Power oder Empowerment? – Die Psychologie der Macht
Das Streben nach Macht ist menschlich und Macht ist immer im Spiel, wenn Menschen miteinander zu tun haben, somit auch am Arbeitsplatz. Trotzdem werden selten gezielte Maßnahmen ergriffen, damit nur Menschen Macht erhalten, die damit gut umgehen können. Ein psychologischer Blick auf Macht könne dies ändern, so Carsten C. Schermuly in seinem neuen Buch „Die Psychologie der Macht“.
Vielleicht haben Sie zuletzt über Macht nachgedacht, als Sie Donald Trump im Fernsehen sahen, oder während der Bundestagswahl im Februar? Vielleicht denken Sie beim Stichwort Macht auch an Gehaltsverhandlungen mit Ihrer Führungskraft oder an eine Auseinandersetzung mit Kolleg:innen? In der Tat haben wir mit Macht viel häufiger zu tun, als uns bewusst ist. Macht ist nämlich immer dann im Spiel, wenn Menschen aufeinandertreffen und es um die Zuteilung oder Beanspruchung von Ressourcen geht. Trotzdem wird selten explizit über Macht gesprochen.
Die Psychologie der Macht
Aus Sicht des Psychologen Prof. Dr. Carsten C. Schermuly müssen wir uns der Allgegenwart von Macht bewusst sein, um konstruktiv mit ihr umgehen zu können. In seinem neuen Buch „Die Psychologie der Macht“ eröffnet er eine psychologische Perspektive auf Macht und Machtausübung in der Gesellschaft und in Organisationen.
Was ist Macht und was macht Macht mit Menschen, die sie besitzen oder eben nicht besitzen? Wem geben wir Macht? Macht Macht glücklich? Können wir Macht durch flache Hierarchien verschwinden lassen?
Diesen und vielen weitere Fragen geht Schermuly in seinem Buch anschaulich und alltagsnah auf den Grund. Die Theorien und Fakten unterlegt er dabei häufig mit Beispielen aus dem aktuellen Weltgeschehen und aus seiner organisationspsychologischen Tätigkeit sowie mit Anekdoten, z. B. über Topsharing im antiken Rom.
Macht am Arbeitsplatz
Auch in der modernen Arbeitswelt ist Macht omnipräsent, z. B. wenn Sie im Bewerbungsgespräch über das Gehalt verhandeln, als Führungskraft Aufgaben verteilen oder als Arbeitnehmende:r Wissen an neue Kolleg:innen weitergeben sollen. Die Handhabung von Macht wirkt sich auf das individuelle Befinden der Organisationsmitglieder, auf die Interaktionen in Teams sowie auf den Unternehmenserfolg aus. Allein aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist daher ein bewusster Umgang mit Macht für Unternehmen sinnvoll. Dieser setzt jedoch voraus, dass Sie sich dessen bewusst werden, wo im Unternehmen die Macht sitzt.
Wie wir Macht verteilen
Logisch betrachtet wäre es naheliegend, dass diejenigen in Machtpositionen kommen, die am besten mit der Macht umzugehen wissen. Doch dies ist weit von der Realität entfernt. In einem ganzen Kapitel schreibt Schermuly über Führungsemergenz, d. h. über die Frage, wer aufgrund welcher Merkmale Macht an sich nehmen kann. Denn auch im Jahr 2025 sind tatsächlich meistens Eigenschaften, die nichts über die Kompetenz im Umgang mit Macht aussagen, maßgeblich dafür, welche Menschen in Führungspositionen gelangen, z. B. das Geschlecht, die Körpergröße, die Attraktivität oder „Vitamin B“. Zudem werden in vielen Ländern seit einigen Jahren Rufe nach „dem starken Mann“, nach autoritärer Führung und zentralisierter Macht lauter; ein Trend, der sogar in Führungskräftetrainings auftritt.
Diese Forderungen stehen im Widerspruch zur Empirie. Aus Studien ist beispielsweise hinlänglich bekannt, dass Frauen Männern als Führungskräfte nicht unterlegen sind. Im Gegenteil: Sie tendieren sogar mehr als Männer zu Führungsstilen, bei denen das Empowerment der Mitarbeitenden im Vordergrund steht, was zu mehr Arbeitszufriedenheit, Leistung und Erfolg führt. Dass Vorstandsposten trotzdem meist mit Männern besetzt werden, verdeutlicht die Notwendigkeit eines bewussten Umgangs mit Macht, wenn man diese zum Wohle aller Beteiligten strukturieren möchte.
Ohne Macht geht es auch nicht
Ganz ohne Macht kommen Organisationen allerdings auch nicht aus, zumal Macht und das Streben nach Macht nicht per se schlecht sind. Hierarchien haben auch Vorteile, da sie Zuständigkeiten und Abläufe ordnen, während sich Macht in flachen Hierarchien nicht selten in noch weniger Händen an der Unternehmensspitze konzentriert.
Die Lösung ist folglich nicht, Macht verschwinden lassen zu wollen, sondern vielmehr ein reflektierter und bewusster Umgang mit Macht, um negativen Auswirkungen von Macht oder gar Machtmissbrauch vorzubeugen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Macht beginnt bei einer Machtdiagnostik, mit deren Hilfe Unternehmen auswerten können, wem bei ihnen Macht zufällt. Im Buch erläutert Schermuly, wie Sie dafür Machtlandkarten entwerfen und wie Sie diese auch gezielt gestalten können.
Des Weiteren sollten Führungspersonen regelmäßig Feedback einholen und mit Kritik umgehen können sowie eine Balance von Empowerment und Führen anstreben, was unter anderem reibungslose Machtwechsel ermöglicht. Indem Unternehmen eine „positive Kultur des Machtverzichts“ leben, können sie laut Schermuly das Risiko von destruktiver Machtausübung senken und Macht gezielt zugunsten der gesamten Organisation einsetzen.
Ausblick
Warum dieser bewusste Umgang mit Macht herausfordernd, aber notwendig ist und welche Methoden Sie als Einzelperson und auf Organisationsebene nutzen können, um sich machtpsychologisch klug aufzustellen, finden Sie in Carsten Schermulys Buch anhand konkreter Impulse und Beispiele spannend aufbereitet.
Zum Weiterlesen:
Schermuly, C. C. (2025). Die Psychologie der Macht. Haufe.
Interview mit Carsten Schermuly über die Psychologie der Macht in der Ausgabe 2/2025 der Wirtschaftspsychologie aktuell (erscheint am 19.06.2025)