Gesundes Arbeiten: Warum ein Yogakurs allein nicht reicht

BGM – das klingt oft erstmal nicht so sexy. Doch für den Unternehmenserfolg sind Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden der Beschäftigten mitentscheidend. Dabei sind die steigende Arbeitsdichte durch den Fachkräftemangel sowie Veränderungen innerhalb und außerhalb von Unternehmen nur zwei der Faktoren, die insbesondere für die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden und auch Führungskräften zur Belastung werden können. Welche Themen im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) aktuell besonders bedeutsam sind, welche dies in den kommenden 3 Jahren sein werden und v. a. welche konkreten Schritte sich für Unternehmen daraus ableiten lassen – das untersuchte eine der größten Studien, die es in Deutschland zum BGM gibt.

 

Mit der Studie „#whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“ präsentiert die Techniker Krankenkasse (TK) in Kooperation mit dem Personalmagazin (Haufe Gruppe) und dem Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) nun die dritte #whatsnext-Studie in Folge. Lag der Schwerpunkt 2017 und 2020 noch beim gesunden Arbeiten in der digitalen Arbeitswelt, liegt er nun auf dem hybriden Arbeiten, das – wie es schon das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO bezeichnete – gekommen ist, um zu bleiben (Fraunhofer IAO, 2022).

Wer sich an der Studie beteiligte

An der aktuellen #whatsnext-Studie beteiligten sich 1.098 Organisationen, davon (privat-) wirtschaftliche Unternehmen mit 69,3 Prozent und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes mit 26,5 Prozent – wobei sich in Bezug auf die Größe der Organisationen zeigt, dass anteilig vor allem Großorganisationen mit mehr als 1.000 Beschäftigten (29,7 %) und mittlere Organisationen mit 50 bis 249 Beschäftigten (26,8 %) an der Studie teilnahmen.

Mit der Befragung sollten mehrheitlich Personal- und Gesundheitsverantwortliche, aber auch Geschäftsführende erreicht werden, was gelungen ist: Vier von zehn Befragten sind Personal- (40,2 %), ein weiteres knappes Drittel Gesundheitsverantwortliche (31,0 %) und weitere 6,2 Prozent befinden sich in der Geschäftsführung.

Umsetzung von BGM-/BGF-Maßnahmen in den befragten Organisationen

Ein Großteil der teilnehmenden Organisationen setzt bereits Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) um; nur eine von zwölf Organisationen (8,4 %) gibt an, gar keine Maßnahmen in diesem Bereich anzubieten. Die von den rund 90 Prozent der Organisationen umgesetzten Maßnahmen variieren jedoch stark:

  • Ein Drittel der Organisationen (31,7 %) bietet bisher nur einzelne BGF-Maßnahmen an, während ein knappes weiteres Drittel (29,5 %) angibt, BGF-Maßnahmen umzusetzen und aktuell im Aufbau eines BGM zu sein. Besonders häufig werden Angebote in den Bereichen Arbeitssicherheit, Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sowie Betriebliches Versorgungsmanagement gemacht.
  • Über ein Viertel (27,0 %) hat bereits ein ganzheitliches BGM in der Organisation etabliert.  Damit ist ein Gesundheitsmanagement gemeint, das auf allen Ebenen der Betriebsführung wirkt – also auf den Ebenen Individuum, Organisation, Umwelt und Arbeitsbedingungen – und sich außerdem am klassischen Managementprozess orientiert, der sich von der (Bedarfs-) Analyse über die Umsetzung daraus abgeleiteter Maßnahmen bis hin zur Evaluation erstreckt. Mit dem Yogakurs allein ist es im Hinblick auf ein ganzheitliches BGM demnach nicht getan.

BGM-Themen: An der psychischen Gefährdungsbeurteilung hapert es noch

Themen rund um die psychische Gesundheit der Beschäftigten werden von den Befragten zukünftig zwar als enorm relevant angesehen. Dennoch hapert es weiterhin bei der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nach §5 ArbSchG. Aktuell wird sie erst von 51,5 Prozent der befragten Organisationen durchgeführt, wobei sich diese Zahl seit 2020 kaum verändert hat: dort waren es 50,3 Prozent der damals knapp 1.200 befragten Organisationen.

