Leadership in der Klimakrise am Beispiel der Triodos Bank
Die Klimakrise drängt. Doch die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist eine gewaltige und komplexe Aufgabe. Auch Führungskräfte sind hier gefordert. Im Interview sprachen Janna Hoppmann und Christoph Schönherr mit Georg Schürmann, Geschäftsführer der Triodos Bank, darüber, wie er diese Aufgabe in seinem Unternehmen angeht.
Inwiefern beeinflusst die Klimakrise die Aktivität Ihres Unternehmens?
Wir sind von der Aufsichtsbehörde dazu verpflichtet, uns mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf die Risiken der Kreditnehmer auseinanderzusetzen. Hinzu kommt unser Selbstverständnis, Vorreiter bei nachhaltigen Finanzen zu sein. Vor einigen Wochen haben wir angekündigt, dass wir unser Kreditportfolio bis 2035 auf net zero bringen wollen. Die Zeit drängt. Auf die nächsten 10 Jahre kommt es an – weniger darauf, was vielleicht irgendwann zwischen 2040 und 2050 passieren könnte.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Umsetzung von Klimaschutz?
Das notwendige Tempo der Transformation bewegt unser gesamtes Team. Wir müssen die ersten Maßnahmen in den nächsten Jahren bereits umgesetzt haben. Wir haben dabei den Vorteil, dass wir ein Team von intrinsisch motivierten Menschen sind. Ich muss meinen Mitarbeitenden die Klimakrise nicht erklären oder sie klassisch führen, sondern dabei unterstützen, ihre eigene Motivation erfolgreich zu leben.
Zweitens müssen wir Impact-Risk-Return in einer guten Balance hinbekommen. Also das Spannungsfeld zwischen der nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens einerseits und den verschiedenen Stakeholdern andererseits.
Außerdem sehen wir als nachhaltige Bank unsere Rolle als Schrittmacher mit neuen Ideen, während die Realwirtschaft und die Rahmenbedingungen eigentlich noch nicht so weit sind. Mit unserer Mitgliedschaft im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung versuchen wir, die Finanzindustrie insgesamt zu bewegen und zu zeigen, wie man die notwendigen Schritte umsetzen kann.
Durch die Transformation werden die wirtschaftlichen Tätigkeiten von vielen Menschen in Frage gestellt. Wir brauchen neue Denkmuster, um diesen Wandel zu steuern. Wir wollen diesen Prozess begleiten und den Menschen diese neuen Denkmuster nahebringen.
Könnten Sie uns ein Beispiel geben?
Wir haben mit dem WWF in Deutschland im Jahr 2020 gemeinsam ein Klimaabkommen der deutschen Finanzindustrie organisiert. Die großen deutschen Banken, einige Auslandsbanken und die Landesbanken zur Unterzeichnung des Abkommens zu bewegen, war eine besondere Führungsherausforderung.
Wo sehen Sie die größten Hürden, andere Banken mit an Bord zu bekommen?
Es geht meistens um Denkmuster. Das Thema Risiken wird von Bankern verstanden. Banker verstehen auch: in der Transformation muss offensichtlich viel investiert werden, und dann kann man viele Kredite vergeben. Letztendlich geht es aber um die Welt, in der wir leben, unser Zuhause. Ich versuche immer, Menschen dort abzuholen, wo sie stehen.
Welche Art von Führung braucht es in der Klimakrise?
Die Transformation der gesamten Wirtschaft sieht für jeden Menschen und für jede Organisation verschieden aus. Als Führungskraft muss man einen Veränderungsprozess gestalten und Menschen individuell mitnehmen in diesem Prozess. Eine wichtige Qualität ist das Zuhören.
Welches sind Ihre Vorbilder beim Thema Klimaschutz?
Es gibt viele Persönlichkeiten, die eine große Rolle spielen. Als Beispiele fallen mir Ernst Ulrich von Weizsäcker ein und Klaus Töpfer, der als Umweltminister einen entscheidenden Beitrag geleistet hat.
