Neugierige Führung: Der Schlüssel für Innovation und Transformation

In einer Welt des ständigen Wandels und der Komplexität wird eine Führungsqualität immer wichtiger: die Neugier. Führungskräfte, die neugierig sind, schaffen nicht nur ein inspirierendes Arbeitsumfeld, sondern fördern auch Innovation, Zusammenarbeit und langfristigen Erfolg. Dieser Artikel verdeutlicht die Bedeutung der Neugier im Leadership anhand aktueller Studien und stellt Best Practices vor. 

Der Wirtschaftswissenschaftler Warren Bennis prägte 1989 den Satz: „Führungskräfte müssen neugierig sein.“ Diese Einsicht ist heute relevanter denn je. Im „Curiosity Report 2020“ geben 76 % der Mitarbeitenden an, dass eine neugierige Führungskraft ihre Innovationsfreude steigert. Unternehmen, die Neugier fördern, berichten von einer 25 % höheren Führungseffektivität.

Für Eric Schmidt, ehemaliger CEO von Alphabet, liegt die Essenz neugierigen Leaderships im Führen „mit Fragen, nicht mit Antworten“. In einem Satz: Führungskräfte, die Neugier fördern, schaffen ein Umfeld, das Innovation, Anpassungsfähigkeit und Lernen begünstigt. In der Folge nehmen die Kreativität, Zusammenarbeit und Resilienz von Teams zu. Doch wie neugierig sind Führungskräfte in Deutschland?

Vier Typen neugieriger Führungskräfte 

Der „Curiosity@Work Report“ (SAS Institute, 2021) unterscheidet vier Hauptstile neugierigen Führungsverhaltens: 

Zu den besonders innovativen Führungspersönlichkeiten gehören die High Curiosity Collaborators, die exploratives Denken und Teamarbeit in den Mittelpunkt stellen. Sie fördern ihre Teams aktiv darin, neue Ideen zu entwickeln und den Status quo zu hinterfragen, was zu durchschnittlich 25 % höheren Innovationsleistungen führt. Weltweit fallen 17 % der Führungskräfte in diese Kategorie, Deutschland liegt mit nur 12 % deutlich unter dem Durchschnitt.

Einen ebenfalls neugierigen Führungsstil haben die Flexibility Driven Opinion Seekers. Diese Führungskräfte zeichnen sich durch Offenheit gegenüber verschiedenen Perspektiven und eine flexible Entscheidungsfindung aus. Mit einem Anteil von 24 % weltweit – und 18 % in Deutschland – sind sie eine wichtige Gruppe, um Diskussionen und den Austausch von Meinungen zu fördern. Ihre Teams berichten von einer 18 % höheren Zufriedenheit, da sie stärker einbezogen werden und aktiv an Lösungen mitwirken können.

Etwas weniger neugierig sind die Productivity Focused Leaders, die sich auf Effizienz und gezielte Innovation konzentrieren. Sie entscheiden pragmatisch und wägen neue Ideen vor der Umsetzung genau ab. Dieser Führungsstil ist weltweit mit einem Anteil von 31 % und in Deutschland sogar mit 34 % vertreten. Teams unter solchen Führungskräften erreichen 20 % häufiger ihre Ziele, jedoch wird kreatives und exploratives Denken weniger gefördert, was die langfristige Innovationsfähigkeit einschränken kann.

Den größten Gegenpol zu neugierigen Führungsstilen bilden die Anti-Curiosity Leaders, die sich stark an etablierten Prozessen orientieren. Sie zeigen wenig Offenheit für Risiken und Neues und bevorzugen konservative Ansätze. Während weltweit 28 % der Führungskräfte dieser Kategorie angehören, liegt der Anteil in Deutschland bei alarmierenden 36 %. Somit stoßen Neugier und Innovation in deutschen Organisationen auf erhebliche Hürden. Anti-Curiosity Leaders bremsen die Entwicklung von Teams und Organisationen aus, was sich in einer 30 % geringeren Innovationsrate und einer erhöhten Mitarbeiterfluktuation äußert.

Der hohe Anteil von Anti-Curiosity Leaders in Deutschland signalisiert, dass strukturelle und kulturelle Barrieren überwunden werden müssen, um eine Unternehmenskultur der Neugier zu etablieren und das Potenzial der Mitarbeitenden voll auszuschöpfen sowie die Innovationsfähigkeit langfristig zu sichern.

Barrieren: Warum Neugier oft scheitert

Im „Merck Curiosity Report“ wurden in den Jahren 2016 bis 2021 die Neugierbarrieren durch Befragung von Mitarbeitenden untersucht. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:

1. Hierarchische Strukturen   

  • In Organisationen mit starren Hierarchien fühlen sich Mitarbeitende oft eingeschränkt, ihre Neugier auszudrücken.  
  • Fragen oder alternative Ideen werden häufig als Bedrohung für die Autorität von Führungskräften wahrgenommen.
  • Folge: Mitarbeitende stellen den Status quo nicht infrage und bringen keine neuen Vorschläge ein. Kreatives Denken und Wissensaustausch innerhalb der Organisation werden gehemmt. 

2. Zeit- und Leistungsdruck   

  • In vielen Unternehmen liegt der Fokus auf kurzfristigen Zielen und effizienter Zielerreichung, was Druck erzeugt. 

