erfahrung weiterzugeben, sehr erfüllend sein. Zum anderen bauen Mentor*innen Unterstützungsnetzwerke für ihre Mentees auf und erweitern auf diese Weise auch ihre eigenen berufsbezogenen Beziehungen. Nicht zuletzt zeigen Mentor*innen oft ein höheres Commitment gegenüber ihrem Unternehmen und sind motivierter und leistungsstärker bei der Arbeit.

Doch wie sieht Mentoring in der Praxis aus?

Formen von Mentoring in Organisationen

Mentoring hat viele Erscheinungsformen. So finden manche Mentees und Mentor*innen einander informell, während sich andere Tandems erst durch entsprechende Programme im Unternehmen zusammentun. Über das traditionelle Mentoring im Rahmen der Personalentwicklung hinaus unterscheidet man unterschiedliche Mentoring-Formate je nach ihrer Ausrichtung und Funktion:

  1. Reverse Mentoring: Der typische Altersunterschied im Mentoring wird umgedreht, sodass jüngere Beschäftigte ältere Kolleg*innen z. B. in der Nutzung von Technik und sozialen Medien unterstützen.
  2. Peer-Mentoring: Mentor*in und Mentee befinden sich auf derselben Hierarchiestufe und treten in einen wechselseitigen Erfahrungsaustausch.
  3. Cross-Mentoring: Die Mentoring-Beziehung reicht über organisationale Grenzen hinaus, z. B. wenn eine Führungskraft Mentor*in für eine*n Mitarbeiter*in eines anderen Unternehmens wird.
  4. Diversity Mentoring: Mentor*in und Mentee unterscheiden sich in einem oder mehreren Diversitätsmerkmalen, was eine inklusive und vielfältige Organisationskultur fördern soll.
  5. Mentoring in Gruppen: Mangels Mentor*innen können auch mehrere Mentees einem bzw. einer Mentor*in zugeteilt werden, wie es die AOK Rheinland/Hamburg praktiziert hat. Das Fallbeispiel wird im Buch ausführlich aufgeschlüsselt.
  6. Mentoring als Recruiting: Mit Pre-Hire-Mentoring können Unternehmen Personal gewinnen, indem sie z. B. berufstätigen Studierenden ein positives Unternehmensimage vermitteln und sie so an sich binden, sodass diese sich wahrscheinlicher nach dem Studienabschluss bewerben möchten.

Wann ist Mentoring sinnvoll?

Um herauszufinden, ob Mentoring für Unternehmen, die vor Herausforderungen wie der Nachwuchssicherung oder Mitarbeitendenbindung stehen, eine Lösung sein kann, empfehlen sich vor dem Aufsetzen eines Mentoringprogramms eine Bedarfsanalyse und das Formulieren konkreter Ziele. Anhaltspunkte für Bedarfe können Sie durch Aufgabenanalysen, aber auch durch Interviews oder Workshops mit relevanten Stakeholdern erhalten.

Stehen Bedarf und Ziele fest, sollten Sie die Passung zur Unternehmenskultur prüfen, denn Mentoring gedeiht am besten in einer Kultur, in der Lernen, Offenheit, Zusammenarbeit und Vertrauen einen hohen Stellenwert haben. Zudem empfehlen sich je nachdem, wie steil Hierarchien in einem Unternehmen sind, unterschiedliche Formen des Mentorings. Beispielsweise sind Mentor*innen der oberen Managementebene in stark hierarchisch geprägten Unternehmen akzeptierter, während Peer-Mentoring- oder Cross-Mentoring-Formate gut zu flachen Hierarchien passen.

Davon ausgehend nehmen Sie die Rahmenbedingungen in den Fokus, z. B. Budget, Zeitkontingent oder IT-Infrastruktur. Auch personelle Bedingungen wie die Befürwortung des Mentorings durch das Top-Management sollten Sie einbeziehen.

Auf der Grundlage der genannten Informationen können Sie das für Ihr Unternehmen passende Mentoring-Programm auswählen. Soll es ein offenes Programm sein oder eines, an dem nur bestimmte Gruppen teilnehmen? Welche Zielgruppen soll das Mentoring adressieren?

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine sinnvolle Einbettung von Mentoring in andere Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse.

Am Ende sollten Sie Kriterien zur späteren Evaluation des Mentoring-Programms formulieren und Kennzahlen dafür finden. Nach Beendigung dieses Vorbereitungsprozesses können Sie das konkrete Mentoring-Programm planen und umsetzen.

Von der Planung zur Umsetzung

Damit sich Mentoring für Mentees, Mentor*innen und Unternehmen positiv auswirkt, sind folglich eine sorgfältige Planung, Implementierung und Evaluation notwendig. Mentor*innen und Mentees müssen durch Schulungen auf ihre Rolle vorbereitet und es muss ein passendes Mentoring-Format ausgewählt werden. Außerdem gilt es, die Tandems so zu kombinieren, dass sie gut zueinander passen.

Wie Sie dies passgenau umsetzen können, erklären Ihnen Michel et al. (2025) in ihrem Buch sowohl anhand von Leitfäden und Checklisten als auch Fallbeispielen konkreter Unternehmen wie der DB InfraGo AG oder OTTO. Dabei geben sie nicht nur wertvollen Input für formelle Mentoring-Programme, sondern auch für Mentoring-Tandems, die sich informell zusammentun.

Fazit

Wer Mentoring in einer Organisation einführen oder ein bestehendes Programm optimieren möchte, sollte sich mit den wissenschaftlichen Fakten und praktischen Tools rund um die unterschiedlichen Mentoring-Formate befassen. So kann das volle Potenzial von Mentoring ausgeschöpft werden.

Zum Weiterlesen:

[Werbung] Michel, A., Turgut, S., Schmidt, P., & Schmitz, A. (2025). Mentoring (Praxis der Personalpsychologie, Band 44). Hogrefe Verlag GmbH & Company KG.