Besonders fällt an den Ergebnissen auch auf, dass sich die Themen BEM, die besagte Psychische Gefährdungsbeurteilung sowie Sucht von Befragten in Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes als bedeutsamer eingeschätzt werden als von (privat-) wirtschaftlichen Unternehmen. Diese schreiben wiederum den Themen New Work und dem Kennzahlenmanagement eine höhere Bedeutung zu.

BGM und BGF: Entwicklungen und Trends

Damit Organisationen das BGM und die BGF zielführend weiterentwickeln können, ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Entwicklungen und Trends von großer Bedeutung. Die Künstliche Intelligenz erfährt unter den Befragten den höchsten Bedeutungszuwachs und insbesondere für (privat-) wirtschaftliche Unternehmen (56,7 %) hat dieses Thema in 3 Jahren eine große oder eher große Bedeutung.

„Nicht erst seit dem Launch von ChatGPT wird das Thema Künstliche Intelligenz von den Unternehmen wahrgenommen. Es bleibt zu prüfen, wie diese Technologien im BGM sinnvoll eingesetzt werden können.“

Reiner Straub (Personalmagazin, Haufe Gruppe)

Die Themen Datenschutz/Datensicherheit sowie Digitalisierung/digitale Transformation befinden sich jedoch aktuell und auch in ihrer erwarteten Bedeutsamkeit in 3 Jahren auf den ersten beiden Plätzen. Das Thema Klima & Nachhaltigkeit gewinnt zukünftig an Bedeutung und komplettiert das 3-Jahres-Ranking auf Platz 3. Als die Themen mit der geringsten Bedeutung werden aktuell wie in 3 Jahren erneut Metaverse, Augmented Reality und Virtual Reality genannt.

Personengruppen: Nicht die gewerblich Beschäftigten vergessen

Die Belastungsbereiche und die daraus resultierenden individuellen Beanspruchungen sind nicht für alle Beschäftigten gleich, sondern variieren je nach Tätigkeitstyp und den individuellen Bewältigungsstrategien. Um Beschäftigte zu erreichen, ist es darum wichtig, Maßnahmen zielgruppenspezifisch zu gestalten. Dabei werden Führungskräfte, Beschäftigte in Teilzeit sowie hybrid arbeitende Beschäftigte von mehr als 90 Prozent der Organisationen als bedeutsam für das BGM/die BGF angesehen – sowohl zum aktuellen Zeitpunkt als auch in den nächsten 3 Jahren.

Pflegende Beschäftigte befinden sich aktuell und auch in 3 Jahren zwar auf dem vorletzten Jahr, betrachtet man jedoch den Mittelwert, zeigt sich, dass deren Bedeutsamkeit in den kommenden 3 Jahren dennoch steigt. Auch wir werden die pflegenden Beschäftigten anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden (jährlich am 12. Mai) in den Fokus rücken und uns deren Situation sowie Unterstützungsmöglichkeiten durch Unternehmen genauer ansehen.

Zurück zur Studie: Beim Bedeutungszuwachs zeigt sich außerdem, dass die Personengruppe der Auszubildenden und jungen Beschäftigten in den kommenden 3 Jahren an Bedeutung für das BGM und die BGF gewinnen wird. Hingegen scheinen die gewerblichen Beschäftigten in den nächsten 3 Jahren von den Verantwortlichen eher unbeachtet zu bleiben. Dr. Mark Hübers (IFBG) warnt:

„Neben allen BGF-Maßnahmen rund um die Flexibilisierung der Arbeitswelt, darf der große Teil der gewerblich Tätigen nicht vergessen werden. Diese Beschäftigtengruppe wird aktuell übersehen.“

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu ermöglichen, ist es wichtig, den Beschäftigten spezifische Angebote zu machen. Hierbei wird insbesondere Maßnahmen zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort eine große Bedeutsamkeit zugeschrieben. Auch Maßnahmen für Eltern werden von den Befragten als bedeutsam bewertet, wohingegen Maßnahmen zur Weiterbildung während der Elternzeit noch eher unbedeutend scheinen. Die gleiche Rangfolge zeigt sich auch in Bezug auf die Erwartung der Befragten in den kommenden 3 Jahren.

Bei der Umsetzung hybrider Arbeit haben fast 8 von 10 der befragten Organisationen, in denen Beschäftigte im Homeoffice arbeiten, eine Vereinbarung über flexible Homeoffice-Tage. Allerdings bietet nur ein knappes Drittel (30,7 %) Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben an und nur 14,0 % der Organisationen Angebote bzw. Maßnahmen zum Thema Entgrenzung.

