Plädoyer für eine neue Mutkultur in unsicheren Zeiten

Change ist das große Zauberwort unserer Zeit. Wir können uns dem Wandel heutzutage nicht mehr entziehen. Er ist allgegenwärtig und er verursacht Ängste in der Belegschaft. Für einen angemessenen Umgang mit dem Wandel braucht es eine Enttabuisierung von Angst und eine neue Mutkultur in Organisationen.

Die rasanten technologischen Entwicklungen, Disruptionen, aber auch Krisen im Außen sind für Unternehmen eine große Herausforderung. Die einen sehen darin Chancen, andere blockiert die Angst. Veränderung zu gestalten, bedeutet das Alte loszulassen, bevor das Neue greifbar ist.

Change ist für Mensch und Organisation ein sensibles Thema. Mit ihm ist der Umgang mit Unsicherheit zur Herausforderung unserer Zeit geworden. Organisationen und ihre Menschen brauchen jedoch nicht das x-te Changemodell. Change erfordert vielmehr ein Heraustreten aus festen Sicherheitsstrukturen. Mut ist nicht nur der Anfang von allem, er ist die Zukunftskompetenz in einer Welt, in der sich alles wandelt.

Dieser Beitrag ist ein Plädoyer und Impuls für eine neue Mutkultur, für die Anstiftung zu mehr Mut im Wandel.

Leben, überleben, Zukunft gestalten in einer unsicheren Welt

Neben der Schnelligkeit von Veränderung beschreiben wir die heutige Welt als VUCA: volatil (unbeständig), uncertain (unsicher), complex (komplex) und ambig (mehrdeutig).

In der „alten Welt“, geprägt von Kausalität, wurden Changeprozesse aufgesetzt. Im Sinne eines Prozessmanagements wurden sie „gemanaged“. Das funktioniert heute in der VUCA-Welt nicht mehr. Change muss verantwortliche Aufgabe von Management und Führung sein.

  1. Veränderung passiert jede Minute neu. Wir können uns dem Wandel im Außen nicht entziehen und ihn auch nicht managen.
  2. Dazu kommt der Wandel als Gestaltungsauftrag, den wir gewollt initiieren, um nicht nur zu reagieren, sondern um Entwicklung, Lernen und Innovationen zu schaffen.

Grundsatz: In einer Welt des Wandels lösen sich permanent vertraute Sicherheiten auf. Nur die stetige Veränderung ist und bleibt sicher.

Ableitend wird klar, dass starre Zielprozesse uns nicht in die Zukunft führen können. Ohne „Unsicherheitskompetenz“ werden wir unsere Unternehmen nicht in die Zukunft führen. Wie können Organisationen in einer Welt des Wandels, in Unsicherheit, Change und damit Zukunft mutig gestalten?

Transformation mit Mut gestalten

Mit einem „What if?“ malen wir nicht nur ein Bild von einer lohnenswerten Zukunft, es gibt uns die Zuversicht mit auf den Weg. Angst vor dem Neuen ist dennoch vollkommen normal. Die Dosis macht hier das Gift. Wenn Management und Führung von einer Angstkultur durchsetzt sind, wird diese sich auch innerhalb der Belegschaft fortführen. Es ist kein Geheimnis: Unternehmen, die eine Angstkultur leben, tun sich mit Veränderung schwer. Hand aufs Herz, machen Sie den Selbsttest: Wird in Ihrer Organisation auch im abgesicherten Modus gefahren?

Merkmale sind zum Beispiel:

  1. Eine hohe Ausprägung von Sicherheitsstrukturen und Kontrollmechanismen,
  2. überzogene Dokumentationen,
  3. komplizierte, langsame Entscheidungswege,
  4. starre Zielvorgaben statt flexiblen Zielen,
  5. festhalten an Hierarchie, Status und Macht,
  6. Fehlermanagement statt einer fehlerfreundlichen Kultur,
  7. Druck auf Mitarbeitende,
  8. hoher Widerstand der Mitarbeitenden in Bezug auf Veränderungen.

In Management und Führung über Angst zu sprechen ist ein Tabu. Aber genau dieses Tabu müssen wir überwinden, um den Weg zur Zukunft freizumachen.

Impuls: Wir brauchen keine „angstfreien Organisationen“. Vielmehr geht es darum, dass Führungskräfte mit ihrer Vorbildwirkung in Sachen Mut Maßstäbe setzen, Tabus kommunizieren, Ängsten Raum geben, damit auch Mitarbeitende Mut entwickeln. Organisationen brauchen Räume, in denen ihre Mitarbeitenden kreativ und mutig gestalten können. Fragen Sie sich: Wollen Sie in Ihrer Organisation eine Verhinderungskultur oder ein Umfeld etablieren, das sich risikokompetent Veränderungen stellt und Change mutig befördert?

