Bossing: Wie Sie Psychoterror am Arbeitsplatz wirksam begegnen

Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsplatz ist nicht nur eine Quelle des Einkommens, sondern auch eine ständige Quelle des Stresses und der Unsicherheit. Bossing, das Mobbing durch den Chef oder die Chefin, ist eine unterschätzte Gefahr, die genau dies verursachen kann. Doch es gibt Wege, sich zu schützen und dagegen vorzugehen.

Bossing ist eine Form des Mobbings, die von Führungskräften ausgeht. Dabei werden Mitarbeitende durch systematische Schikanen und Psychoterror gezielt eingeschüchtert und manipuliert. Bossing kann sich gegen einzelne Personen richten oder unbewusster Teil des Führungsstils sein, der sich dann auf alle Mitarbeitenden auswirkt. Die Folgen sind nicht nur beruflicher Frust, sondern auch ernsthafte gesundheitliche Probleme (Huber & Fuchs, 2010). 

Typische Anzeichen von Bossing 

Bossing kann sich auf viele Arten äußern (Meldau, 2022): 

  • Kritik und Fehlerfindung: Ständige, ungerechtfertigte Kritik und das Ignorieren positiver Leistungen.  
  • Isolation: Ausschluss aus Meetings, Informationsflüssen und Projekten. 
  • Manipulation: Bewusste Verunsicherung durch gemischte Signale von Lob und Tadel.  
  • Gaslighting: Verdrehung von Tatsachen, um das Urteilsvermögen der Betroffenen zu untergraben.  
  • Schuldzuweisungen und Schikanen: Unfaire Verantwortungszuweisung für Fehler und Misserfolge, unfaire Behandlung, Diffamierung bei Kolleg:innen, unzumutbare Arbeitszeiten, unrealistische Deadlines und übermäßige Kontrolle.  
  • Direkte Angriffe: Verbal, durch Drohungen oder sogar physische Einschüchterung.  

Diese Anzeichen sind alarmierend und sollten keinesfalls ignoriert werden. Wer regelmäßig solche Erfahrungen macht, ist sehr wahrscheinlich von Bossing betroffen. 

Ursachen von Bossing 

Die Gründe für Bossing sind vielfältig und oft komplex. Häufig sind jedoch die nachfolgenden Gründe Auslöser für Bossing (Zapf & Beitler, 2017): 

  • Unsicherheit und Angst vor Konkurrenz, wenn Führungskräfte talentierte Mitarbeitende als Bedrohung sehen.  
  • Machtmissbrauch, wenn die eigene Position zur Einschüchterung ausgenutzt wird.  
  • Mangel an Führungsqualitäten, wenn die Fähigkeiten für einen angemessenen und konstruktiven Umgang mit Mitarbeitenden fehlen.  
  • Ungünstige Organisationskultur, wenn die Arbeitsumgebung toxisches Verhalten begünstigt.  
  • Unprofessionalität, wenn fehlende klare Standards und unzureichende Kommunikations- und Führungsfähigkeiten ein negatives Arbeitsumfeld schaffen.  
  • Impulsivität, wenn unüberlegte Entscheidungen und Reaktionen ein feindliches Arbeitsklima fördern.  

Die Auswirkungen von Bossing 

Eine Arbeitskultur, die Bossing nicht sanktioniert oder gar fördert, trägt erheblich zu deren Verbreitung und Verstärkung im Unternehmen bei, was massive negative Auswirkungen auf Betroffene haben kann (Lippe-Heinrich, 2019): 

  • Psychisch: Angstzustände, Depressionen und ein stark vermindertes Selbstwertgefühl.  
  • Physisch: Schlafstörungen, Magenprobleme und erhöhter Blutdruck.  
  • Beruflich: Verminderte Arbeitsleistung, häufigere Fehlzeiten und im schlimmsten Fall der Verlust des Arbeitsplatzes infolge der genannten physischen und psychischen Auswirkungen.  

Lösungen für Betroffene 

Wer von Bossing betroffen ist, sollte sich nicht schutzlos fühlen. Es gibt konkrete Maßnahmen, die Sie ergreifen können (Holtz, 2016): 

1. Innere Einstellung und Selbstreflexion: 

  • Machen Sie sich bewusst, dass die Ursache des Problems nicht bei Ihnen selbst liegt und es keine Rechtfertigung für ein solches Verhalten gibt.  

  • Lernen Sie sich selbst und Ihre Grenzen kennen und verteidigen Sie diese.  

2. Dokumentation: 

  • Halten Sie alle Vorfälle detailliert fest, um ein klares Bild zu bekommen und Beweise zu sichern, bspw. für den Betriebsrat, die Geschäftsführung oder für den Fall, dass Sie vor Gericht Beweise brauchen. Immerhin kann Mobbing, und damit Bossing, im Extremfall einen Straftatbestand darstellen.

3. Kommunikation: 

  • Konfrontieren Sie Ihre Führungskraft, sofern dies möglich und sicher ist. Sie sollten sich zu einem Gespräch in der Lage fühlen und den Eindruck haben, dass Ihre Führungskraft offen für Feedback ist und keine physische Gefahr (z. B. körperliche Gewalt) besteht. 

  • Beziehen Sie vertraute Kolleg:innen oder den Betriebsrat mit ein. 
  • Suchen Sie sich Unterstützung im privaten Umfeld.  

Scheitern alle Maßnahmen, können ein Wechsel in eine andere Abteilung oder ein neuer Job in einem anderen Unternehmen die einzige Lösung sein. 

