Nachgefragt: Was machen eigentlich Klimapsycholog:innen?

Nachhaltigkeit ja, Greenwashing nein? Janna Hoppmann hat sich als Klimapsychologin selbstständig gemacht und unterstützt Unternehmen und Gesellschaft in deren nachhaltigen Transformation. Warum die Psychologie für Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle einnimmt, welche Bedeutung Resilienz und Empathie haben und wie man Klimapsycholog:in wird, all das erklärt uns Janna Hoppmann im Interview.  

Janna, du hast Psychologie studiert und dich auf Klimapsychologie spezialisiert. Was hat dich dazu bewegt? 

Im Studium war ich häufig frustriert, weil die Psychologie so wenig für relevante gesellschaftspolitische Fragen eingesetzt wird. Dabei könnten wir unser psychologisches Wissen über den Menschen auch als Akteure in Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik nutzen, um große Veränderungen für das Wohlbefinden von Menschen und Planeten anzustoßen. Um als Psychologin die Gesellschaft aktiv mitzugestalten und Nachhaltigkeit voranzutreiben, habe ich mich auf Klimapsychologie spezialisiert und mit ClimateMind ein neues Berufsfeld für Psycholog:innen geschaffen.  

In den Krisen der letzten Jahre habe ich mich gefragt: Wie schaffen Menschen es, den Kopf trotz Ohnmachtsgefühlen nicht in den Sand zu stecken? Und wie kann ich mich selbst mit meiner psychologischen Expertise einbringen? Die Suche nach Antworten hat mich auch aus meiner eigenen Ohnmacht herausgeholt. 

Dafür waren einige emotionale Begegnungen und Freundschaften zentral: Auf meinen Recherchereisen, z. B. in Brasilien, Marokko oder auf den Philippinen, habe ich mit Menschen gesprochen, deren Existenzgrundlage und Sicherheit von der Klima- und Biodiversitätskrise tagtäglich bedroht werden. In einer globalen Krisenwelt brauchen wir Vorreiter:innen, die entscheidende Veränderungen antreiben und Verantwortung übernehmen. Diese Menschen brauchen Nachhaltigkeitskompetenzen, um selbst aktiv zu sein und andere Menschen zum Mitmachen zu inspirieren. Als Klimapsychologin und Gründerin unterstütze ich solche Führungspersönlichkeiten dabei, als Macher:innen in der Wirtschaft, Zivilgesellschaft oder Politik Großes anzustoßen und umzusetzen. Die Schaffung transformativer Lern- und Begegnungsräume für Menschen, die mehr für Mensch und Planet bewegen können und wollen, ist mir meine Lebensaufgabe.  

Deswegen hast du dein Unternehmen „ClimateMind“ gegründet.  

Genau. Im Februar 2021 habe ich mich als Klimapsychologin selbstständig gemacht und „ClimateMind“ gegründet. Unsere Mission ist es, das echte Mindset und die Handlungskompetenz für Nachhaltigkeit – also Klima und Biodiversität mit sozialen und globalen Fragen zusammengedacht – bei Organisationen zu stärken. Mit unserer psychologischen Expertise helfen wir Menschen dabei, ihre emotionalen Bezüge zu Themen wie Klimagerechtigkeit sowie ihre Resilienz, Klimakommunikation und Empathie zu vertiefen. Das machen wir über Kompetenztrainings, Workshops, individuelle psychologische Fachberatungen oder Online-Weiterbildungskurse für Mitarbeitende und Ehrenamtliche. 

Wie hängen Empathie oder Resilienz mit Klimagerechtigkeit zusammen?  

Unter Resilienz versteht man die Fähigkeit, aus Krisen stark hervorzugehen, sich zu regenerieren und schließlich weiterzumachen. Wenn wir uns mit der Klimakrise auseinandersetzen, erleben viele mitunter Angst, Trauer, Wut, Enttäuschung oder Ohnmacht. Den Kopf oben zu halten und weiterzumachen, ist gar nicht so einfach. Das gilt auch für Organisationen, die über lange Zeit hinweg in dem Bereich arbeiten und viele Rückschläge erleben. 

