Nachgefragt: Was machen eigentlich Medienpsycholog:innen?

Schon seit ihrem Studium der Psychologie weiß Katrin Brinkhoff, was sie später mal werden will: Medienpsychologin. Mittlerweile ist ihr Berufswunsch Realität geworden und sie berät Unternehmen zu Themen rund um Kreativität und Innovation sowie zu Kommunikation und Führung. Mehr dazu erzählt sie uns im Interview.

Katrin, du bist Medienpsychologin. Was hat dich dazu motiviert, diesen beruflichen Weg einzuschlagen? 

Was mich in der Psychologie schon immer fasziniert hat, ist das Thema Kommunikation sowie das Zusammenspiel von Kommunikation und Medien. Meine Diplomarbeit habe ich über ein filmpsychologisches Thema geschrieben, nämlich über die Darstellung psychischer Andersartigkeit im Spielfilm. Das bedeutet: Ich habe gemeinsam mit einer Kommilitonin im Referenzsystem des Filmes als „verrückt“ etikettierte Filmfiguren untersucht, um herauszuarbeiten, wie psychische Krankheiten in Filmen dargestellt werden. Neben dem Psychologiestudium habe ich dann eine Zusatzqualifizierung in Medienpsychologie erworben. Wenn man mich damals (z. B. auf einer Party) gefragt hat, was ich später mal machen will, war die Antwort oft: Ich möchte als Medienpsychologin Medienunternehmen beraten.   

Heute macht es mich sehr froh, dass ich beruflich genau das tun kann, was ich mir im Studium als Ziel gesetzt habe. Und gleichzeitig in der Selbstständigkeit auch zur beruflichen Inspiration noch weiteren kulturellen Interessen nachgehen kann. Das ist ein schönes Gefühl und hilft mir auch in stressigen Phasen.  

Wie hast du es geschafft, dich nach dem Studium als Medienpsychologin selbstständig zu machen? 

Ich hatte das große Glück, direkt nach dem Studium ein EU-Bildungsprojekt (für Frauen)  koordinieren und später auch leiten zu dürfen. Das war ein toller Start für mich, denn für die ersten vier Jahre hatte ich ein festes Standbein, das etwa die Hälfte meiner Zeit und Einnahmen ausgemacht hat. Die andere Hälfte habe ich damit verbracht, zu trainieren, zu moderieren und Erfahrung zu sammeln. Ich war zum Beispiel für die Deutsche Gesellschaft für Personalwesen tätig. Außerdem habe ich jahrelang Auswahlverfahren beim Auswärtigen Amt begleitet und als Referentin für ein Medienprojekt im Bundesministerium (BMFSFJ) gearbeitet. So habe ich es geschafft, Feldkenntnis zu erwerben und mich in dem Bereich Medienpsychologie selbständig zu machen.  

Was genau ist deine Aufgabe als Medienpsychologin?

Die Medienpsychologie ist ein junges und breites Feld und universitär vor allem seit den 90er Jahren etabliert. Im Kern geht es um die Beschreibung, Erklärung und Prognose von Verhalten, das mit Medien verknüpft ist. Dieser wissenschaftlich-akademische Hintergrund ist für mich als Praktikerin heute eher ein Vehikel für meine Arbeit.  

Kurz gesagt: Ich berate und begleite Menschen, Teams und Organisationen bei medienpsychologischen Fragen aller Art. Die Themen und Formen sind dabei sehr unterschiedlich – z. B. biete ich Einzelcoachings, Prozessworkshops oder Konferenzmoderationen an. Was mir viel Freude macht, ist, Menschen zu unterstützen, die regelmäßig moderieren oder als Teilnehmende in Paneldiskussionen sitzen. Außerdem habe ich ein Produkt namens „Innovationskraft stärken!“: Da unterstütze ich Personen und Organisationen dabei, Ideen zu generieren und ihren kreativen Muskel zu stärken und Voraussetzungen für mehr Innovation zu schaffen. 

Meine Aufgaben und Rollen sind sehr vielfältig, weil ich stets am Puls der Zeit arbeite. Je nach dem, was gerade im Feld vor sich geht, variiert meine Tätigkeit. Während der Corona-Pandemie konnte ich mich beispielsweise als Medienpsychologin intensiv mit dem Thema digitale Kommunikation auseinandersetzen: Was ist das Besondere an Online-Meetings? Wie können wir diese wirksam gestalten, Menschen virtuell zu einem Thema abholen, Nähe trotz der Distanz schaffen? 

Natürlich gibt es in meinem Arbeitsalltag auch klassische Führungsthemen, da ich auch als Trainerin und Coach arbeite: Wie führe ich mich selbst? Wie leite ich Feedbackgespräche? Wie finde ich mich innerhalb einer Organisation ein? Hier hilft mir mein systemischer Hintergrund sehr. Meine Qualifikation als Medienpsychologin ist nur ein Teilaspekt meiner beruflichen Identität, denn im Verlauf der letzten 25 Jahre habe ich einige Zusatzausbildungen gemacht. Somit sind auch meine Rollen sehr vielfältig. 

Porträtbild von Katrin Brinkhoff

Im Gespräch mit Medienpsychologin Katrin Brinkhoff (Foto: Annette Koroll).

Welche weiteren Facetten beschreiben deine berufliche Identität am besten? 

Meine Zusatzqualifikationen umfassen u. a. eine systemische Coaching- und Beratungsausbildung sowie eine Psychodrama-Ausbildung. Letzteres ist eine kreative Methode, um Themen und Konflikte erlebbar zu machen.  Ich lasse vor allem in Coachings die Klient:innen ihre Themen, wenn passend und gewünscht, spielerisch reflektieren. Das kann ein Rollenspiel sein oder ein Perspektivwechsel mit Personen oder Themen, zu denen eine konflikthafte Beziehung besteht. 

