Selbstfürsorge: Warum die Motivation von innen kommen sollte
Wer kennt das nicht? Das neue Jahr beginnt und damit die guten Vorsätze: „Ich müsste mehr Sport machen.“, „…mich gesünder ernähren.“, „…früher ins Bett gehen“ oder „Ich sollte wirklich ein bisschen achtsamer mit mir selbst sein und mich nicht so stressen“. Wir kennen die Argumente für mehr Selbstfürsorge und wissen, dass wir unserem Geist und Körper viel Gutes tun können. Dennoch finden wir immer wieder Gründe, warum wir uns erst morgen darum kümmern können. Prof. Dr. Madiha Rana und Psychologin Lotte Bock erläutern, warum das so ist und wie wir uns selbst und die Menschen um uns herum motivieren und befähigen können, mehr auf uns selbst zu achten.
Mehr Selbstfürsorge: Weil ich muss oder weil ich möchte
Oft handeln wir, weil die Umwelt uns vorschreibt, dass wir handeln müssen oder sollen. Das Problem liegt nicht im Handeln selbst, sondern darin, dass wir uns in diesem Fall allein von äußeren Faktoren motivieren lassen. Langfristige Motivation für Selbstfürsorge entsteht jedoch viel eher durch intrinsische Motivation. Extrinsische und intrinsische Motivation beziehen sich auf unterschiedliche Antriebsquellen oder Motivationsfaktoren, die das Verhalten einer Person beeinflussen.
Extrinsische Motivation bezieht sich auf äußere Anreize oder Belohnungen, die eine Person dazu motivieren, eine bestimmte Handlung auszuführen. Auch die Aussicht auf Anerkennung oder materielle Vorteile eines Bonusprogramms im Betrieb können eine extrinsische Motivation darstellen. Eine Person könnte sich aus extrinsischen Gründen um ihre Selbstfürsorge kümmern. Zum Beispiel, weil der Arzt dazu auffordert oder weil sie sich Belohnungen wie Däumchen oder Herzchen aus den sozialen Medien erhofft.
Im Gegensatz zur extrinsischen Motivation bezieht sich die intrinsische Motivation auf innere Anreize, die von persönlichem Interesse, Freude oder dem Wunsch nach persönlichem Wachstum getrieben werden. Eine intrinsisch motivierte Person sorgt für sich selbst, weil sie beispielsweise Freude an körperlicher Aktivität hat, sich persönlich weiterentwickeln möchte oder eine Diskrepanz zwischen ihren Werten und ihrem Verhalten erkennt.
Im beruflichen Kontext spielt die Motivation zur Selbstfürsorge eine wichtige Rolle (Becker, 2018; Dahmer, 2022). Diese kann sowohl extrinsisch als auch intrinsisch sein und ist oft eine Kombination aus beidem. Mitarbeitende können sich durch äußere Anreize wie Lob, Anerkennung oder BGM-Prämien zunächst engagieren. Allerdings neigen sie eher dazu, diese gesunden Gewohnheiten langfristig beizubehalten, wenn sie persönliche Freude und intrinsische Befriedigung in der Selbstfürsorge finden. Leider ist es aber damit nicht immer getan.
Das Gehirn mag keine Veränderungen
Wir lieben Gewohnheiten, weil unser Gehirn stark auf die Beibehaltung von Gewohnheiten ausgerichtet ist. Verhalten und Gewohnheiten sind in den neuronalen Schaltkreisen des Gehirns verankert und es kostet viel Energie, einen neuen Schaltkreis zu etablieren. Es ist nicht unmöglich, wie uns die Neuroplastizität des Gehirns zeigt, aber es erfordert Geduld und Energie. Zwei Voraussetzungen, die das Gehirn nicht gerne mag. Denn es ist der größte Energieverbraucher im Körper und Veränderungen bedeuten, dass es noch mehr Energie aufbringen muss. Zudem reagiert das Gehirn am stärksten auf Belohnungen und positive Verstärkung, die jedoch bei Veränderungen nicht immer sofort greifbar sind. Stattdessen müssen wir uns erst anstrengen, mit Verzicht klarkommen und lernen, Menschen zu enttäuschen. Das Belohnungszentrum im Gehirn findet das allerdings nicht so toll.
