Mit präventivem Gesamtkonzept Burnout vorbeugen

Burnout-Prävention sollte mit einem psychologisch fundierten Gesamtkonzept erfolgen. Das betonen Sabine Siegl, Frank Jacobi und Ulrich Schübel vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Um berufsbedingten Burnout anzugehen, müssen zunächst die Symptome bestimmt und deren Häufigkeit eingeschätzt werden. Das präventive Gesamtkonzept sollte alle Unternehmensebenen und Akteure einbeziehen: Unternehmensleitung, Führungskräfte und Mitarbeitende.

Burnout: Begriff und Symptome

Der Begriff „Burnout“ wurde 1974 vom Psychotherapeuten Herbert Freudenberger geprägt. Dieser beschrieb damit eine depressionsähnliche Symptomatik infolge beruflicher Überlastung, vor allem bei Mitarbeitern in sozialen Berufen wie Lehrern oder Sozialarbeitern.

Laut „Internationaler statistischer Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD), die in Deutschland zur Krankheitsbestimmung eingesetzt wird, ist Burnout keine eigenständige Diagnose, sondern wird unter Faktoren aufgeführt, „die zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. Dort unter „Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ als „Ausgebranntsein“ oder „Zustand der totalen Erschöpfung“.

Nach Christina Maslach, der Mitbegründerin des diagnostisch häufig eingesetzten „Maslach Burnout Inventory“, ist arbeitsbedingter Burnout vor allem durch drei Charakteristika geprägt:

Sich völlig erschöpft fühlen. Man fühlt sich „unbändig erschöpft“, ohne jegliche Energie, gefühlsmäßig wie körperlich, zudem überarbeitet und überlastet. Erschöpfung ist das stressbezogene Element des Burnouts.

Sich von seiner Arbeit abgespalten erleben. Man betrachtet seine Arbeit und seinen Beruf zynisch, hat sich von seinen Tätigkeiten und Kollegen abgespalten, erlebt die Arbeit nicht mehr als erfüllend oder gar zu einem selbst gehörig. Abspaltung ist das zwischenmenschliche Element des Burnouts.

Nicht mehr leistungsfähig sein. Man merkt, dass man weniger als sonst leistet, unproduktiver ist, nicht mehr die gewohnte Qualität liefern kann. Obwohl man diesen Zustand ändern möchte, gelingt es nicht – nicht zuletzt wegen fehlender sozialer Unterstützung, mangelnden Ressourcen oder Entwicklungsmöglichkeiten. Leistungsunfähigkeit ist das Selbstbewertungselement des Burnouts.

Neben diesen psychischen Merkmalen können körperliche Symptome auftreten wie Herz-Kreislauf-Probleme, Hörsturz, deutlich spürbare Angstzustände oder Schlafstörungen.

Häufigkeit von Burnout

In einer neuen Studie des Robert-Koch-Instituts gaben 4,2 Prozent aller Befragten an, dass sie im Laufe ihres Lebens bereits unter einem Burnout-Syndrom litten (Lebenszeitprävalenz). 1,5 Prozent sagten, dass bei ihnen im vergangenen Jahr Burnout festgestellt worden sei (12-Monats-Prävalenz). 

Die höchste Lebenszeitprävalenz ergab sich für 50- bis 59-Jährige (6,6 Prozent), die höchste 12-Monats-Prävalenz für 40- bis 49-Jährige (2,5 Prozent).

Das bedeutet, dass in einem mittleren Unternehmen mit 250 Mitarbeitern durchschnittlich rund 4 Mitarbeiter im letzten Jahr unter Burnout litten. Eine doch eher kleine Zahl verglichen mit dem übergroßen Presse-Echo, das Burnout in der letzten Zeit fand.

Angesichts dieses Verhältnisses fordert Ulrich Schübel, Vorsitzender der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), dass zwar den potenziellen fünf Prozent Burnout-Betroffenen die volle Aufmerksam gilt, vor allem aber jene 95 Prozent unterstützt werden, die täglich dem zunehmenden Arbeitsdruck standhalten.

Gesamtkonzept gefordert

Ulrich Schübel, Frank Jacobi, Professor für Klinische Psychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin, und Sabine Siegl, Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologin und Präsidentin des BDP, standen gestern auf einer Pressekonferenz zum Thema Burnout-Prävention Rede und Antwort.

Der BDP plant mit Blick auf das Jahr des Arbeitsschutzes 2013, noch mehr Dienstleistungen wie Expertenvermittlung oder Infomaterialien für Unternehmen anzubieten, die ihr Gesundheitsmanagement verbessern wollen.

Alle drei Experten betonten, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz zugenommen hätten, die wiederum Burnout bedingten. So gäbe es mehr Zeitdruck, Informationsüberflutung, widersprüchliche Arbeitsanforderungen, geringe Gratifikation bei anspruchsvolleren Aufgaben. Mitarbeiter würden wenig an Entscheidungen beteiligt, und Ressourcen fehlten.

Um diese Belastungen einzudämmen, seien Einzelmaßnahmen wie ergonomische Möbel oder Gesundheitskurse unzureichend. Vielmehr müsse ein Gesamtkonzept entwickelt werden, das alle Ebenen im Unternehmen einbeziehe. Präventionsmaßnahmen gegen Burnout sollten auf Organisationsebene (Was kann die Unternehmensleitung tun?), Teamebene (Was können Führungskräfte tun?) und individueller Ebene (Was können Mitarbeiter selbst tun?) ansetzen.

