Long-Covid-19: Was tun, wenn die Krankheit nicht aufhört?

Auch wenn die akute Viruserkrankung überstanden ist oder mild verlief, können sich belastende Symptome hartnäckig halten und die Lebensqualität und (berufliche) Leistungsfähigkeit der Betroffenen dramatisch beeinträchtigen. Neben der Prävention einer Infektion helfen gezielte Rehabilitationsmaßnahmen, die Langzeitfolgen von Covid-19 zu bekämpfen und die Phase der Arbeitsunfähigkeit zu verkürzen. 

Studien aus der ganzen Welt belegen inzwischen, dass eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus in den meisten Fällen mit physischen und psychischen Langzeitfolgen einhergeht, die sich beträchtlich auf das Wohlbefinden und die Arbeitsfähigkeit der Patient:innen auswirken.

Vielzahl an Folgeerkrankungen gefunden

In der renommierten Fachzeitschrift «The Lancet» berichteten bereits Anfang Januar chinesische Ärzt:innen aus Wuhan von einer Untersuchung zu den Langzeitfolgen einer überstandenen Erkrankung mit Covid-19. Sechs Monate nach Ausbruch der Erkrankung litten 63 % der Betroffenen an Müdigkeit und Muskelschwäche, 44 % an Kopfschmerzen, 26 % an Schlafstörungen und 23 % an einer Depression (Huang, 2021).

Weitere, mittlerweile häufig beobachtete Symptome können Nerven- und Muskelschmerzen sowie ausgeprägte Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis sowie Wortfindungsstörungen, sogenannte kognitive Störungen, sein (Hosp et al., 2021).

Die bislang größte Studie zu den Folgeerscheinungen analysierte die elektronischen Krankenakten von über 230.000 genesenen Covid-19-Erkrankten in England und förderte ebenfalls Dramatisches zutage: 33 % der Betroffenen hatten sechs Monate nach Erkrankung eine neurologische oder psychiatrische Diagnose. Am häufigsten waren dies eine Depression oder Angsterkrankung (Taquet, Geddes, Husain, Luciano & Harrison, 2021).

Schwankender Verlauf erschwert beruflichen Wiedereinstieg 

Langzeitfolgen können im Einzelfall also schwerwiegender sein als die Covid-19-Erkrankung selbst und die Betroffenen aus dem Leben reißen: Nicht nur schwere Verläufe einer Covid-19-Erkrankung können Folgeschäden nach sich ziehen – auch leichter verlaufende Erkrankungen sind häufig mit langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden. Hier scheinen vor allem auch jüngere Patient:innen betroffen zu sein. Charakteristisch ist hierbei ein wechselnder Verlauf mit tageweiser deutlicher Besserung und erneuter Verschlechterung nach körperlicher oder geistiger Belastung, was von den Betroffenen als sehr frustrierend erlebt wird und den beruflichen Wiedereinstieg vereitelt. 

Was kann man also tun, um sich vor Long-Covid-19 zu schützen?

Vorbeugung bietet den besten Schutz

Der größte Schutz vor Langzeitfolgen ist natürlich, gar nicht erst an Covid-19 zu erkranken. Abstand, Hygiene, Lüften und die Impfung schützen wirkungsvoll vor einer möglichen Ansteckung. Ebenso wichtig ist die kontinuierliche Stärkung des Immunsystems und der psychischen Gesundheit bzw. Widerstandsfähigkeit, auch Resilienz genannt. Wissenschaftlich belegt sind insbesondere folgende Maßnahmen, die Sie selbst ganz einfach umsetzen und Ihren Mitarbeitenden empfehlen können:

  • Ausreichend Schlaf: Die notwendige Schlafdauer ist individuell und liegt in der Regel bei ca. 7 bis 8 Stunden. Empfehlenswert ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus. 
  • Ausreichend Bewegung: Regelmäßige körperliche Ausdaueraktivität fördert die Nervenzellneuproduktion und die Erholung des Nervensystems. Schwimmen, Fahrradfahren, Nordic Walking, Joggen zwei- bis dreimal pro Woche für 15 bis 30 Minuten sind bereits hilfreich. Tägliches, zügiges Fahrradfahren oder Spazierengehen sind ebenfalls sehr effektiv – 10.000 Schritte pro Tag sind ausreichend.  
  • Gesundes Nahrungsverhalten: Ausreichend Obst, Gemüse, ballaststoffreiche Vollkornprodukte und Fisch machen die gesunde mediterrane Kost aus, welche unter anderem entzündungshemmende Wirkungen hat. Der Verzicht auf hochkalorische, fett- und zuckerreiche industrielle Fertigprodukte ist essenziell.  
  • Sozialkontakte: In Zeiten von Lockdown, Homeoffice und Kontaktbeschränkungen ist dies schwierig, lässt sich aber mit etwas Kreativität und elektronischen Medien umsetzen. 
  • Kräftigende Maßnahmen:  Z. B. morgendliche Wechselduschen und Verzicht auf Nikotin.  

