Quiet Quitting – Was steckt hinter der „stillen Kündigung“?
Wenn Menschen still gekündigt haben und nur noch Dienst nach Vorschrift erledigen, spricht man von „Quiet Quitting“. Dies steht im Gegensatz zu motiviertem, engagiertem Arbeiten und Commitment. Was deutet auf Quiet Quitting hin und wie können Sie vorbeugen?
Seit das Konzept des Quiet Quittings 2022 zum ersten Mal in einem Post auf TikTok beschrieben wurde, hat es erstaunlich viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dabei steht vor allem die Furcht im Raum, dass immer mehr Menschen einer leistungsorientierten Berufsbiografie den Rücken kehren und Arbeitgeber diesem Treiben schutzlos ausgeliefert sein könnten. Doch sind diese Sorgen berechtigt?
Arbeitgeber wünschen sich Beschäftigte, die voller Begeisterung ihren Aufgaben nachgehen, selbständig mitdenken, Innovationen vorantreiben und nach außen ein positives Unternehmensimage ausstrahlen. In der Realität dürften – wenn man sich an der Gaußschen Normalverteilung orientiert – jedoch nur wenige Mitarbeiter:innen diesem Ideal entsprechen. Wahrscheinlich erledigen die meisten ihre Aufgaben zwar gut, aber ohne Enthusiasmus. Ein sehr kleiner Anteil der Belegschaft richtet vielleicht sogar mehr Schaden an, als dass er Nutzen bringen würde. Irgendwo in dieser Gemengelage sind diejenigen anzutreffen, deren Arbeitshaltung mit dem Begriff Quiet Quitting umschrieben wird.
Was ist Quiet Quitting?
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die wirtschaftspsychologische Forschung mit verschiedenen Phänomenen rund um das Thema der beruflichen Leistung. Lässt sich Quiet Quitting von verwandten Konzepten abgrenzen und liefert somit einen Mehrwert? Schauen wir uns zunächst die wichtigsten psychologischen Konzepte in diesem Zusammenhang an:
- Die Arbeitszufriedenheit kann als Einstellung zur beruflichen Arbeit verstanden werden. Wie zufrieden sind Beschäftigte mit ihren beruflichen Aufgaben, ihren Entwicklungsmöglichkeiten, den Führungskräften und weiteren Facetten der beruflichen Arbeit?
- Das Commitment beschreibt die Verbundenheit der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber. Hier können drei Formen unterschieden werden. Das affektive Commitment bezieht sich auf die emotionale Verbundenheit. Sie ist gewissermaßen das Commitment erster Klasse. Wenn Menschen sich emotional an ihren Arbeitgeber gebunden fühlen, so sind sie auch bereit, sich in besonderer Weise einzusetzen und Krisenzeiten gemeinsam durchzustehen. Dies ist in geringerem Maße auch beim normativen Commitment der Fall. Hier fällt die Verbundenheit allerdings nicht emotional aus, sondern ist Folge einer erlebten Verpflichtung. Ich setze mich für meinen Arbeitgeber ein, weil er mir meine Ausbildung finanziert hat, ein gutes Gehalt zahlt oder immer korrekt mit mir umgeht. Die schwächste Form des Commitments ist schließlich das kalkulatorische Commitment, das Personen nur so lange zu ihrem Arbeitgeber stehen lässt, bis sich ihnen eine vorteilhaftere Alternative bietet.
- Die berufliche Leistungsmotivation beschreibt im Kern, wie stark eine Person danach strebt, Leistung zu erbringen. Hierbei ist die intrinsische Leistungsmotivation von besonderer Bedeutung. Sie liegt vor, wenn Personen auch ohne äußere Anreize, beispielsweise Boni, Freude daran haben, Leistung zu zeigen.
- Die Karriereorientierung bezieht sich auf die Bedeutung des Berufes im Leben eines Menschen. Dabei geht es neben der Frage, wie sehr sich jemand über den Beruf definiert, vor allem um den Willen, sich weiterzuentwickeln und immer einflussreichere Positionen zu erklimmen.
- Organizational Citizenship Behavior (OCB) beschreibt ein berufliches Verhalten, das über vertraglich vereinbarte Aufgaben hinausgeht. Zum Beispiel helfen Betroffene Kolleg:innen oder engagieren sich anderweitig in besonderer Weise.
- Von kontraproduktivem Verhalten ist die Rede, wenn Beschäftigte ihrem Arbeitgeber aktiv Schaden zufügen, indem sie beispielsweise blaumachen, stehlen oder Unternehmensgeheimnisse an die Konkurrenz weitergeben.
- Die Kündigungsabsicht beschreibt schließlich die Offenheit für einen Wechsel des Arbeitgebers. Dabei ist zu bedenken, dass sich die Kündigungsabsicht auf einem deutlich höheren Niveau bewegt als die tatsächliche Kündigungsrate.
Im Kontext dieser verwandten Konzepte lässt sich Quiet Quitting als eine besondere Form der Einstellung zur beruflichen Leistung definieren: Die Betroffenen erfüllen ihre beruflichen Aufgaben vertragsgemäß, sind aber nicht bereit, Zusatzleistungen zu erbringen. Auch bezahlte Überstunden sind für sie nicht von Interesse. Sie arbeiten nach dem Prinzip „Dienst nach Vorschrift“ (vgl. Kanning, 2022).
