So werden Sie den verschiedenen Rollen als Führungskraft gerecht

Wer eine Führungsposition anstrebt, sollte nicht nur an Faktoren wie Geld, Einfluss, Anerkennung und Status denken, denn fachliche Expertise reicht nicht aus. Führungskräfte vereinen zahlreiche Rollen in sich. Welche Rollen sind dies und wie können Sie mit den einhergehenden Herausforderungen umgehen?

Als Führungskraft ist man nicht „einfach nur“ Chef:in, sondern nimmt vielseitige Rollen ein: Führungskräfte sind Fach-Expert:innen, Manager, Leader, Entrepreneure und Coaches in einem. Mit diesen Rollen gehen verschiedene Aufgaben und Herausforderungen einher, deren Bewältigung mithilfe bestimmter Strategien besser gelingt.

Führung auf verschiedenen Dimensionen

Mittlerweile hat sich in vielen Unternehmen ein Führungsrollen-Modell etabliert, das von zwei grundlegenden Dimensionen ausgeht: Der Manager-Leader-Dimension, die 1964 von Blake und Mouton beschrieben wurde; und der Experte-Coach-Dimension, die sich aus der Art Hilfestellung ergibt, die eine Führungskraft gibt (vgl. Remen, 1999): Gibt sie eine Lösung für das Problem vor (fixing) oder unterstützt sie ihre Mitarbeitenden darin, das Problem selbst zu lösen (serving)? In der Praxis müssen Führungskräfte häufig auch noch eine wirtschaftliche Perspektive einnehmen, was die Entrepreneur-Rolle beschreibt. Im Folgenden werden die einzelnen Rollen genauer beschrieben.

Die Rolle als Expert:in

Fachliche Fähigkeiten und Expertise sind in der Regel ausschlaggebend für eine Beförderung. Das „Peter-Prinzip“ (Peter, 1969) besagt, dass in einer Hierarchie jedes Mitglied so lange aufgrund seiner Fachkompetenz befördert wird, bis es die für eine weitere Beförderung erforderliche Kompetenz nicht mehr aufweist. Heute bleiben Führungskräfte die fachlichen Ansprechpersonen ihrer Mitarbeitenden, auch wenn sich die Inhalte oder Themenfelder im Laufe der Zeit verändern. Damit Vorgesetzte das Team in dieser Rolle weiterhin unterstützen können, müssen sie sich beständig fachlich weiterbilden. Auch wenn Führungskräfte nicht die absoluten Expert:innen sein müssen, sollten sie doch die fachlichen Herausforderungen ihrer Mitarbeitenden verstehen und deren Vorschläge einschätzen können.

Die Rolle als Manager

Führungskräfte sorgen in der Managerrolle dafür, dass „das Uhrwerk tickt“. Sie organisieren ihren Verantwortungsbereich, steuern Prozesse, planen Ressourcen und stimmen sich mit anderen Organisationseinheiten ab. In Bezug auf die Menschen in ihrem Team steht bei dieser Rolle die Funktion im Vordergrund – der Mensch ist Ressource und soll in erster Linie die ihm zugedachte Aufgabe erfüllen.

Vielen ist klar, dass sie als Führungskraft Management-Aufgaben übernehmen – steht der Titel „Manager“ ja oft sogar in der Stellenbezeichnung. Ihnen ist bewusst, dass sie nun Menschen „unter sich“ haben, die geführt werden müssen. Neben der Aufgaben- und Urlaubsplanung umfasst das aber auch, sich mit den Menschen selbst zu beschäftigen. Dieser Punkt ist manchen erstmal nicht klar – oder wird es erst, wenn es Probleme gibt, z. B. wenn eine Führungskraft zwar hervorragend Projekte managen kann, aber der psychologische Umgang mit Menschen ihr schwerfällt, da sie die Menschen sie nur interessieren, insofern sie ihre Funktion erfüllen.

Die Rolle als Leader

In der Leaderrolle geht es um Menschenführung und den erfolgreichen Umgang mit den Teammitgliedern, sodass alle zufrieden und motiviert ihren Tätigkeiten nachgehen können. Leadership meint also auch „People Business“: Leiten, begeistern, Engagement fördern und sich manchmal auch um die persönlichen Belange der Teammitglieder kümmern. Eine Rolle, die wohl die meisten Herausforderungen mit sich bringt.

Führungskräfte müssen mit Menschen umgehen können und wollen. In der Realität kommt es jedoch häufig vor, dass Menschen zwar Führungskraft sein und etwas bewegen wollen, die Leadership-Rolle aber eigentlich nicht wollen. Die tägliche Auseinandersetzung mit Menschen und deren Belangen liegt vielen einfach nicht, was viele jedoch erst nach der Beförderung merken.

Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken: In den Unternehmen sollte vor einer Beförderung transparent darüber gesprochen werden, dass es die Manager-Position nicht ohne Leadership gibt, und welche Kompetenzen erforderlich sind. Im Zweifel können diese dann begleitend zur Führungsposition erweitert und gestärkt werden.