Ambulante Reintegration und Rehabilitation 

Konnte die Infektion nicht verhindert werden, sind Rehabilitationsmaßnahmen unerlässlich, um Betroffene rasch wieder ins Arbeitsleben integrieren zu können. 

Ist, wie in der Mehrzahl der Fälle, eine längere Rehabilitation nicht notwendig oder erwünscht, können Coachings oder Trainingsprogramme zur Stärkung der psychischen Widerstandskraft, hilfreich sein. Idealerweise können diese mit einer gezielten Auszeit und Erholung kombiniert werden, um der häufigen Erschöpfungssymptomatik/Fatigue gezielt zu begegnen. Aktuellen Post-Covid-Defiziten, wie z. B. Störungen der Konzentration, Wortfindung und Merkfähigkeit, muss mit einem präzise zugeschnittenen Trainingsplan begegnet werden. Fehlzeiten können so minimiert und Leistungsfähigkeit sowie Motivation wiederhergestellt werden. 

Aus der Erkrankung sowie den nachfolgenden Einschränkungen resultierenden Ängsten, Sorgen und Stimmungsschwankungen kann im therapeutischen Einzelgespräch wirkungsvoll begegnet werden. Verlief die Covid-Erkrankung erfreulicherweise lediglich wie eine schwere Erkältung, sind darauffolgende hartnäckige Einschränkungen von Gedächtnis, Konzentration, Ausdauer und eine dauerhafte Müdigkeit umso beängstigender und belastender. Kompaktseminare und Übungen zu den Themen Stressdiagnostik, Stressprävention, Resilienz, Digital Detox oder Schlafstörungen runden ein sinnvolles und nachhaltiges Angebot ab. Diese Seminare werden sowohl für Betroffene als auch für Führungskräfte angeboten.

Mit gezielten Rehabilitationsmaßnahmen gelingt der Wiedereinstieg in das Berufsleben. (Foto: Christian Rojas / Pexels.com)

Informationen zu konkreten Rehabilitationsangeboten und Selbsthilfegruppen finden Sie unter www.langzeitcovid.de und in meinem auf YouTube verfügbaren Vortag.  

Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Burnout oder Angsterkrankungen sind immer häufiger der Grund für Fehlzeiten und den frühzeitigen Eintritt in das Rentenalter. Die Covid-Pandemie wird leider für ein weiteres Ansteigen sorgen. Über 15 % aller Fehltage gehen bereits heute auf Erkrankungen der Psyche zurück. Deshalb gewinnen Prävention und die Förderung der psychischen Gesundheit als Teil eines nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsmanagements zunehmend an Bedeutung, denn die Gesundheit der Beschäftigten trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bei.  

Stationäre Rehabilitation hilft bei starken Beeinträchtigungen

Bei stärkeren Beeinträchtigungen ist eine fachgerechte Rehabilitationsbehandlung in einer hierauf spezialisierten Klinik essenziell und wirksam zur Wiedererlangung von Lebensfreude, Leistungs- und Arbeitsfähigkeit. Hier können neben der körperlichen Ausdauer auch die neurokognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnis, Konzentrationsvermögen, Ausdauer und Aufmerksamkeit wieder verbessert, trainiert und aufgebaut werden. Gleichzeitig kann die Erkrankung verarbeitet und eine eventuell aufgetretene Depression oder Angsterkrankung behandelt werden. Dies benötigt Zeit - aber diese ist bestens investiert.    

Frühes Intervenieren und Vorbeugen sind die besten Gegenmaßnahmen, um längere Ausfallzeiten zu vermeiden, die in allererster Linie für die Betroffenen sehr belastend sind, das Selbstvertrauen beeinträchtigen und langfristig den Wiedereinstieg in die gewohnte berufliche Tätigkeit verhindern.

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