Welche Führungsqualitäten finden Sie besonders inspirierend?
Es ist wichtig, als Führungskraft in Visionen und mit konkreten Bildern zu arbeiten. Dozieren allein hilft nicht. Mit Visionen und Bildern sieht man die Notwendigkeit noch einmal viel deutlicher.
Gibt es irgendetwas, was Ihnen helfen könnte, Ihre Arbeit noch besser zu machen?
In einer sich verändernden Welt muss man sein Verhalten fortwährend anpassen. Mir selbst den Raum zu nehmen zur eigenen Reflexion, das ist mir wichtig, kommt aber oft zu kurz.
Wenn Sie 10 oder 20 Jahre zurückschauen, was hätten Sie sich damals an Unterstützung gewünscht, um Ihre Führungsqualitäten zu entwickeln?
Ich weiß nicht, ob ich etwas vermisst habe. Wichtig ist, dass man authentisch bleibt – und dann Dinge an sich selbst verändert oder akzeptiert. Es ist gut, wenn man in einem gemischten Führungsteam arbeitet, mit Menschen, die bestimmte Dinge besser können als man selbst. Ich hatte das Glück, immer von Menschen umgeben zu sein, von denen ich etwas lernen konnte.
Welche Ratschläge würden Sie anderen Führungskräften mitgeben?
Das Wichtigste: das Problembewusstsein zur Klimakrise selbst verinnerlichen. Die erste Reflektion muss lauten: „Was bedeutet die Transformation für mich als Führungskraft und für mein Unternehmen?“
Was könnte Führungskräften helfen, genau dieses Problembewusstsein zu entwickeln?
Das Bewusstsein, dass man selbst vom Problem betroffen ist. Die Klimakrise ist im Vergleich zur Coronakrise weit weg. Von der Coronakrise sind wir alle unmittelbar betroffen, jeder kennt jemanden, der erkrankt ist, vielleicht auch Todesfälle. Die Betroffenheit ist bei der Klimakrise in der Breite noch nicht da.
Sie haben sehr gute Erfahrung mit Authentizität und intrinsischer Motivation gemacht. Inwiefern braucht es ein authentisches Leben von Nachhaltigkeit?
Bei der Transformation des Finanzsektors versuchen wir immer erst, Menschen zu überzeugen. Nur wenn das nicht funktioniert, dann versuchen wir es mit Druck – aber das ist meist die schlechtere Variante. Für die Überzeugungsarbeit müssen wir authentisch sein – und das kann man lernen, auch mit externer Unterstützung.
Gibt es außerdem noch Erfahrungen, die Sie mit uns teilen möchten?
Mir ist es wichtig, ins Gespräch zu kommen – gerade auch mit Menschen außerhalb der gleichen Blase. Das Verlassen der eigenen Komfortzone ist immer unangenehm. Für einen Führungsprozess ist es wichtig, sich mit Menschen zu beschäftigen, die ein bisschen anders sind oder anders denken – und dann zu schauen: warum ist das so? Was bedeutet das für mein eigenes Wirken?
Vielen Dank für das Gespräch!
Wir sprachen mit:
Georg Schürmann ist seit 2009 Geschäftsleiter der Triodos Bank N.V. Deutschland. 2014 übernahm er die alleinige Verantwortung für das Deutschlandgeschäft der Nachhaltigkeitsbank. Zuvor war er 20 Jahre lang bei der Deutschen Bank tätig. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Köln begann er 1989 seine Karriere als Trainee bei der Deutschen Bank. Es folgten diverse Stationen innerhalb des Konzerns, u. a. als Regionalleiter in München. 2005 wurde er in die Zentrale der Bank gerufen und ein Jahr später Mitglied der Geschäftsleitung Private Banking Deutschland mit Zuständigkeit für das operative Geschäft. Georg Schürmann ist Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung, im Nachhaltigkeitsbeirat der Barmenia Versicherung, im Beirat der Deutschen Umweltstiftung sowie im Diözesan-Vermögensverwaltungsrat des Bistums Eichstätt.