Bei der Empathie geht es darum, Mitgefühl für andere Menschen zu empfinden, die uns zunächst weit weg scheinen. Um wirkungsvolle Lösungen zu erarbeiten, müssen wir die Probleme richtig verstehen. Dazu gehört, die Perspektive der meistbetroffenen Menschen zu kennen, und davon ausgehend Ideen für die Verbesserung der Situation zu entwickeln. Dafür sollten wir lernen, wie wir uns verbunden fühlen mit Menschen, die besonders von globalen Krisen betroffen sind – trotz der häufig räumlichen Distanz. Denn es reicht nicht mehr aus, sich rein kognitiv mit den Krisen zu beschäftigen; wir brauchen Lösungen, die für den Kopf, das Herz und die Hand hier und global funktionieren.  

Arbeitet ihr hauptsächlich mit den Führungskräften einer Organisation? 

Wir arbeiten immer mit sogenannten Multiplikator:innen einer Organisation oder eines Netzwerks von Organisationen. Das sind Menschen, die ein großes Netzwerk mitbringen und dadurch einen hohen Einfluss auf mögliche Veränderungen haben, also Führungskräfte, Klimaschutzmanager:innen in Kommunen, Kampagnenleitungen oder Social-Media-Beauftragte in NGOs. Wenn wir diese Multiplikator:innen als essenziellen Teil der Organisation unterstützen, wächst ihre Strahlkraft und wird im positiven Sinne ansteckend und bestärkt die Transformation in anderen Bereichen.

Porträt von Klimapsychologin Janna Hoppmann.

Im Gespräch mit Klimapsychologin und ClimateMind-Gründerin Janna Hoppmann (Foto: Klara Yoon).

Wissen Organisationen, die auf dich und ClimateMind zugehen, was genau sie brauchen? 

Im ersten Kontakt häufig noch nicht. Wir starten daher immer mit einem Kennenlern- und einem Bedarfsgespräch, um herauszufinden, an welcher Herausforderung wir arbeiten wollen, wo die Organisation im Bereich Nachhaltigkeit steht und wo sie hinmöchte.  

Dann geht es darum: Was brauchen wir inhaltlich? Hier haben wir eine breite Palette von Themen für Unternehmen, NGOs und Politik bzw. Verwaltung, die wir bearbeiten. Zudem: Welches Unterstützungsformat bietet sich an? Keynotes, Workshops, Beratungen, Onlinekurse, Trainings?  Wir besprechen all diese Details gemeinsam und arbeiten ein Konzept aus, das die Wirkung der Organisation für Klima und Biodiversität am meisten verstärkt.   

Was gehört alles zum Repertoire von ClimateMind? 

Mit Unternehmen arbeiten wir zu drei Hauptthemen. Der erste Bereich ist das Mindset: Wir stärken Führungskräfte darin, authentisch für Nachhaltigkeit in ihrer Organisation und in der Gesellschaft echtes Leadership zu übernehmen. Der zweite Bereich ist das Employee Engagement: Angenommen, die Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen steht bereits fest: Wie holst du deine Mitarbeitenden mit ins Boot – und zwar so viele wie möglich? Der dritte Bereich dreht sich rund um externe Kommunikation: Wie kommunizieren Sie die Nachhaltigkeitsstrategie und Erfolge an externe Stakeholder, ohne in die Greenwashing-Falle zu tappen? Wie können Sie über Nachhaltigkeitsinitiativen sprechen, sodass Kund:innen und Partner rund um das Unternehmen  mitwirken wollen? 

Für NGOs ist das Thema Klimakommunikation sehr wichtig. Wie kann eine NGO möglichst viele Menschen mobilisieren, Mehrheiten schaffen und Menschen für Klimaschutzmaßnahmen begeistern? Und – Stichwort Resilienz – wie können Führungskräfte und Mitarbeitende in NGOs ihr Engagement trotz Hindernissen beibehalten, ohne auszubrennen? Dafür bieten wir Trainings an. 