Was kann die Unternehmensleitung tun?

Hinsichtlich Burnout-Eindämmung geht es zunächst um die Frage, welche Experten im Unternehmen damit beauftragt werden. Ulrich Schübel sieht neben Betriebsärzten oder Sicherheitsingenieuren vor allem Psychologen in der Pflicht, die eine arbeitspsychologische Perspektive einbringen. Sie könnten beeinträchtigende Arbeitsstrukturen, Stressfaktoren und psychische Belastungen am besten ausmachen.

Arbeitspsychologen sollten, was die gesamte Organisation der Arbeitsprozesse im Unternehmen angeht, drei Aspekte berücksichtigen:

  • die Arbeitsprozesse sollten transparent und verständlich sein
  • die Aufgaben sollten gut durchführbar und entsprechende Ressourcen gegeben sein
  • die Tätigkeiten sollten für den Mitarbeiter einen Sinn haben, er sollte wissen, welchem Zweck sein Engagement dient und welche Werte er damit schafft

Um ein kleines oder mittleres Unternehmen auf gesundheitsgefährdende Bedingungen hin zu durchleuchten, könnten beispielsweise Kurzworkshops zur Arbeitsanalyse durchgeführt werden, so Schübel. Diese dauerten zwei Tage, und das Ergebnis sei eine bedarfsgerechte Analyse der krankmachenden Faktoren im Unternehmen.

Was können Führungskräfte tun?

Ulrich Schübel weiß: „Führungskräfte sind beim Gesundheitsmanagement besonders gefordert.“ Sie sollten auf dem Weg zum „gesunden Betrieb“ in vier Bereichen Verantwortung übernehmen:

Arbeitsbedingungen. Chefs sollten gesunde Arbeitsbedingungen im Blick haben. Das setzt voraus, dass sie wirklich wissen, was ihre Mitarbeiter tun.

Gesundheitsförderung. Daneben könnten sie ihre Mitarbeiter konkret dazu anregen, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Das kann im Rahmen von firmeninternen Kursen oder Sportprogrammen geschehen.

Vorbildfunktion. Führungskräfte dürfen kein Wasser predigen und Wein trinken. Wenn sie für gesunde Arbeit einstehen wollen, sollten sie diese ihren Mitarbeitern vorleben: keine Überstunden-Exzesse, sportlicher Ausgleich, Entspannung und kreative Pausen.

Multiplikatoren. Und sie sollten sich im Unternehmen vernetzen und Gesundheitsagenten werden. Führungskräfte können neue Standards setzen, etwa dass Arbeit Spaß macht, dass man Arbeit neben dem Müßiggang als Kontrapunkt eines sinnstiftenden Lebens sieht.

Was können Mitarbeiter selbst tun?

Schließlich können auch Mitarbeiter selbst etwas für ihre Gesundheit tun, denn, so Schübel: „Die eigentlichen Experten für Gesundheit sind die Beschäftigten.“ Vor allem die Erholung nach der Arbeit sei wichtig.

Sabine Sonnentag, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Mannheim, hat ein Erholungstraining entwickelt, mit dem auch Beschäftigte üben können. Es betont folgende vier Komponenten:

Freizeit selbst bestimmen. Der Einzelne soll wieder Kontrolle über seine Freizeit erlangen und nicht auch noch seine private Zeit fremdbestimmt erleben. Hier helfen klare, kleine Ziele: „Wenn ich nach Hause komme, höre ich erst mal Musik.“

Von der Arbeit abschalten. Ganz wichtig ist es, nach der Arbeit einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Wer beruflich viel am Computer sitzt, sollte das nicht auch noch zu Hause tun. Andersartige Tätigkeiten können sein: ein Spaziergang, ein Telefonat mit Freunden oder etwas mit den Händen tun – basteln, kochen, schreiben.

Aktiv sein und Erfolgserlebnisse haben. Nicht nur Entspannung entspannt, sondern auch Aktivitäten mit kleinen Aha-Erlebnissen: Sport, etwas Neues lernen, ins Theater gehen. Auch wenn man müde und erschöpft ist, sollte man diese kleinen Mutmacher einplanen.

Entspannung und Schlaf. Um geistig und körperlich richtig zu entspannen, können Entspannungsmethoden helfen, z.B. die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen – mit einem Buch oder einem Seminar schnell gelernt. Außerdem sollte man sein eigenes Schlafverhalten beobachten und verbessern.

Burnout kann also nur mit einem Gesamtkonzept begegnet werden und das möglichst präventiv, bevor Mitarbeiter unter dem Arbeitsdruck zusammenbrechen. Dieses Gesamtkonzept entspricht am besten den vielfältigen, multikausalen Entstehungsbedingungen von Burnout, wie Frank Jacobi unterstreicht.

Literatur

Christina Maslach & Susan E. Jackson (1981). The Measurement of Experienced Burnout [PDF]. Journal of Occupational Behavior, 2, 99-113.

Verena C. Hahn and Carmen Binnewies, Sabine Sonnentag and Eva J. Mojza (2011). Learning How To Recover From Job Stress: Effects of a Recovery Training Program on Recovery, Recovery-Related Self-Efficacy, and Well-Being [Abstract]. Journal of Occupational Health Psychology, Vol. 16, No. 2, 202–216.

B.-M. Kurth (Robert Koch-Institut, Berlin). (2012). Erste Ergebnisse aus der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS) [PDF]. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 1-11.