Schließlich gibt es auch eine gewisse Vertrautheit und Sicherheit im Gewohnten. Man arbeitet sich zwar zu Tode, hat Schlafprobleme und ein schwaches Immunsystem und gerät ggf. häufig in Konflikte mit der Partnerin/dem Partner. Aber genau das kennt das Gehirn und deswegen lässt man sich schwer für eine Veränderung motivieren.
Empowerment: Sehen, was auch da ist
Sollen wir uns nun zurücklehnen, dem Gehirn die Schuld geben und aufgeben? Das wäre eine Möglichkeit. Es gibt jedoch eine Alternative: Sich intensiver mit der Hardware des Gehirns zu beschäftigen und dies zu unserem Vorteil zu nutzen.
Das Gehirn verarbeitet unaufhörlich eine Unmenge an Informationen, von denen nur sehr wenige tatsächlich den Weg zum Bewusstsein finden. Stellen Sie sich vor, Sie betreten einen komplett dunklen Raum. Der Lichtschalter ist defekt und sie haben nur eine kleine Taschenlampe dabei. Wenn Sie sich in eine Ecke stellen und einen Fleck an der Wand beleuchten, könnte es den Anschein haben, dass das ganze Zimmer voller Flecken ist. Wenn Sie jedoch weitergehen und zum Beispiel ein schönes Gemälde entdecken, werden Sie feststellen, dass die Wand nicht nur hässlich ist. Sie wissen immer noch, dass die Wand einen Fleck hat. Doch Sie entscheiden sich für einen anderen Blickwinkel und nutzen das begrenzte Licht für die schöne Malerei. Mit anderen Worten sehen Sie, was auch da ist, und suchen sich bewusst Stellen aus, die Sie gerne beleuchten möchten.
In dieser Analogie finden wir eine wichtige Erkenntnis der neueren Motivationspsychologie, die empfiehlt, die vorhandenen Ressourcen bewusst wahrzunehmen und nicht nur die Fehler und Mängel. Denn egal worauf wir unsere Wahrnehmung richten, wird dies das Bild sein, das unser Selbstbild prägt: Menschen, die das Positive sehen und sich nicht nur auf das Fehlende konzentrieren, fühlen sich resilienter, selbstwirksamer und empowered. Diese Menschen reden darüber, was sie sehen wollen, und nicht, was sie nicht sehen wollen. Sie formulieren „Hinzu-Ziele“ und nicht „Weg-von-Ziele“.
Um diesen Blick zu trainieren, eignen sich sogenannte Skalenfragen:
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Bei Skalenfragen bewerten Sie auf einer Skala Ihre Meinungen, Gefühle oder Erfahrungen zu einem bestimmten Thema. Verwenden Sie zum Beispiel eine Skala von 1 bis 10, um Ihre Selbstfürsorge zu bewerten, wobei 10 für ‚gut' und 1 für das Gegenteil steht.
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Es geht nicht darum zu erforschen, wie die Einschätzung verbessert werden kann, sondern zu untersuchen, warum man sich nicht noch niedriger eingeschätzt hat.
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Wenn Sie z. B. die Frage „Wie bewerte ich meine Selbstfürsorge?“ mit 4 beantworten, fragen Sie sich als erstes, warum die Einschätzung nicht bei 2 oder 3 lag. Diese Fragestellung lenkt die Aufmerksamkeit auf die vorhandenen Ressourcen und trägt zum Empowerment bei.
