Flow: Die Kunst, mit Leidenschaft und Konzentration zu arbeiten

Wenn wir im Flow sind, können wir uns ganz in eine Aufgabe vertiefen. Wir fühlen uns heraus-, aber nicht überfordert und sind mit Leidenschaft, Ausdauer und Kreativität dabei. Dieser Zustand von Mitarbeitenden ist nicht nur positiv für den Unternehmenserfolg, sondern auch gesundheitsförderlich. Wie können Sie mehr Flow-Erlebnisse im Job ermöglichen?

In der heutigen Arbeitswelt, die geprägt ist von ständiger Erreichbarkeit, Multitasking und hohem Leistungsdruck, sehnen sich viele Menschen nach Momenten der tiefen Konzentration und inneren Ruhe. Solche Momente beschreibt der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi mit dem Begriff „Flow“: Beim völligen Aufgehen in einer Tätigkeit vergessen wir die Zeit, blenden alles um uns herum aus und setzen unsere Fähigkeiten optimal ein. Laut Csikszentmihalyi (1990) sind Menschen im Flow „so in eine Tätigkeit involviert […], dass nichts anderes zu zählen scheint; die Erfahrung an sich ist so angenehm, dass man sie um jeden Preis machen würde, selbst wenn sie große Kosten verursacht“ (S. 4).  

Doch Flow ist mehr als nur ein angenehmes Gefühl. Zahlreiche Studien belegen, dass Flow-Erlebnisse positive Auswirkungen auf unsere psychische und physische Gesundheit haben. Neben Produktivität und Kreativität fördern sie auch die Arbeitszufriedenheit, das Engagement und das Wohlbefinden. Auch Bakker und Demerouti (2017) betonen, dass Flow-Erlebnisse positiv mit Arbeitsengagement, Jobzufriedenheit und psychischem Wohlbefinden korrelieren und gleichzeitig Stress und Burnout vorbeugen.

Die Neurobiologie des Flows

Was passiert im Gehirn, wenn wir im Flow sind? Neurologische Studien zeigen, dass im Flow-Zustand verschiedene Hirnregionen aktiviert werden, die für Aufmerksamkeit, Konzentration, Kreativität und Motivation zuständig sind. Laut Ulrich (2014) spielt der präfrontale Kortex – zuständig für planerisches Denken, Entscheidungsfindung und Arbeitsgedächtnis – eine zentrale Rolle. Gleichzeitig werden Areale, die für negative Emotionen, Selbstzweifel und Ängste verantwortlich sind, herunterreguliert. Forschende nehmen an, dass die synchronisierte Aktivität verschiedener Hirnregionen im Flow-Zustand zu einer effizienteren Informationsverarbeitung und einer gesteigerten kognitiven Leistungsfähigkeit führt (Shine et al., 2016). Im Flow sind wir also nicht nur glücklicher und zufriedener, sondern auch geistig leistungsfähiger.

Die psychologischen Voraussetzungen für Flow

Csikszentmihalyi (2014) hat mehrere psychologische Merkmale identifiziert, die für das Entstehen von Flow-Erlebnissen wichtig sind:

  • Klare Ziele: Wir müssen wissen, was wir erreichen wollen. Je klarer und konkreter unsere Ziele sind, desto leichter fällt es uns, uns auf die Aufgabe zu konzentrieren und in den Flow zu kommen.
  • Unmittelbares Feedback: Wir brauchen eine direkte Rückmeldung über unser Handeln. Nur so können wir lernen und uns verbessern. Feedback kann von außen kommen, z. B. durch Lob von Kolleg:innen oder Vorgesetzten, oder von innen, wenn wir selbst bei uns Fortschritte bemerken.
  • Balance zwischen Herausforderung und Fähigkeiten: Die Aufgabe darf weder zu einfach noch zu schwierig sein, damit wir uns weder langweilen noch überfordern. Die optimale Herausforderung liegt genau an der Grenze unserer Fähigkeiten.
  • Konzentration auf die Aufgabe: Alle Ablenkungen müssen ausgeblendet werden. Das fällt uns heutzutage besonders schwer, da wir ständig mit Reizen überflutet werden. Um in den Flow zu kommen, müssen wir lernen, unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren und ablenkende Gedanken und Gefühle loszulassen.
  • Verlust des Zeitgefühls: Im Flow-Zustand sind wir so vertieft, dass wir die Zeit vergessen. Stunden vergehen wie im Flug, was auch als „zeitlose Absorption“ bezeichnet wird.
  • Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein: Wir sind eins mit der Tätigkeit. Wir denken nicht mehr darüber nach, sondern tun es einfach. Unsere Handlungen fließen mühelos und intuitiv.
  • Gefühl der Kontrolle: Wir haben das Gefühl, die Situation zu beherrschen. Wir sind selbstwirksam und vertrauen auf unsere Fähigkeiten.
  • Intrinsische Motivation: Die Tätigkeit selbst ist Belohnung genug, sodass wir keine äußeren Anreize wie Geld oder Lob brauchen. Die Freude an der Tätigkeit selbst treibt uns an.

