Warum Resonanz für das zukünftige Arbeiten unerlässlich ist
Resonanz bedeutet Lebendigkeit und Austausch. Warum und wie Unternehmen und Führungspersonen den Arbeitnehmenden Resonanz am Arbeitsplatz ermöglichen sollten und welche Rolle Kommunikation und Sicherheit dabei einnehmen, erläutern die Buchautorinnen Anna Jantscher (AJ) und Nicole Lauchart-Schmidl (NL) im Interview.
Was ist Resonanz und welche Rolle spielt sie am Arbeitsplatz?
AJ: Resonanz ist die Art und Weise, in der Welt zu sein. Der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt, wie unsere Welt an Geschwindigkeit gewinnt und immer voller wird, aber zugleich verstummt und an Tiefe und Lebendigkeit verliert. In der Folge suchen wir nach Sinn und Berührung, nicht nur im Privaten, sondern auch im Beruflichen. Auch am Arbeitsplatz wollen wir Sinnerfüllung und Selbstwirksamkeit durch unser Tun erleben und lebendiger Teil der Organisation sein. Kurz gesagt: Wir suchen nach Resonanz. Diese umfasst drei Kriterien: Ich werde erreicht, ich antworte darauf, und es findet Transformation statt.
Ist das Bedürfnis nach Resonanz ein modernes Phänomen?
NL: Zwar sind Resonanzerfahrungen ein menschliches Bedürfnis, aber im Laufe des Lebens nimmt ihr Stellenwert ab; ständig in Resonanz zu sein ist unmöglich. Das trifft auch auf den Arbeitskontext zu. Hier hat ihr Stellenwert über die Zeit zugenommen, weil heutzutage im Job außer Körperkraft auch Kreativität oder Emotionen gefragt sind.
AJ: Zudem steigt das Bedürfnis nach Resonanz durch die globale Vernetzung, weil wir zwar immer mehr tun können, aber unser Tun zugleich an Bedeutung verliert.
Warum sind die Resonanzerfahrungen der Angestellten für Unternehmen relevant?
NL: Unternehmen geht es neben dem Gewinn auch um Adaptionsfähigkeit. Eine kontinuierliche Transformation der Organisation setzt jedoch Resonanz voraus, da diese immer zu Transformation führt.
Welche Anforderungen stellt die Schaffung von Resonanz an Führungskräfte?
NL: Die Führungskraft hat eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, wie Mensch und Organisation in Beziehung treten. Sie ist Respräsentant:in der Organisation und hat die Verantwortung, die Ziele und Bedarfe der Organisation und die Bedürfnisse der Menschen auszubalancieren. Auch sollte sie für ihre Mitarbeiter:innen erreichbar sein und in einen Dialog treten.
In diesem Kontext ist die Art der Kommunikation sicherlich entscheidend.
NL: Absolut. Kommunikation ist für einen echten Austausch zentral. Weiterhin ist wichtig, was und wann Führungspersonen als Sprecher:innen der Organisation dem Personal mitteilen, wenn z. B. ein Zukauf im Unternehmen erfolgt. Führungskräfte sollten an die altbekannte Daumenregel denken: Fünfmal mehr kommunizieren als scheinbar nötig.
AJ: Ein anderes Stichwort sind Change Stories, welche sich Führungskräfte für Veränderungsprozesse zurechtlegen, weil sie ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle geben. Doch darum geht es nicht. Es braucht vielmehr einen echten Dialog und die Abgabe von Kontrolle. Gute Kommunikation bedeutet, nicht nur zu senden, sondern sich wirklich erreichen und verändern zu lassen von dem, was zurückkommt.
Und was verhindert Resonanz am Arbeitsplatz?
AJ: Zwang und Angst. Durch sie kann man nicht mehr frei und selbstwirksam agieren, da man sich unter Angst nicht erreichen lassen, sondern schützen möchte. Eine Führungskraft sollte daher eine Atmosphäre psychologischer Sicherheit schaffen.
Wie können Unternehmen und Führungskräfte eine solche Atmosphäre herstellen?