Die Rolle als Entrepreneur

In dieser Rolle sollten Führungskräfte beginnen, geschäftlich zu denken: „Rentiert sich das?“, „Wie können wir das Produkt ausweiten?“, „Wie können wie die Produktlinie an einen bestimmten Markt anpassen?“, „Wie machen wir mehr Gewinn?“. Sie sind gefordert, kundenorientiert zu denken und die Profitabilität ihres Geschäftszweiges oder des Unternehmens zu erhöhen.

Hierbei geht es oft um unternehmerische Entscheidungen, die von großer Tragweite sind und mit viel Risiko einhergehen. Das kann für eine Führungskraft herausfordernd sein, vor allem, wenn sie vielleicht am Anfang der Karriere in einem großen Konzern steht und noch nicht mit solchen Themen konfrontiert wurde. Herausfordernd ist auch, dass man sich bei diesen Themen meist keine Expertenmeinung einholen kann und keine Gesprächspartner:innen auf Augenhöhe findet, um die Situation neutral und vertraulich zu besprechen. Vielen hilft hier ein externes Coaching, in dem man schwierige Entscheidungen reflektieren und einfach mal „laut denken“ kann. 

Die Rolle als Coach

In der Coachingrolle geht es als Führungskraft darum, die Mitarbeitenden zu befähigen und zu empowern, so dass sie sich weiterentwickeln und Herausforderungen eigenständig lösen können – vielleicht sogar bis zu dem Punkt, an dem Mitarbeitende merken, was alles in ihnen steckt, und sich plötzlich (mehr) zutrauen.

In der Komplexität der heutigen Arbeitswelt ist es zwar unmöglich, dass eine Führungskraft Expert:in für jede Herausforderung ihrer Teammitglieder ist. Sie sollte aber in der Lage sein, Mitarbeitende dabei zu unterstützen, eigenständig Lösungen zu finden. Das erfordert neben der Fachexpertise definitiv auch Coaching-Kompetenzen.

Ein Beispiel: Eine Situation im Kundenkontakt gestaltet sich schwierig und der oder die Mitarbeitende wendet sich an die Führungskraft. Im traditionellen Führungsverständnis würde die Führungskraft die Situation lösen oder genau vorgeben, wie es geht. Sie würde als Expert:in auftreten. Das Problem: Vermutlich hat die Führungskraft genau diese Situation selbst noch nicht erlebt und kann daher eigentlich nicht als Expert:in auftreten.

Eine Führungskraft mit Coaching-Kompetenzen würde dagegen z. B. fragen: „Was könnten Sie in dieser Situation machen?“ oder „Wenn Sie selbst Kund:in bei uns wären, was würden Sie sich jetzt von uns wünschen?“. So führt sie die Mitarbeitenden langsam dahin, selbst eine Lösung zu finden.

Fazit: Die richtige Balance finden

Die fünf verschiedenen Rollen implizieren keine Hierarchie. Jede Führungskraft steckt immer gleichzeitig in diesen Rollen, auch wenn sie sich manchmal nicht jeder Rolle bewusst ist oder nur die Rolle voll ausfüllt, die ihr am vertrautesten ist.

Um allen Rollen gerecht zu werden, hilft es, sie sich als „Balance-Board“ vorzustellen, auf dem jede Führungskraft ihre Balance halten muss. Dazu ist es manchmal notwendig – je nach Mitarbeitenden und Situation – die eine Rolle mehr in den Fokus zu nehmen und manchmal die andere. Grundvoraussetzung dafür ist es, alle Rollen prinzipiell besetzen zu können. Dieses „in der Balance bleiben“ ist nicht einfach und kostet manchmal viel Energie, zumal die eine oder andere Rolle auch erst gelernt und entwickelt werden muss.

Vorausschauende Unternehmen, die sich dem Wert ihrer Mitarbeitenden und damit auch dem Wert „guter“ Führung bewusst sind, fördern und entwickeln ihre Führungskräfte. Nicht in einem schnellen eintägigen Führungsworkshop, sondern sie unterstützen sie in einem ständigen Entwicklungsprozess, in dem Schulungen, kollegialer Austausch und Unterstützung durch externe Business-Coaches die Regel sind. Unternehmen, die an motivierten und zufriedenen Mitarbeitenden interessiert sind, investieren in die Entwicklung ihrer Führungskräfte in allen fünf Rollen, sodass diese stabil und flexibel ihre verschiedenen Führungsrollen ausüben können.

Literatur

Blake, R., & Mouton, J. (1964). The managerial grid: The key to leadership excellence. Houston: Gulf Publishing Co, 350.

Peter, L. J., & Hull, R. (1969). The peter principle (Vol. 4). London: Souvenir Press.

Remen, R. N. (1999). Helping, fixing or serving. Shambhala Sun, 207.

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