Persönlichkeit gesucht – Wie Sie geeignete Führungskräfte finden

Wie finden Unternehmen die beste Besetzung für Führungspositionen? Welche Rolle spielt die Persönlichkeit? Die Diplom-Psychologin und langjährige Headhunterin Stephanie Schorp hat ein Buch zur Passung von Persönlichkeit und Position verfasst und erklärt im Interview, wie sie für Unternehmen Führungskräfte mit passender Persönlichkeit findet.

 

Wie hat sich Ihre Arbeit in der Auswahl und Beurteilung von Führungskräften im Laufe der vergangenen 20 Jahre verändert?

Die Methoden und Herangehensweisen bleiben gleich, aber die Geschwindigkeit nimmt zu und die Erwartungen steigen. Hinzu kommen Buzzwords, z. B. transformieren sich alle gerade. Aber was heißt das? Transformationsexpertise kann je nach Branche und Unternehmen sehr unterschiedlich aussehen. Ebenfalls bedeutsam ist die Digitalisierung. Früher gab es kein LinkedIn, heute sind dort Millionen von spannenden Menschen registriert und somit schneller auffindbar. Gleichzeitig muss man genauer hinsehen wegen der großen Auswahl.

Wie gehen Sie bei der Kandidat:innensuche vor?

Auch wenn viele in Headhunter:innen so etwas wie Undercover-Agent:innen sehen, ist es ein strukturierter Prozess. Durch die anfängliche Anforderungsanalyse wird das gesuchte Profil definiert und danach der Suchradius festgelegt, z. B. auf bestimmte Branchen oder Regionen.  Anschließend durchforstet mein Research-Team das Internet nach diesen Profilen, auch jenseits von LinkedIn und mithilfe digitaler Tools. Aus den gefundenen Profilen wähle ich passende Kandidat:innen aus, sodass wir diese im nächsten Schritt kontaktieren. Fällt der Eindruck im ersten Gespräch positiv aus, folgt ein persönliches Gespräch mit mir. Diesen Zyklus wiederholen wir so lange, bis ich am Ende vier bis fünf Kandidat:innen präsentieren kann. Von denen wählen unsere Kund:innen zwei Personen für die nächste Runde aus. Wir arbeiten also nach dem bewährten Trichtermodell.

Optimalerweise dauert der ganze Prozess drei Monate, aber in der Praxis meist länger, wegen Terminen, Krankheit oder Urlauben. In Deutschland behindern häufig lange Kündigungsfristen in Arbeitsverträgen einen raschen Wechsel.

Wer sind Ihre Auftraggeber:innen?

Wir arbeiten für sehr große Unternehmen, also DAX-Konzerne, die ohnehin meist mehrere Headhunter:innen beschäftigen. Aber auch der Mittelstand oder internationale Unternehmen gehören zur Kundschaft. Auf Branchen sind wir nicht spezialisiert, bis auf eine Unterfirma von uns, die nur Pharma, Healthcare und Life Science abdeckt. Generell bewegen sich die meisten Anfragen in den Bereichen Industrie, Medien und Finance.

Ziel Ihrer Arbeit ist der „Perfect Fit“ zwischen Position und Bewerber:innen. Was genau verstehen Sie darunter?

Für den „Perfect Fit“ müssen die fachlichen Skills und Erfahrungen dem Suchprofil entsprechen und die Persönlichkeit zur Unternehmenskultur passen. Bei oberen Führungskräften, deren fachliche Expertise bereits vorausgesetzt wird, ist die Persönlichkeit entscheidend. Sie kann einen behindern oder den Ausschlag für eine Zusage geben.

Beim Stichwort „Diversität“ sollten wir daher nicht nur an das Geschlecht oder Alter einer Person denken, sondern auch an die Profession, Religion, Kultur, unterschiedliche Qualifikationen und eben Persönlichkeit. Meine Firma und ich wollen Führungspositionen nicht ausschließlich mit den altbekannten 60-jährigen deutschen Männerriegen besetzen. Wir wissen aus unzähligen Studien, dass Diversität keine Wohltätigkeit, sondern ein wesentlicher Erfolgsfaktor und zwingend notwendig für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist.

