Die Macht der Räume auf unser Befinden und Erleben

Die Räume, in denen wir arbeiten und uns aufhalten, haben eine ganz entscheidende Wirkung auf unser Wohlbefinden und mitunter auch auf unsere Leistungsfähigkeit und die Art und Weise, wie wir Dinge bewerten. Es lohnt sich daher, die Wechselwirkungen zwischen der Raumgestaltung und eigenen Befindlichkeiten sowie der Selbstwahrnehmung einmal genauer zu betrachten.

Architektur im Kontext der Psychologie ist ein wirksames und effizientes Werkzeug, um moderne Arbeitswelten in eine neue Dimension zu befördern. Mit dem Wissen der Psychologie können wir nicht nur Räume gestalten, sondern auch die menschliche Psyche beeinflussen. Wir können latente Konflikte mittels der Raumgestaltung entscheidend verbessern. Der Mensch als Zauberinstrument für high Performance braucht die intellektuelle, kulturelle und architekturpsychologische Gesamtheit. Man kann es vergleichen mit Schmieröl oder Sand im Getriebe, das eine ist Performance fördernd und das andere mindert die Leistung.

Das Erleben und Verhalten des Menschen in gebauten Umwelten

Der Mensch ist auf der einen Seite aktiver Gestalter seiner Umwelt und auf der anderen Seite auch passiver Nutzer, es besteht also eine Wechselwirkung.

Gebaute Umwelten können auf drei verschiedene Arten auf Menschen wirken:

  1. Die unmittelbare biologische Wirkung findet meist unterbewusst statt. Hier spielen zum Beispiel die Farbpsychologie oder das klassische Raumklima, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Luftqualität, eine bedeutende Rolle.
  2. Die bewusste psychologische Wirkung ist die sichtbarste, diese bezieht sich unmittelbar auf die Art und Weise wie wir Räume in unserem Kontext bewerten. Wohlbefinden entsteht durch positive Raumbewertung und Unzufriedenheit ist auf negative Raumbewertung zurückzuführen.
  3. Die teilbewusste und unbewusste psychologische Wirkung hat mit Bewegungsmustern im Raum zu tun sowie mit der Zusammenarbeit der Menschen in diesen Räumen und dem Raumangebot.

Schon Levi Strauss hat in den 1960er Jahren beobachtet, dass man Menschen in ihren Einstellungen verändern kann, wenn man ihre Grundlagen und Muster verändert. Dazu ein interessantes Beispiel: Der Bororo-Stamm in Südamerika lebte als Naturreligion. Dieses Glaubenssystem enthielt wichtige Regeln für das Zusammenleben der Stammesmitglieder. Missionare wollten den Stamm „christianisieren“. Sie hatten schnell begriffen, dass das sicherste Mittel, den Stamm zu „bekehren“ darin bestand, sie dazu zu bringen ihre Dorfstruktur zu verändern. Sie ordneten Häuser nach dem europäischen Reihenhaus-Prinzip an, welches sich signifikant vom gemeinschaftlichen und Hierarchie-übergreifenden Dorfcharakter des Bororo-Stammes unterschied.

Und siehe da … sie legten den Boden für ein neues System.

So traurig diese Beobachtung ist, so eindeutig zeigt sie, wie stark Raumstrukturen auch auf unsere Art des Zusammenseins wirken.

Architekturpsychologische Zusammenhänge erkennen

Es macht einiges aus, ob wir uns ausgelaugt fühlen oder top fit sind. Ob wir uns nicht konzentrieren können und immer wieder den Gedanken von vorne beginnen oder voll im Flow sind und die Ideen sich hintereinander fast „Guten Tag“ sagen. Ob uns die Kolleg:innen nerven, weil sie sich laut in der Nähe unseres Arbeitsplatzes unterhalten und uns von der Arbeit ablenken oder ob wir uns mit vollem Interesse auch diesem Gespräch widmen und uns aktiv einbringen.

Es ist die Wechselwirkung zwischen dem Raum, in dem ich mich befinde, und meiner eigenen Befindlichkeit und Selbstwahrnehmung. Diese Elemente haben wesentlichen Einfluss auf die wahrgenommenen umgebungsbedingten Konditionen und unterstützen oder verhindern Wohlbefinden.

Abbildung zur Wechselwirkung von Räumen, eigener Befindlichkeit und Selbstwahrnehmung.

Wechselwirkung zwischen Raum, eigentlicher Befindlichkeit und Selbstwahrnehmung. (Abbildung: Gauer Consulting)

Der schöne Raum

Ein Experiment von A. Maslow, das bereits in den 1950er-Jahren durchgeführt wurde, beschreibt auf sehr eindrückliche Weise diese Wechselwirkung von Gefühl und Raum.

Das Setting: Der erste Raum wurde „The beautiful room“ genannt, hatte große Fenster, ein Bücherregal, helle Beleuchtung, einen sehr bequemen Sessel sowie einen schönen Teppich. Der zweite Raum wurde „The ugly room“ genannt, hatte graue Wände, war nicht sehr aufgeräumt und war mit einer kaputten Lampe und zerschlissenen Möbeln ausgestattet. Die Aufgabe der Proband:innen war es, einen Stapel Portraits (es waren die gleichen Portraits für beide Gruppen) jeweils nach der von ihnen ausgehenden Energie und nach dem durch sie ausgelösten Wohlbefinden zu klassifizieren.

Das Ergebnis war entwaffnend klar: Die Portraits im schönen Raum wurden deutlich positiver wahrgenommen. Darüber hinaus verhielten sich die Versuchsleiter:innen im schönen Zimmer freundlicher, hilfsbereiter und offener. Die Atmosphäre der beiden Räume beeinflusste also offenbar auch sie, obwohl sie über die Hintergründe des Experimentes Bescheid wussten.

Wir können etwas beitragen

Wir können unser Empfinden stark durch Umgebungswechsel beeinflussen und aktiv zum Glücklichsein und zu unserem Wohlbefinden beitragen. Durch gezielte architekturpsychologische Planung im Vorfeld eines neuen Arbeitsweltenprojekts, kompetentes Workplace-Change-Management in der Umsetzung und aktives Ausprobieren im Alltag kann das subjektive Raumempfinden maßgeblich beeinflusst werden.

Räume sind aber kein Allheilmittel, so sehr sie uns auch beeinflussen. Es sind noch zwei Faktoren, die unser Erleben und Empfinden stark prägen. Zum einen sind es die individuellen Faktoren, wie zum Beispiel Einstellungen, Werte, Stress, Schlaf, Sorgen, Ängste etc., und zum anderen sind es die Unternehmensfaktoren wie Kultur, Zusammenarbeit, Führung, Verantwortung etc. Es ist erfolgsentscheidend, eine vielschichtige Betrachtungsweise heranzuziehen, wenn man nachhaltige, wertschöpfende und authentische Arbeitswelten kreieren und in der Folge auch darin leben möchte.

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