Mehrere Personen klatschen sich mit den Händen ab.

„Mit jedem Mutausbruch wächst unser Mut weiter an, genauso wie ein Muskel es tut.“ (Foto: Fauxels – Pexels.com)

Change - Was daraus wird, ist, was wir daraus machen

Mut hat nichts mit Angstfreiheit zu tun. Mut heißt handeln trotz und durch die Angst. Vielleicht fragen Sie sich: „Wie geht Mut?“

  1. Die gute Nachricht ist, wir können Mut lernen. Mit jedem Mutausbruch wächst unser Mut weiter an, genauso wie ein Muskel es tut.
  2. Mut macht neuen Mut. Das ist das Prinzip Mutanstiftung. Mit Ihrem Mut als Führungskraft oder Manager:in stecken Sie Ihre Mitarbeitenden an.

Jede Transformation verändert nicht nur die Organisation, sondern auch ihre Menschen. Hier darf und muss Organisations- und Personalentwicklung ansetzen, wenn es um Zukunftsfähigkeit geht. Führen Sie Ihre Organisation in eine Mutkultur.

Checkliste Mutquellen zur Reflexion

1. Fokus

Mutige Organisationen legen den Fokus auf die Verwirklichung ihrer Visionen und Ziele und scheuen sich nicht, klar und transparent zu kommunizieren. Welche Vision gibt Ihrem Unternehmen Zugkraft? Wie klar kommunizieren Sie?

2. Verantwortung

Wo Verantwortung getragen wird, gibt es keine Schuld. Wir können sie nicht abgeben, jeder in seiner Rolle ist zu 100 % für sein Tun oder Nichttun verantwortlich. Wie steht es um die Verantwortungskultur in Ihrem Unternehmen? Welches „Wofür“ stiftet einen tragenden Sinn?

3. Vertrauen

Wenn wir vertrauen, geben wir der Zukunft einen Kredit. Wir gehen in aktiver Zuversicht davon aus, dass unsere Erwartungen eintreffen. Basis ist, dass wir gelernt haben, dass wir Erfolge aufgrund unserer Selbstwirksamkeit wiederholen können. Wie steht es um die Vertauenskultur in Ihrem Unternehmen? Worauf können Sie, Ihre Mitarbeitenden sich verlassen? Welche verbindenden Werte geben tragenden Halt, wenn sich alles wandelt?

4. Risikokompetenz

Risiken gilt es bewusst zu kalkulieren, statt sie zu vermeiden. Risikointelligenz bedeutet klug zu entscheiden und mit Verfehlungen angemessen umzugehen. Was trauen Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitenden zu? Wie viel Verantwortung geben Sie ihnen? Wie hoch sichern Sie sich gegen Misserfolg ab? Welche Entscheidungskultur leben Sie?

5. De-Mut

Kein Mut ohne Demut. Wir sind das Produkt unserer Erfolge und Niederlagen. Wer etwas riskiert, wer handelt macht Fehler. Wir sollten unseren Blick auf Fehler verändern und einer differenzierteren Betrachtung unterziehen. Wenn wir aus dem Höher-Weiter-Schneller-Modus treten, Erfolg anders bewerten, dann können sie Triebkraft für Innovationen, das Neue und Lernen sein. Sind Sie selbstsicher genug, um bescheiden zu sein? Haben Sie den Mut zum Dienen?

6. Resilienz

Unternehmen und Mitarbeitende, die Scheitern und Verfehlen als eine Option jeder Veränderung begreifen, sind im Hinfallen und Aufstehen geübt. Erfolgreiche Organisationen und Menschen berufen sich in unwägbaren Zeiten des Wandels auf ihre Resilienz. Wie widerstandsfähig ist Ihr Unternehmen? Welche Fehlerkultur wird gelebt?

7. Joyfear

Furchtfreude nach Leo Babauta lässt uns in Neugier und Begeisterung den Sprung ins Neue wagen. Wenn diese Zugkraft stärker als unsere Angst ist, wird sie zum Elixier von Mutausbrüchen. Wo finden Sie Ihre Begeisterung? Wo können Sie nicht anders als zu wagen?

Mut zum Wandel können Unternehmen nicht anordnen, aber einen Nährboden bieten. Was wäre, wenn wir eine Gesellschaft von Beginnern, Neugierigen, Menschen mit Gestaltungslust wären?

Unser Mut ist eine Haltung. Er wird entscheiden, in welcher Zukunft wir arbeiten und leben, als Mensch, Organisation und als Gesellschaft.

 

Zum Weiterlesen:
[Werbung] Simone Gerwers (2021). Mutausbruch - Das Ende der Angstkultur. Zürich: Midas Verlag.

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