Stellt Quiet Quitting ein Problem dar?
Ob und inwieweit Quiet Quitting ein Problem darstellt, hängt von der Beantwortung dreier Fragen ab:
- Wie viele Beschäftigte im Unternehmen sind betroffen?
- In welchen Positionen sind sie beschäftigt?
- Wie stark ist bei ihnen Quiet Quitting ausgeprägt?
Zur Veranschaulichung: Sind in einem großen Unternehmen 5% der Belegschaft von Quiet Quitting betroffen, so wird dies kaum ins Gewicht fallen. Liegt der Wert hingegen bei 70%, so mag dies unter ungünstigen Bedingungen die Existenz des Unternehmens gefährden. Wenn in einem Unternehmen 30% der Menschen, die in der Produktion arbeiten, Dienst nach Vorschrift machen, so ist dies per se noch kein Problem, schließlich erledigen sie die Aufgaben, für die sie eingestellt wurden. Befindet sich das Unternehmen nicht in einem akuten Produktionsstau, so ist kein Schaden zu erwarten. Wären hingegen 30% der Top-Führungskräfte als Betroffene von Quiet Quitting zu identifizieren, so wäre die Situation weitaus kritischer. Letztlich kommt es darauf an, welche Aufgaben die einzelnen Personen im Unternehmen haben und wie sehr Sie als Arbeitgeber (akut) auf ein besonderes Engagement Ihrer Mitarbeiter:innen angewiesen sind.
Darüber hinaus ist es wichtig zu erkennen, dass es sich bei Quiet Quitting nicht um eine Kategorie, sondern um eine Dimension handelt: Menschen unterscheiden sich dahingehend, wie stark Quiet Quitting ausgeprägt ist. So mag es einzelne geben, die grundsätzlich niemals Überstunden machen und andere, die dazu durchaus einmal im Monat bereit wären.
Ob es heute mehr Betroffene gibt als früher, ist ungewiss. Dies gilt auch für die Annahme, dass jüngere Menschen sehr viel stärker als ältere zu Quiet Quitting neigen (Formica & Sfodera, 2022). Dagegen sprechen Studien, die zeigen, dass insbesondere jüngere Menschen tendenziell leistungsorientierter sind als ältere (Kanning & Schmitt, 2023). Viele Debatten in diesem Kontext sind vor allem durch negative Stereotype über junge Menschen geprägt.
Was können Sie gegen Quiet Quitting unternehmen?
Quiet Quitting bei den eigenen Beschäftigten als solches zu erkennen, ist sehr einfach. Es ergibt sich aus der Tatsache, dass die Betroffenen so gut wie nie bereit sind, länger zu bleiben bzw. Überstunden zu leisten, auch wenn die Aufgabenerfüllung dies eigentlich erfordert. Zudem beschränken sie sich während der Arbeitszeit darauf, nur die unbedingt notwendigen Aufgaben zu erledigen.
Bislang gibt es keine Studien zu spezifischen Gegenmaßnahmen. Aus der Forschung zu verwandten Konzepten lassen sich jedoch sinnvolle Strategien ableiten, um Quiet Quitting im Unternehmen vorzubeugen:
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Im Zuge der Personalauswahl sollten Sie nicht nur die Eignung, sondern auch berufsbezogene Motive untersuchen. Wichtige Positionen sollten Sie nur mit Personen besetzen, die eine hohe intrinsische Leistungsmotivation in sich tragen.
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Alle Maßnahmen, die zu einer Steigerung der Zufriedenheit sowie des affektiven Commitments beitragen, sollten sich auch positiv auf eine Reduzierung des Quiet Quittings auswirken. Dies gilt beispielsweise für eine partizipative Führung, Leistungsgerechtigkeit und Weiterbildungsmöglichkeiten.
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Haben Sie Quiet Quitting in Ihrem Unternehmen erkannt, sollten Sie Gespräche mit den Betroffenen führen und individuelle Ursachen identifizieren.
Wie bei allen Interventionen im beruflichen Kontext ist jedoch auch hier zu bedenken, dass sich die Berufstätigkeit nicht in einem luftleeren Raum bewegt. Es ist anzunehmen, dass sich Quiet Quitting über die Zeit hinweg individuell verändert, und dies hat nicht nur mit dem Arbeitgeber zu tun. Wer nach seinem Studium voller Elan ins Berufsleben einsteigt, befindet sich 10 Jahre später in einer anderen Lebensphase, in der die beruflichen Aufgaben vielleicht ein Stück weit in den Hintergrund treten. Wie immer gilt es auch bezogen auf Quiet Quitting, vorhandene Chancen zu nutzen und dabei die Grenzen des Machbaren realistisch einzuschätzen.
Literatur
Formica, S. & Sfodera, F. (2022). The Great Resignation and Quiet Quitting paradigm shifts: An overview of current situation and future research directions. Journal of Hospitality Marketing & Management, 31(8), 899-907.
Kanning, U. P. (2022). Die Stille Kündigung. Personalmagazin, 11, 64-65.
Kanning, U. P. & Schmitt, A. (2023). Schubladendenken funktioniert nicht - Wie sinnvoll ist es, Menschen in Generationen einzuteilen? Personalwirtschaft, 9, 64-66.