Motivation durch eigene Erkenntnisse
Moderne Beratungs- und Therapieansätze, wie das Konzept der motivierenden Gesprächsführung, setzen auf diesen Ansatz (Miller & Rollnick, 2015). Ziel ist es, die intrinsische Motivation für Verhaltensänderungen zu fördern und dabei die individuellen Gründe für den gewünschten Verhaltenswandel zu stärken.
In der motivierenden Gesprächsführung lautet eine Kernaussage, dass Menschen eher von dem überzeugt werden, was sie selbst erkannt haben. Dies verdeutlicht den Unterschied zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation. Es macht einen großen Unterschied, ob mein Vorgesetzter mir sagt, dass ich am Wochenende keine E-Mails schreiben soll. Oder ob ich selbst erkenne, dass ich ein vorbildlicher Elternteil bin, wenn ich am Wochenende nicht arbeite.
Wenn ich selbst zu dieser Erkenntnis gelange, fühle ich mich wesentlich motivierter als durch die wohlgemeinten ‚müssen‘ und ‚sollen‘ anderer. Bestimmte Fragetechniken, die in die motivierende Gesprächsführung einbezogen werden, helfen, diese Erkenntnisse hervorzurufen.
Autonomie und Motivation
Eine weitere wichtige Aussage der motivierenden Gesprächsführung ist, dass Widerstand durch Druck erzeugt wird. Je mehr jemand versucht uns mit guten Argumenten zu motivieren, desto mehr strampelt das innere, bockige Kind in uns. Eine zentrale Bedingung für intrinsische Motivation ist der Zusammenhang zwischen Autonomie und Motivation:
Autonomie bezieht sich dabei auf das Ausmaß, in dem Menschen das Gefühl haben, Kontrolle über ihre eigenen Handlungen und Entscheidungen zu haben. Wenn Menschen ein hohes Maß an Autonomie erleben, haben sie das Gefühl, ihre Handlungen frei wählen zu können und dass ihre Entscheidungen mit ihren eigenen Werten und Interessen übereinstimmen. Dadurch steigt die intrinsische Motivation.
Wenn Menschen hingegen das Gefühl haben, dass äußerer Druck oder Zwang ihre Handlungen steuert (geringe Autonomie), kann dies die intrinsische Motivation beeinträchtigen. Externe Belohnungen oder überzeugende Argumente können kurzfristig motivieren. Langfristig kann dies jedoch zu einem Rückgang der intrinsischen Motivation führen.
Wann ist der beste Zeitpunkt, um mit Selbstfürsorge zu beginnen?
Wie der Dalai Lama sagte:
„Es gibt nur zwei Tage, an denen man nichts tun kann: gestern und morgen!“
Fangen Sie darum am besten heute an.
3 Tipps zur Motivation für mehr Selbstfürsorge:
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Üben Sie sich täglich darin, zu sehen, was bereits vorhanden ist, anstatt sich nur auf das zu konzentrieren, was besser sein könnte. Unterstützen Sie auch Ihre Mitarbeitenden dabei.
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Fragen Sie sich, was mehr Selbstfürsorge für Sie persönlich oder für Ihre Mitarbeitenden bedeuten würde. Wer würde sich darüber freuen? Wie würden Sie sich fühlen?
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Lernen Sie, Fragen zu stellen, die es Ihren Mitmenschen ermöglichen, selbst zu sagen, was sie für mehr Selbstfürsorge tun können.
Literatur
Becker, F. (2018). Mitarbeiter wirksam motivieren. Mitarbeitermotivation mit der Macht der Psychologie. Berlin, Heidelberg: Springer.
Dahmer, S. (2022). Resilienz-stärkende Persönlichkeitsentwicklung im Berufsalltag: Kreatives Schreiben als Methode zur Selbstfürsorge. Berlin, Heidelberg: Springer.
Miller, W. R., & Rollnick, S. (2015). Motivierende Gesprächsführung. Motivational Interviewing: 3. Auflage des Standardwerks in Deutsch. Freiburg: Lambertus.
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