Flow-Erlebnisse im Arbeitsalltag

Flow-Erlebnisse sind nicht auf bestimmte Berufe oder Tätigkeiten beschränkt. Bakker (2011) hat gezeigt, dass Flow-Erlebnisse in verschiedenen Berufsgruppen auftreten können, von kreativen Berufen wie Künstler:innen und Musiker:innen bis hin zu Berufen im Gesundheitswesen, in der IT und im Management. Wichtig sind vor allem die individuellen Bedingungen und die Gestaltung der Arbeitstätigkeit.

Hier sind einige Beispiele für Flow-Erlebnisse im Job:

  • Eine Chirurgin, die während einer komplexen Operation völlig aufgeht und sich ganz auf die präzise Ausführung ihrer Handgriffe konzentriert.
  • Eine Programmiererin, die im „Flow“ einen eleganten Code schreibt und dabei die Zeit vergisst.
  • Ein Musiker, der sich beim Komponieren in einem kreativen Rausch befindet.
  • Ein Verkäufer, der ein anspruchsvolles Kundengespräch führt und die Kundin von einem Produkt überzeugt.
  • Eine Lehrerin, die in einer spannenden Unterrichtsstunde die Klasse für das Thema begeistert.
  • Eine Handwerkerin, die ein Möbelstück mit großer Sorgfalt und Präzision fertigt.
  • Ein Wissenschaftler, der im Labor eine neue Entdeckung macht und dabei ganz in seiner Forschung aufgeht.
  • Ein Projektmanager, der ein Team erfolgreich durch ein komplexes Projekt führt.

Die Vorteile von Flow-Erlebnissen

Flow-Erlebnisse haben zahlreiche positive Auswirkungen auf die Mitarbeitenden und das Unternehmen:

  • Höhere Produktivität und Kreativität: Im Flow-Zustand arbeiten wir konzentrierter, effizienter und kreativer. Wir sind in der Lage, in kürzerer Zeit mehr zu leisten, und kommen auf neue Ideen.
  • Verbesserte Arbeitszufriedenheit: Flow-Erlebnisse machen die Arbeit sinnvoller und erfüllender. Wir haben das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und unsere Fähigkeiten einzusetzen.
  • Gesteigertes Engagement und Motivation: Mitarbeitende, die regelmäßig im Flow sind, sind motivierter und engagierter, auch weil sie sich stärker mit ihrem Unternehmen identifizieren.
  • Reduzierter Stress: Flow-Erlebnisse helfen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern. Im Flow-Zustand sind wir so auf die Aufgabe konzentriert, dass wir keine Zeit haben, uns über Probleme Gedanken zu machen.
  • Verbesserte Lernfähigkeit: Im Flow-Zustand sind wir offener für neue Informationen und lernen schneller. Wir verstehen komplexe Zusammenhänge besser und eignen uns neues Wissen schneller an.
  • Stärkung des Selbstwertgefühls: Flow-Erlebnisse geben uns das Gefühl, etwas Wertvolles zu leisten. Wir sind stolz auf unsere Arbeit und fühlen uns kompetent und selbstwirksam.

Salanova et al. (2012) haben gezeigt, dass Flow-Erlebnisse am Arbeitsplatz zu einer höheren Arbeitszufriedenheit, einem stärkeren Engagement und einer geringeren emotionalen Erschöpfung führen. Flow ist also nicht nur gut für Mitarbeitende, sondern auch für das Unternehmen.

Wie können Unternehmen Flow-Erlebnisse fördern?

Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen spielt eine entscheidende Rolle für die Entstehung von Flow-Erlebnissen. Keller und Blomann (2018) betonen die Bedeutung von:

  • Klar definierten Zielen: Mitarbeitende müssen wissen, was von ihnen erwartet wird und welche Ziele sie erreichen sollen.
  • Autonomie und Handlungsspielraum: Mitarbeitende sollten die Möglichkeit haben, ihre Arbeit selbstständig zu organisieren und Entscheidungen zu treffen.
  • Regelmäßigem Feedback: Mitarbeitende brauchen regelmäßig Feedback zu ihrer Arbeit, um ihre Fortschritte zu erkennen und aus ihren Fehlern zu lernen.
  • Entwicklungsmöglichkeiten: Mitarbeitende sollten die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln und neue Herausforderungen anzunehmen.

Die Passung zwischen Aufgabe und Fähigkeit wird von Führungskräften, HR-Abteilungen, agilen Teams oder aber den Mitarbeitenden selbst organisiert. Führungskräfte und HR sorgen für gezielte Aufgabenverteilung und Weiterbildung, während agile Teams Aufgaben flexibel an individuelle Stärken anpassen. Mitarbeitende tragen durch Selbstreflexion und Weiterentwicklung zur optimalen Passung bei.

Flow und die Zukunft der Arbeit

Flow kann uns helfen, mit den Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt besser umzugehen, unsere Produktivität und Kreativität zu steigern und unsere Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Indem wir die Bedingungen für Flow schaffen, können wir nicht nur unsere eigene Leistungsfähigkeit und Kreativität steigern, sondern auch dazu beitragen, dass Arbeit wieder mehr Sinn und Erfüllung stiftet.

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