Porträt von Stephanie Schorp

Für Headhunterin Stephanie Schorp ist die Persönlichkeit von Kandidat:innen entscheidend. (Foto: Stefanie Kresse)

Wie finden Sie heraus, welche Persönlichkeit Ihr Gegenüber hat?

Durch ein respektvolles, wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe. Ich muss Interesse an Menschen haben und verstehen wollen, wie sie das wurden, was sie heute sind. Trotz aller sokratischen Dialogtechniken bin am Ende des Tages ich der Seismograf und sage: Nee, das passt nicht. Dabei greife ich auf Intuition und Methodik zurück, die auf 20 Jahren intensiver Interviews und Gespräche mit Menschen basieren.

Im Gespräch mit Kandidat:innen gehe ich nicht nur die zentralen Abschnitten im Lebenslauf durch, sondern ich hinterfrage: Warum haben Sie Psychologie studiert und nicht Jura? Was hat Sie dazu bewogen? Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Manchmal unterhalte ich mich auch mit Kandidat:innen über aktuelle Herausforderungen in der Welt, sei es die Pandemie oder der Ukraine-Krieg. Nicht um politische Diskussionen zu führen, sondern um ein Gefühl zu bekommen, wie jemand tickt.

Wie bringen Sie Bewerber:innen zu ehrlichen, authentischen Antworten?

Wenn man mit Menschen über ihre Biografie, Familie, Vorbilder oder persönlichen Erfolge spricht, dann gelangt man oft an authentische Anteile. Die typischen Fragen nach Stärken und Schwächen bringen einen diesbezüglich nicht weiter. Natürlich kennen wir unsere Achillesfersen, aber im Bewerbungsgespräch will die niemand hören. Es kommt immer noch besser an, wenn man als Schwäche unermüdlichen Ehrgeiz und Arbeitseinsatz nennt. Wobei ich auch hier Veränderungen feststelle und hoffe, dass wir zu einer gesünderen Einstellung kommen. Auch in Führungspositionen muss es möglich sein, verschiedene Lebensbereiche abzudecken und nicht immer 24/7 erreichbar zu sein.

Hatten Sie Positionen, die schwierig zu besetzen waren?

Ja, z. B. wenn das Gehalt nicht adäquat ist. Daher spiegele ich meinen Klient:innen immer, ob die Jobs und das Unternehmen gut ankommen. In einem Fall sollten wir für ein inhabergeführtes Unternehmen eine:n Nachfolger:in finden, aber der seniore Inhaber konnte nicht loslassen und hat Kandidat:innen durch seine Einmischungen abgeschreckt.

Welche Herausforderungen und Veränderungen warten zukünftig auf Ihre Arbeit?

Ständige Weiterentwicklung wird wichtig bleiben. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, auf den wir endlich reagieren müssen. Ansonsten erlebe ich derzeit einen Markt von Bewerber:innen, die sich sehr viel anhören, aber sehr wenig wagen. Nach über zwei Jahren Pandemie und angesichts der Lage in Osteuropa wollen viele Leute weitere Unruhe durch einen Jobwechsel vermeiden, sodass wir mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen. Andererseits erlebe ich, dass viele ins Nachdenken gekommen sind, ob sie mit ihrem Leben und Job zufrieden sind. Daher steht im Fokus meines Buches, dass Menschen sich intensiv mit sich selbst auseinandersetzen und dann dorthin bewegen, wo sie andocken können.

Vielen Dank für das Gespräch!
 

Wir sprachen mit:
Stephanie Schorp arbeitet seit über 20 Jahren in der Auswahl und Beurteilung von Führungskräften. Sie ist Mitgeschäftsführerin von der Personalberatung Comites perfect placements und engagiert sich als Zen-Leadership-Trainerin. Zudem hat sie die Beratungsplattform philosophymeetsmanagement mitgegründet.
 

Zum Weiterlesen:
[Werbung] Schorp, S. (2022). Persönlichkeit macht Karriere. So stellen Sie die Weichen für Ihren eigenen beruflichen Weg. Frankfurt: Campus.

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