Die größten Herausforderungen im Arbeitsalltag

Für  den Großteil der Befragten (85,0 %) stellt die Menge an Aufgaben aktuell eine (eher) große Herausforderung dar, ähnliches gilt für die Komplexität der Aufgaben (76,3 %). Diese beiden Themen standen auch in der #whatsnext-Studie aus 2017 ganz oben auf der Liste. Hingegen wird die soziale Isolation trotz Pandemie (der Befragungszeitraum lag in 2022) und vermehrtem Homeoffice von den meisten Organisationen als eher geringe Herausforderung wahrgenommen. Interessant ist hierbei, dass die Bedeutung der Herausforderungen durchweg von den Unternehmen am höchsten eingeschätzt wird, die bereits ein ganzheitliches BGM integriert haben.

Auch in 3 Jahren ändert sich kaum etwas an der Reihenfolge: Der Menge und Komplexität der Aufgaben wird die größte Bedeutung zugeschrieben, Themen wie permanente Veränderungen oder Erreichbarkeit sowie Ablenkungen/Unterbrechung am Arbeitsplatz befinden sich im Mittelfeld. Die Integration von ausländischen Fachkräften gewinnt in den nächsten 3 Jahren an Bedeutung. Außerdem wird das Selbstmanagement im Homeoffice in den nächsten 3 Jahren für die Organisationen immer herausfordernder.

„Selbstmanagement im Home-Office will gelernt sein. Workshops, Weiterbildungen und Leitlinien können hier zielführende BGM-Maßnahmen sein.“

Maren Beer (IFBG)

Um den Herausforderungen für gewerblich Beschäftigte zu begegnen, bietet über die Hälfte (53,4 %) der Organisationen, in denen gewerbliche Beschäftigte arbeiten, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit an. Gleitzeit bieten 46,8 Prozent dieser Organisationen. Bei jeweils 15,7 % der Organisationen gibt es für die Beschäftigten die Möglichkeit, Schichtpläne mobil abzurufen und/oder online Feedback zu geben.

Auf die offene Frage, was für die Organisationen die größte arbeitsbezogene Herausforderung in den nächsten 3 Jahren sei, gab der Großteil der Befragten den Fachkräftemangel an. Auch die Digitalisierung und der Demographische Wandel beschäftigen die Unternehmen – doch nicht mehr als der Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden. Das zeigt sich unter anderem auch an dem starken Bedeutungszuwachs für die Personengruppe der jungen Beschäftigten und der Integration von ausländischen Fachkräften. Auch Mitarbeiterbindung und -rekrutierung wurden sehr häufig genannt.

Wie bereits eine Studie aus 2020 zeigte: Der Firmenwagen allein reicht heute nicht mehr. Insbesondere Mitarbeitende der Generation Z honorieren es, wenn Unternehmen in Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten investieren (Weitzel, Maier, Weinert, Pflügner, Oehlhorn & Wirth, 2020). Höchste Zeit, gegebenenfalls aufzuholen und ein ganzheitliches BGM anzupacken!

 

Literatur

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO (2022). Arbeiten in der Corona-Pandemie. Folgeergebnisse | Das Unternehmen als sozialer Ort – langfristige Wirkungen der Pandemie und Schlussfolgerungen für die Gestaltung des New Normal. Zuletzt abgerufen am 14.04.2023: https://www.iao.fraunhofer.de/de/forschung/forschungsbereiche/organisationsentwicklung-und-arbeitsgestaltung/befragungsreihe-arbeiten-im-new-normal.html

Techniker Krankenkasse, Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung, Personalmagazin. #whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt. Zuletzt abgerufen am 14.04.2023: https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesunder-arbeitsplatz/whatsnext-studie-gesund-arbeiten-in-der-hybriden-arbeitswelt-2145332

Weitzel, T., Maier, C., Weinert, C., Pflügner, K., Oehlhorn, C., & Wirth, J. (2020). Generation Z – die Arbeitnehmer von morgen. Ausgewählte Ergebnisse der Recruiting Trends 2020. Bamberg: Otto-Friedrich-Universität. Zuletzt abgerufen am 14.04.2023: https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/wiai_lehrstuehle/isdl/Recruiting_Trends_2020/Studien_2020_05_Generation_Z_Web.pdf

(Text: Anja Wermann, Redaktion WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE aktuell)

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