Warum Führungskräfte auch moralische Vorbilder sind

Spätestens seit den Skandalen um Wirecard und VW ist unethisches Verhalten zugunsten von Unternehmen ein bekanntes Problem. Eine zentrale Rolle beim Zustandekommen von unmoralischen Verhaltensweisen spielen Führungskräfte und Vorgesetzte, die mit ihrem Verhalten Wertestandards setzen. Eine Studie hat diesen Einflussfaktor genauer untersucht und aus ihren Erkenntnissen Präventionsstrategien abgeleitet. 
 

Angestellte, die sich mit ihrem Unternehmen identifizieren und hoch motiviert für dessen Erfolg einsetzen, sind in Organisationen gerne gesehen. Doch wie gehen Sie damit um, wenn Ihre Mitarbeiter:innen zu ethisch verwerflichen Strategien greifen, um dem Unternehmen zu nutzen?

Was ist UPB?

Die Forschung bezeichnet unethische Verhaltensweisen, die im Interesse der Organisation ausgeführt werden, als UPB (engl.: unethical pro-organizational behavior; Umphress & Bingham, 2011). Entscheidend sind dabei die Intention, dem Unternehmen zu nützen, und der Verstoß gegen geltende Gesetze oder gesellschaftliche Normen und Werte. Mitarbeiter:innen gehen entweder aktiv (z. B. durch das Verbreiten falscher Informationen) oder passiv (z. B. durch das Verschweigen negativer Produkteigenschaften) vor (Umphress, Bingham & Mitchell, 2010).

Warum ist UPB problematisch?

Da UPB dem Unternehmen dienen soll, kann es – anders als bei unternehmensschädigendem Verhalten – für Sie schwierig sein, es zu erkennen (Nguyen, Zhang & Morand, 2021). Trotzdem sollten Sie unethische Aktionen unterbinden, da sie den Regeln und Werten der Gesellschaft und der Organisation zuwiderlaufen sowie den Ruf Ihres Unternehmens gefährden (Cialdini, Petrova & Goldstein, 2004).

Unethisches Führungsverhalten findet Nachahmung

Nguyen et al. (2021) haben in einer Studie untersucht, ob und über welche Mechanismen unethisches Verhalten von Vorgesetzten die Angestellten zu UPB veranlasst. Insgesamt analysierten sie die Angaben von 29 Führungskräften (48 % männlich) und 200 Angestellten (40,5 % männlich) in Vietnam. Die Führungspersonen waren im Durchschnitt 38, die Beschäftigten 31 Jahre alt. Zunächst wurde das UPB auf der Führungsebene erfragt. Nach einer Woche folgten Befragungen der Beschäftigten zur Qualität der Beziehung zu den Vorgesetzten und zu ihren moralischen Sichtweisen. Vier Wochen später wurde die Bereitschaft der Angestellten zu UPB erhoben. Die Befunde zeigten, dass unethisches Verhalten der Führung mit der Bereitschaft der Angestellten zu unmoralischem Vorgehen zusammenhing.

Eine Chefin und eine Angestellte laufen durch den Flur.

Angestellte mit einer guten Beziehung zur Führungskraft halten sich eher an deren moralische Vorgaben. (Foto: LinkedIn Sales Solutions – Unsplash.com) 

Welche Faktoren begünstigen UPB?

In Anlehnung an Banduras Soziale Lerntheorie (Bandura & Walters, 1977) gehen Nguyen et al. (2021) davon aus, dass Arbeitnehmende von dem Verhalten der Führungspersonen ableiten, welche Verhaltensweisen akzeptiert, gewünscht und belohnt werden (Brown et al., 2005). Zusätzlich wurden in der Studie drei weitere Faktoren identifiziert, die die Wechselwirkung von unethischem Führungs- und Mitarbeiterverhalten beeinflussen:

  1. Als moralische Loslösung beschreibt Bandura (1986) einen Mechanismus, mit dem Menschen ihre Selbstregulation zur Unterdrückung unethischen Verhaltens aussetzen, und somit ungeachtet eigener moralischer Normen und Selbstbestrafungen handeln. Nguyen et al. (2021) beobachteten, dass Arbeitnehmende, deren Vorgesetzte sich unethisch verhielten, auch stärker zu moralischer Loslösung neigten. Moralische Loslösung steigerte wiederum den Zusammenhang zwischen UPB auf Führungs- und Personalebene.

  1. Eine hohe Qualität der Beziehung zu Vorgesetzten gibt den Vorgesetzten mehr Einfluss auf die Angestellten (Sparrowe et al., 2006). Passend dazu fanden Nguyen et al. (2021) heraus, dass Arbeitnehmende bei einer hohen Beziehungsqualität stärker zu moralischer Loslösung tendieren, was wiederum UPB begünstigt. Womöglich sind Angestellte bei einer guten Beziehung motivierter, dem Unternehmen ebenfalls von Nutzen zu sein, und greifen dafür auch eher zu moralisch fragwürdigen Mitteln (Pierce & Aguinis, 2013).

  1. Ethischer Relativismus meint, dass man universelle ethische Prinzipien ablehnt und moralische Entscheidungen je nach Situation und Kontext trifft (Forsyth, 1980). Menschen mit dieser Neigung waren in der Studie stärker zu UPB bereit.

Wie können Sie UPB unterbinden?

Um ethische Prinzipien im Unternehmen zu etablieren und in der Praxis umzusetzen (Martin & Woldring, 2001), ist Human Resource Management essenziell. Nguyen et al. (2021) empfehlen drei Ansätze, die eine HR-Abteilung verfolgen kann, damit UPB weniger vorkommt:

  1. Training und Führungskräfteentwicklung

Angesichts der Studienergebnisse wird deutlich, dass unethisches Verhalten in der Führungsriege auf die unteren Ebenen abfärbt. Schulungen und Trainings für Führungskräfte zu ethischer Führung allgemein und zu den unternehmenseigenen Werten sind also sinnvolle Maßnahmen. Den Angestellten wird durch eine ethisch vorbildliche Führung vermittelt, dass UPB keine probate Vorgehensweise ist.

  1. Bewusstsein

Ebenfalls sollten Sie ein Bewusstsein für die Problematik des unmoralischen Verhaltens schaffen. Führungskräfte müssen ihren Einfluss auf das Verhalten ihrer Angestellten erkennen und entsprechend dieser Verantwortung besonders auf ethisch einwandfreies Verhalten achten.

  1. Klare Kriterien für Beförderungen

Ein weiterer Ansatzpunkt sind klare Kriterien und Methoden bei der Bewertung der Leistungen von Arbeitnehmenden und der Entscheidung über Beförderungen. Wenn Sie unethisches Verhalten im Sinne der Organisation nicht belohnen (z. B. durch eine Beförderung), sondern vielmehr verurteilen und mit Nachteilen verknüpfen, beziehen Sie eine klare Position und senken dadurch das Risiko für UPB.

Obwohl UPB mit der Absicht ausgeführt wird, der Organisation zu nützen, sollten Sie derartiges Verhalten unterbinden, weil es gegen Werte und Regeln verstößt sowie Schaden verursachen und den Ruf verschlechtern kann. Eine Schlüsselrolle nehmen Führungskräfte ein, die durch ihr Handeln ethische Standards setzen. Beginnen Sie daher mit Interventionen auf der obersten Ebene.

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