In der Politik und Verwaltung unterstützen wir besonders in zwei Bereichen: in der psychologisch fundierten Ausgestaltung von politischen Maßnahmen zu Klima und Biodiversität einerseits und in der transformativen Bildung und Kommunikation gegenüber Bürger:innen andererseits. Das Ziel sollte eine größtmögliche Akzeptanz politischer Maßnahmen bei den Bürger:innen sein – dabei kann die Psychologie helfen, indem z. B. psychologische Grundbedürfnisse mitgedacht werden. Außerdem ist es wichtig, solche smarten Maßnahmen auch so zu kommunizieren, dass sie zum Mitmachen anregen. 

Du hast von deinen Gesprächen mit Menschen erzählt, die von der Klimakrise existentiell bedroht sind. Welche Rolle spielen die Gespräche für dich? 

Im Alltag gebe ich als Gründerin, Geschäftsführerin, Trainerin und Beraterin viele Impulse an Menschen und Organisationen weiter. Ich bringe neue Inspirationen, Denk- und Blickweisen ein und rege zum Nachdenken und Anders-Machen an. Auf meinen Recherchereisen wachse ich über mich selbst hinaus, hinterfrage meine bisherigen Annahmen und lerne von Menschen, die andere Erfahrungen sammeln als ich. Nur so kann ich neue Perspektiven und Kompetenzen später an Führungspersönlichkeiten und ganze Organisationen weitergeben. Für mich war es z. B. entscheidend, von Aktivisten auf den Philippinen zu lernen, die wegen ihres Engagements politisch unterdrückt und bedroht werden. Sie leben unter den widrigsten Umständen, häufig unterhalb der Armutsgrenze, und engagieren sich für ihre Lebensgrundlage und das Überleben der eigenen Gemeinschaft. Wenn wir uns fragen, welche emotionalen, kognitiven und sozialen Handlungsfähigkeiten wir in diesen Krisenzeiten als Führungspersönlichkeiten brauchen, sollten wir von diesen engagierten Menschen aus den Philippinen lernen.  

Was ist für dich die größte Herausforderung in deinem Beruf? 

Meine Arbeit macht mir unglaublich viel Spaß – genau deswegen, weil es jeden Tag anders ist und ich die ganze Zeit gefordert bin. Und gleichzeitig führen uns nur viele kleine Schritte zum Ziel. Für mich ist daher die größte Herausforderung, den Balanceakt zwischen kleinen Schritten im Alltag und dem Blick auf das große Ganze zu meistern. Wir brauchen eine unglaubliche Weite in unserer Aufmerksamkeit, um ganzheitlich und global zu denken. Gleichzeitig benötigen wir den Blick fürs Detail, damit wir wissen, wie wir jedes einzelne Projekt, jede Keynote, jedes Training, jede Beratung zum Erfolg machen können.  

Was empfiehlst du Studierenden, die in deinem Berufsfeld tätig sein wollen? 

Alles ist möglich! Ich selbst habe mit der Gründung von ClimateMind den Beruf der Klimapsychologie praktisch ins Leben gerufen. Dadurch, dass das Feld in der Praxis noch so neu ist, können wir die Zukunft dieses Berufs alle mitgestalten. Man kann sich mit dem Masterstudium, der Masterarbeit oder der Promotion auf diesen Bereich spezialisieren. Mit jedem Schritt setzen wir auch ein gesellschaftliches Zeichen:  Lange haben wir Psychologie bei der Nachhaltigkeitstransformation nicht genug mitgedacht, wenn es um die Nachhaltigkeitstransformation geht. Daher brauchen wir einen Mindset-Shift, denn Psychologie entscheidet. Nachhaltigkeit ist keine Frage mehr von Wissen, sondern von praktischer Umsetzung. Diese Botschaft sollten wir alle weitertragen und mit Leben füllen. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Wir sprachen mit: 

Janna Hoppmann ist Psychologin (M. Sc.) mit Schwerpunkt auf Organisationspsychologie und Klimapsychologie sowie die Gründerin und Geschäftsführerin von ClimateMind, der ersten psychologischen Weiterbildungsakademie für Klima und Biodiversität in Europa. Sie ist Speakerin, Beraterin sowie zertifizierte Trainerin der Erwachsenenbildung (TÜV, BDVT). Als Gründerin hat sie mit ihrem Impact-Unternehmen bereits mehr als 4.500 Führungspersönlichkeiten in ihren Nachhaltigkeitskompetenzen weiterbilden können.