Auch im Bereich Transformationen und transformationale Führung habe ich mich weitergebildet. Mein Portfolio ist sehr vielfältig und Personen mit Marketing-Hintergrund sehen das möglicherweise kritisch, weil ein zugespitztes Profil Vorteile bieten kann. Für mich dagegen ist diese Wendigkeit und breite Palette sehr hilfreich. Ein Kunde meinte letztens: Wir suchen jemanden wie Katrin – jemanden mit so viel Schnittstellenkompetenz.  

Apropos Schnittstellenkompetenz – du warst auch mal journalistisch tätig. Wie hilft dir diese Erfahrung in deinem Arbeitsalltag? 

Mein journalistischer Hintergrund kommt mir auf jeden Fall zugute. Ich habe früher fernsehjournalistisch gearbeitet, zum Beispiel für das ZDF. Heute bin ich in dem Bereich nicht mehr sehr aktiv, aber die Feldkenntnis ist für meine Arbeit sehr wertvoll. Insbesondere dann, wenn ich für Kommunikationsabteilungen arbeite, und mich die Führungskräfte den Mitarbeitenden vorstellen. Dann ist es gut, dass ich ihre Rollen und Aufgaben verstehe. Schließlich habe ich selbst mitunter Interviews geführt und Medienbeiträge produziert.  

Wo begegnet dir bei deiner Arbeit der psychologische Aspekt? 

Die konstruktivistischen Konzepte von Identität sind sehr prägend für mich. Wir können uns immer wieder neu konstruieren, je nachdem, mit wem wir interagieren. Das empfinde ich als eine wahnsinnig hilfreiche und auch entlastende Sichtweise. Wir Menschen sind nicht starr – wir fühlen und verhalten uns immer anders, je nach Interaktionskontext.  

Aber auch die klassischen Konzepte über Kommunikation, z. B. von Paul Watzlawick oder Friedemann Schulz von Thun, finde ich solide und anwendbar. Und natürlich hilft mir die Systemtheorie, insbesondere im Coaching.  

In Workshops oder Trainings zum Thema Innovationskraft und Diversität sowie bei der Reflexion von Denkmustern in Entscheidungsprozessen vermittle ich oft erfahrungsbasiert verschiedene kognitive Bias, zum Beispiel den Confirmation Bias oder Ähnlichkeitsbias. Außerdem orientiere mich unter anderem an Kahnemanns „Thinking fast and slow“. Ich nutze hier Studien, aber auch Experimente und Film-Beiträge, die dies unterstützen. 

Was ist für dich die größte Herausforderung als selbstständige Medienpsychologin? 

In unserer komplexen Welt ist auch die Medienpsychologie ein Thema, das sehr breit und wenig abgegrenzt ist. Mit all den Phänomenen, die ich unter anderem in der Zeitung wahrnehme, habe ich auch im Beruf zu tun. Etwa dann, wenn ich für Ministerien oder Medienunternehmen arbeite. Aber manchmal ist das eine ziemliche Reizüberflutung. Mir ist sehr wichtig, die eigene Begrenztheit zu akzeptieren. Ich kann nicht alles machen, nicht auf allen Bühnen sein, nicht alles wissen. Vor allem in der Selbstständigkeit ist es unglaublich wichtig, auf sich selbst zu achten und neben der Arbeitsrolle noch weitere soziale Rollen zu (er)leben. Für mich sind beispielsweise Schwimmen gehen, Singen im Chor, Kino- und Theaterbesuche, grundsätzliche Erholung und auch Verabredungen und Austausch mit Kolleg:innen und Netzwerkpartner:innen  ganz klar Teil der Arbeit und Inspiration für die Arbeit. Ich trenne das gar nicht mehr – dies ist mir vor allem nach 20 Jahren Selbstständigkeit deutlich geworden.  

Welche Eigenschaften sollte man als Medienpsycholog:in mitbringen? 

Vor allem Neugierde auf die Welt, Neugierde auf Phänomene und die Offenheit, viel auszuprobieren und kennenzulernen. Ich praktiziere zum Beispiel eine Übung, die ich auch in Kreativitätsseminaren vermittle, die sogenannte „Monatsaufgabe“. Ich nehme mir jeden Monat etwas vor, was ich noch nie gemacht habe. Das kann alles sein: In ein mongolisches Restaurant zu gehen, zu einem Basketballspiel, in ein neues Museum, weil ich dort noch nie war oder etwa eine neue App für Meditation. Das stärkt die Kreativität und Offenheit für Neues. Man sollte sich außerdem zu neu aufkommenden Phänomenen weiterbilden, um am Ball zu bleiben. Ich bilde mich zurzeit beispielsweise zum Thema Künstliche Intelligenz weiter, denn während meines Studiums war das noch gar nicht relevant. Neugierig zu sein und zu lernen, empfehle ich Organisationen und allen Menschen, die medienpsychologisch arbeiten.  

Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Wir sprachen mit: 

Katrin Brinkhoff ist Diplom-Psychologin mit Schwerpunkt Medienpsychologie und diversen Qualifikationen u. a. in systemischer Beratung, Coaching und Moderation. Ihre Kunden sind Organisationen aus den Branchen Medien, Film, Kultur, öffentlicher Dienst und der freien Wirtschaft. Neben Prozessmoderation, Teamentwicklungen und Leadership-Coachings bietet sie auch Workshops und Methodentrainings rund um Kreativität und Innovation an.