Tipps für Führungskräfte: Verhaltensänderung und Prävention 

Sie haben sich selbst als Führungskraft mit mobbenden Verhaltenstendenzen erkannt? Sehr gut! Damit ist der erste Schritt – die Erkenntnis – bereits getan. In der Tat soll dieser Beitrag nicht bloß Betroffene aufklären, sondern auch Führungskräften, deren Verhalten unter Bossing fällt, Informationen liefern. Auch Top-Manager:innen können sich schließlich hinterfragen und ihr Verhalten ändern: 

Selbstreflexion und Selbsterkenntnis: Verhaltensanalyse (Greif et al., 2018) 

  • Überprüfen Sie, wann und warum Ihr Verhalten auftritt und welche Auswirkungen es auf die Mitarbeitenden und das Arbeitsumfeld hat.  
  • Nehmen Sie die Perspektive der Mitarbeitenden ein und versuchen Sie, die emotionalen Folgen Ihres Verhaltens zu verstehen. 

Professionelle Hilfe und Training (Greif et al., 2018) 

  1. Coaching: Suchen Sie sich professionelle Begleitung, um das eigene Führungsverhalten zu verbessern.  

  2. Leadership-Training: Nehmen Sie an Schulungen und Workshops zur Sensibilisierung und Verbesserung Ihrer Führungskompetenzen teil.  

  3. Psychotherapie: Verstehen Sie mit professioneller Unterstützung Ihre Persönlichkeitsmuster und verändern Sie so Ihr Führungsverhalten. 

Tipps für die Unternehmensleitung und HR: Bewusste Unternehmenskulturentwicklung 

Obgleich die besprochenen Ansätze für mobbende Führungskräfte von großer Bedeutung sind, zeigt sich häufig, dass solche Führungskräfte sich selten von selbst ändern oder ihre Verhaltensweisen als problematisch betrachten (Frandrup, 2023). Daher ist die Förderung einer unterstützenden Unternehmenskultur unerlässlich (Greve, 2019), auch als Präventivschlag gegen Bossing. Der folgende Abschnitt erörtert, wie Unternehmen durch gezielte Kulturentwicklung eine nachhaltige, stärkende und positive Arbeitsumgebung schaffen können. 

Kulturwandel initiieren und Kultur nachhaltig entwickeln (Herget & Strobl, 2024): 

  • Respekt und Zusammenarbeit: Schaffen Sie eine Arbeitskultur, die Bossing nicht duldet und auf Respekt und Zusammenarbeit basiert. Dazu gehören klare Verhaltensrichtlinien, regelmäßige Schulungen und Workshops sowie ein offener Dialog innerhalb des Unternehmens. 
  • Gesunde Arbeitsumgebung: Etablieren Sie ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle Mitarbeitenden wohlfühlen und ihre Bestleistung erbringen können. Dies erreichen Sie durch regelmäßige Mitarbeitendenbefragungen, Feedbackrunden und die Implementierung von Unterstützungsangeboten wie Coaching und Mediation.  
  • Prävention: Beugen Sie Bossing vor, indem Sie z. B. Vertrauenspersonen und anonyme Meldesysteme einsetzen, um Vorfälle frühzeitig zu erkennen und zu bearbeiten.  
  • Klare Richtlinien: Legen Sie Anti-Mobbing-Richtlinien und Konsequenzen bei Verstößen fest.  
  • Regelmäßige Trainings: Investieren Sie in fortlaufende Trainings für Führungskräfte und Mitarbeitende zur Sensibilisierung und Prävention. 

Unterstützung durch externe Beratungsagenturen

Meist ist es sinnvoll, sich als Unternehmen externe Unterstützung für den Kulturwandel zu suchen. Externe Beratungsfirmen bieten neben ihrer Expertise in Change Management und Organisationsentwicklung folgenden Mehrwert (Sackmann, 2017): 

  • Blinde Flecken identifizieren: Externe Beratungsagenturen decken unerkannte Probleme und blinde Flecken innerhalb der Organisation auf und entwickeln präzise Lösungsansätze. Ihre neutrale Perspektive hilft, voreingenommene Sichtweisen innerhalb des Unternehmens zu überwinden. 
  • Spezifisches Fachwissen: Die spezialisierten Kenntnisse, Erfahrungen und bewährten Methoden externer Berater:innen gehen oft über das hinaus, was intern vorhanden ist.  
  • Ressourcenentlastung: Durch die Übernahme bestimmter Aufgaben entlasten sie interne Teams, die sich somit auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. So beschleunigen Berater:innen den Kulturwandel. 
  • Schulung und Entwicklung: Trainings und Workshops schulen Mitarbeitende und Führungskräfte in neuen Fähigkeiten und Denkweisen. Zudem überwachen und evaluieren Berater:innen die Fortschritte objektiv. 
  • Netzwerk und Beziehungen: Das breite Netzwerk und die Kontakte von Berater:innen kommen Unternehmen in verschiedenen Aspekten des Kulturwandels zugute. 

Fazit 

Bossing bedroht das Wohlbefinden von Mitarbeitenden und den Unternehmenserfolg. Es ist entscheidend, die Anzeichen früh zu erkennen und sowohl als Betroffene als auch als Führungskraft aktiv dagegen vorzugehen. Mit gezielten Maßnahmen und professioneller Unterstützung schaffen Sie eine Arbeitsumgebung ohne Psychoterror, in der alle ihr volles Potenzial entfalten können. 

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