Proaktiv im Onboarding: Neue Mitarbeitende als Co-Pilot:innen
Im Onboarding sind neue Mitarbeitende keineswegs nur Passagiere. Als Co-Pilot:innen gestalten sie den Prozess aktiv mit. Meta-analytische Befunde zeigen, dass positives Framing, die Informations- und Feedbacksuche und Beziehungsgestaltung förderlich sind. Hilko Paulsen erläutert die konkrete Umsetzung der Befunde in Onboardingprozessen.
In Zeiten des Fachkräftemangels verstärken Organisationen ihre Anstrengungen, neue Mitarbeitende an sich zu binden. Eine entscheidende Phase ist die des Onboardings. Onboarding ist ein Prozess, durch den neue Mitarbeitende integriert werden und der ihnen hilft, das zu lernen, was sie für erfolgreiches Handeln in der neuen Organisation benötigen (vgl. Bauer & Erdogan, 2011). Organisationen bemühen sich darum, dass Mitarbeitende eingearbeitet, in Gruppen eingebunden und mit Strukturen, Abläufen und der Kultur der Organisation vertraut gemacht werden, damit sie ihren Job und ihre Rolle gut ausfüllen können.
Allerdings ist der Einfluss von Organisationen auch begrenzt. Nicht alles kann im Zuge eines Onboardings systematisch durch die Organisation geplant oder gesteuert werden. Relevantes Wissen erwerben neue Mitarbeitende z. B. durch informelles Lernen im Prozess der Arbeit. Neue Mitarbeitende sind dabei keineswegs passiv. Im Gegenteil – sie gestalten aktiv mit. Mit anderen Worten: Sie sind keine Passagiere, sondern Co-Pilot:innen des eigenen Onboardings. Insbesondere proaktive Formen des Verhaltens, die selbst initiiert, auf die Zukunft und Veränderungen ausgerichtet sind, spielen hier eine Rolle. Doch was genau hilft neuen Mitarbeitenden beim Onboarding besonders?
Meta-Analyse untersuchte vier Kategorien proaktiven Verhaltens
Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Metaanalyse von Zhao und Kolleg:innen, basierend auf 45 Stichproben aus 43 Studien mit 11.508 Teilnehmenden, untersuchte vier Kategorien von proaktiven Verhaltensweisen für eine erfolgreiche organisationale Sozialisation: (1) Sense making, (2) relationship building, (3) positive framing und (4) job change negotiation.
- Sense making zielt auf die Reduktion von Unsicherheiten ab, z. B. durch die aktive Suche nach Informationen oder das Einholen von Feedback.
- Relationship building umfasst Verhaltensweisen, die positive Beziehungen zur Führungskraft und dem Kollegium gestalten, sowie allgemeines Networking.
- Positive framing ist eine kognitive Strategie, die darin besteht, das Positive zu sehen und Dinge konstruktiv zu betrachten.
- Job change negotiation umfasst Anstrengungen, den eigenen Job, wie z. B. Aufgaben, neu zu verhandeln und zu verändern.
Proaktives Verhalten ist nützlich – aber nicht gleichermaßen
Die vier oben genannten Kategorien wurden mit Outcomes wie Rollenklarheit, Aufgabenerledigung, soziale Integration, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsleistung, organisationales Commitment und Fluktuationsabsichten in einen Zusammenhang gebracht. Was besagen die wesentlichen Ergebnisse der Studie?
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Positive framing zeigt über alle Kriterien hinweg insgesamt moderate bis starke Zusammenhänge.
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Relationship building und sense making weisen moderate Zusammenhänge mit den Ergebnissen des Onboardings auf.
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In Bezug auf soziale Integration und organisationales Commitment fällt das relationship building stärker ins Gewicht als die anderen Verhaltensweisen.
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Anstrengungen, den eigenen Job neu zu verhandeln, sind hingegen insgesamt weniger förderlich. Es besteht lediglich ein schwacher Zusammenhang mit der Rollenklarheit. Bei anderen Kriterien sind die Befunde durchwachsen – einzelne Studien weisen sogar negative Zusammenhänge auf.
Mitarbeitende, die einen neuen Job in einer neuen Organisation starten, können den eigenen Onboardingprozess also durch positive framing, relationship building und sense making erfolgreich gestalten. Eine Mischung macht es aus. Bei Verhandlungen über Jobinhalte ist hingegen Vorsicht geboten: Dies kann nach hinten losgehen.
Fazit: Was können Organisationen aus den Befunden lernen?
Organisationen können proaktives Verhalten durch ihre Prozesse unterstützen. Aufgaben im Zuge der Einarbeitung, die Spielräume lassen, können beispielsweise eigeninitiatives Verhalten erfordern und so fördern. Wenn Führungskräfte in Gesprächen durch offene Fragen eigene Vorstellungen erfragen (z. B. „Was können Sie zu einem erfolgreichen Onboarding beitragen? Welche Wege können Sie einschlagen?“), signalisieren sie, dass Proaktivität gewünscht ist.
Klarheit, dass proaktives Verhalten überhaupt erwünscht ist, hilft Unsicherheiten zu reduzieren und ermöglicht es neuen Mitarbeitenden, das proaktive Potenzial, das in ihnen schlummert, einzubringen. Gerade neue Mitarbeitende stehen oft vor der Hausforderung herauszufinden, welches Maß an Eigeninitiative gewünscht ist. Es besteht stets das Risiko, dass sie über das Ziel hinausschießen, in ein Fettnäpfchen treten oder sich im Kollegium unbeliebt machen. Entsprechende Erfahrungen, die es möglicherweise bei einem vorherigen Arbeitgeber gab, prägen und können zu falscher Bescheidenheit führen. Klarheit zu schaffen, in welchen Bereichen Eigeninitiative gewünscht ist und wo Grenzen sind, verschafft neuen Mitarbeitenden eine Orientierung.
Schließlich können im Zuge von Onboardings Kompetenzen durch Trainings aufgebaut werden, die positive framing (z. B. emotionszentrierte Strategien der Stressregulation), relationship building (z. B. Networking-Verhalten) und sense making (z. B. Einholen von Feedback) fördern. Die Mitarbeitenden werden befähigt und ermutigt, proaktives Verhalten zu zeigen und somit zu einem gelingenden Onboarding beizutragen.
Literatur
Bauer, T. N., & Erdogan, B. (2011). Organizational socialization: The effective onboarding of new employees. In S. Zedeck (Ed.), APA handbook of industrial and organizational psychology, Vol. 3. Maintaining, expanding, and contracting the organization (pp. 51–64). American Psychological Association. https://doi.org/10.1037/12171-002
Zhao, T., Liu, J., Zawacki, A. M., Michel, J. S., & Li, H. (2023). The effects of newcomer proactive behaviours on socialization outcomes: A meta‐analysis. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 96(1), 1-32. https://doi.org/10.1111/joop.12407
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