NL: Wenn psychologische Sicherheit fehlt, verstummt die Beziehung und ist nicht mehr lebendig. Entscheidend ist hierbei das Team: Ist es möglich, frei die eigenen Gedanken zu äußern, Fehler zuzugeben oder die eigene Expertise einzubringen? Damit alle in Gesprächs- und Feedbackrunden zu Wort kommen, können Unternehmen z. B. auf Redezeiten achten oder eine:n Moderator:in einsetzen.
AJ: Generell muss die Führungskraft einen Raum für das freie Äußern von Beobachtungen schaffen, in dem Teams keine Zurückweisung befürchten müssen. Herrscht stattdessen Autoritätshörigkeit vor, werden Probleme womöglich nicht rechtzeitig mitgeteilt oder erkannt. Insbesondere in volatilen Umfeldern muss man die Fühler draußen haben und Beobachtungen mitteilen können.
Zugleich müssen Führungskräfte die Leistung sicherstellen. Steht das nicht im Widerspruch zum Aufbau psychologischer Sicherheit?
AJ: Nein. Auch wenn ein:e Mitarbeiter:in nicht die erwartete Leistung erbringt, sollte zunächst ein Gespräch stattfinden, um vorurteilsfrei die jeweiligen Sichtweisen zu verstehen. So kann gemeinsam eruiert werden, wo das Problem liegt, und nach Lösungen gesucht werden, z. B. in Form von Trainings oder kürzeren Feedbackiterationen.
NL: Außerdem arbeiten Menschen mit mehr Freude für ihr Unternehmen, wenn sie dabei Resonanz erfahren, was höhere Leistungen und Gesundheit begünstigt.
Bedeutet Resonanzförderung stets, Angestellten mehr zuzuhören?
NL: Ja, insbesondere wenn es um die Resonanz von Mensch zu Mensch geht. Es gibt aber auch eine Resonanzachse zur eigenen Arbeit. Wenn jemand z. B. etwas tischlert, kann er oder sie sehr resonant sein mit dem Material. Die Führungskraft und die Arbeitsatmosphäre sind zwar maßgeblich für Resonanz, aber die Arbeit ebenfalls, obgleich Organisationen darauf weniger Einfluss haben.
Gelingt bestimmten Unternehmen die Schaffung von Resonanz leichter als anderen?
NL: Resonanz kann in jeder Organisation, vom großen Konzern zum kleinen Start-up, stattfinden. In Start-ups sind eventuell die Bedingungen günstiger, weil ein direkter Austausch stattfindet und die Unternehmensziele präsenter sind. Aber in den einzelnen Konzernabteilungen kann dies ebenso der Fall sein. Wichtig ist eher die Art des Umgangs miteinander sowie die Bereitschaft, sich erreichen zu lassen, zuzuhören und in die Wirksamkeit zu gehen.
Wird Resonanz in Zukunft an Relevanz gewinnen?
AJ: Definitiv, gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels oder der pandemiebedingten Isolation und Entfremdung vom Arbeitsplatz. Unternehmen sollten Resonanzräume schaffen, in denen Mitarbeitende etwas bewirken können und Antwort erfahren, sodass zwischen ihnen und der Organisation ein „vibrierender Draht“ entsteht. Resonanz macht die Beziehung zwischen Mensch und Organisation lebendig und ermöglicht beiden Seiten die Entfaltung ihres vollen Potentials.
NL: Ohne diesen vibrierenden Draht verstummt die Beziehung von Mitarbeiter:innen zur Organisation, was der Eintritt zur inneren Kündigung ist. Menschen wollen in der Organisation lebendig sein und das kommt dem Unternehmen gleichermaßen zugute.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wir sprachen mit:
Anna Jantscher hat als Betriebswirtin im Personalmanagement gearbeitet, bevor sie sich für die Begleitung und systemische Beratung von Menschen und Organisationen entschied. Heute ist sie Managing Partnerin der Beratergruppe Neuwaldegg.
Nicole Lauchart-Schmidl war sowohl in der psychosozialen Beratung als auch im Personalmanagement tätig. Seit mehr als 20 Jahren berät und begleitet sie Menschen und Organisationen bei Veränderungsprozessen. Als systemische Organisationsberaterin ist sie bei Neuwaldegg tätig.
Zum Weiterlesen:
[Werbung] Jantscher, A. & Lauchart-Schmidl, N. (2021). Being in Organizations. Die Beziehung zwischen Mensch und Organisation lebendig gestalten. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.