  • Folge: Es gibt wenig Raum für exploratives oder kritisches Denken. Der Fokus auf unmittelbaren Ergebnissen behindert die Entwicklung neuer Ansätze. 

3. Risikoaversion   

  • Liegt der Fokus auf Risikominimierung, wird Neugier oft als Gefahr angesehen.  
  • Fehler und Fehlschläge werden sanktioniert, was eine Kultur der Vorsicht und Konformität schafft.  
  • Folge: Mitarbeitende und Führungskräfte verfolgen seltener neue oder unkonventionelle Ideen. Dies blockiert Innovationen und reduziert die Anpassungsfähigkeit. 

4. Fehlendes Verständnis für den Wert von Neugier   

  • Viele Führungskräfte erkennen nicht den direkten Nutzen von Neugier für die Organisation. Sie betrachten exploratives Verhalten als ineffizient oder Zeitverschwendung.  
  • Folge: Neugier wird nicht strukturell gefördert und Mitarbeitende fühlen sich entmutigt, neugierig zu sein, was das Potenzial für Wachstum und Innovation verringert. 

5. Mangelnde Führungskompetenzen   

  • Führungskräfte sind nicht immer darauf vorbereitet, Neugier zu fördern. Es fehlt an Training und Wissen darüber, wie Fragen gestellt und Diskussionen gefördert werden können.  

  • Folge:  Die fehlende Förderung von Neugier auf Führungsebene überträgt sich auf die gesamte Organisation und führt zu einer stagnierenden Unternehmenskultur. 

Positive Auswirkungen von Neugier  

So negativ sich fehlende Neugier auf Innovation und Transformation auswirkt, so positiv sind die Effekte neugieriger Führung. Wie die empirische Studie von Jie Ma (2023) an 60 Teams in verschiedenen Branchen zeigte, nimmt in Teams mit neugierigen Führungskräften die Zusammenarbeit zu, was wiederum die Innovationsleistung steigert.

Auch eine Untersuchung von Kashdan et al. (2020) zeigt eindrücklich, dass eine Kultur der Neugier die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens signifikant steigert. Neugierige Führungskräfte schaffen sogenannte „poröse Grenzen“, die den Wissensaustausch zwischen Teams fördern und dadurch innovative Ideen begünstigen. Ein herausragendes Praxisbeispiel ist Astro Teller, Leiter von Alphabets X, der sein Team aktiv dazu ermutigt, unkonventionelle Ideen zu verfolgen. Er will Neugier nicht nur fördern, sondern selbst vorleben. Er inspiriert seine Mitarbeitenden, eigene Grenzen zu überwinden und Neues zu entdecken, was nicht nur die Innovationskraft seines Teams, sondern auch die Unternehmenskultur nachhaltig prägt.

Neugier stärkt neben der Innovationsfähigkeit auch die emotionale Bindung der Mitarbeitenden an ihre Arbeit. Muhammad Muhammad Khan (2022) zeigt in seiner Forschung, dass Neugier und Sinnhaftigkeit eng miteinander verbunden sind. Mitarbeitende, die in ihrer Arbeit Sinn sehen, sind motivierter, Neues zu lernen, und zeigen mehr Engagement für ihre Aufgaben. Führungskräfte, die Autonomie und selbstbestimmtes Arbeiten fördern, können diese Dynamik gezielt verstärken und so die Produktivität und das Wohlbefinden ihrer Teams verbessern.

Darüber hinaus hat Neugier auch das Potenzial, Konflikte zu deeskalieren. Eine Studie von Siregar und Suma (2024) belegt, dass neugierige Führungskräfte durch die Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven und den Einsatz von Empathie eine harmonische Arbeitsumgebung schaffen können. Diese Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu lösen, trägt nicht nur zu einem besseren Arbeitsklima bei, sondern fördert auch die Zusammenarbeit und die Innovationsfähigkeit.

Ein weiterer Bereich, in dem Neugier eine entscheidende Rolle spielt, ist das Mentoring. MacKinnon et al. (2017) betonen in ihrer Untersuchung, dass neugierige Führungskräfte ihre Mentees inspirieren, kreativer und resilienter zu werden. Indem sie Fragen stellen, neue Ideen fördern und konstruktives Feedback geben, ermöglichen sie persönliches und berufliches Wachstum. Diese Form des Leaderships hat weitreichende positive Effekte auf die Entwicklung zukünftiger Führungspersönlichkeiten und die Innovationskultur in Unternehmen.

Schließlich zeigt eine Studie von Kashdan et al. (2023), dass epistemische Neugier – das Streben nach Wissen – die Diversität und Kreativität in Teams erheblich stärkt. Neugierige Führungskräfte schaffen nicht nur Raum für neue Ideen, sondern sorgen auch dafür, dass vielfältige Perspektiven gehört und genutzt werden. Dies führt zu kreativeren Lösungen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Fazit: Neugier als Zukunftskompetenz   

Wie die Ergebnisse zeigen, ist Neugier ist weit mehr als eine persönliche Eigenschaft. Sie ist eine strategische Ressource, die Unternehmen dabei hilft, in einer dynamischen Welt langfristig erfolgreich zu sein. Führungskräfte, die Neugier vorleben und fördern, schaffen nicht nur ein inspirierendes Arbeitsumfeld, sondern auch die Grundlage für nachhaltige Innovation und Erfolg.

Literaturliste zum Download

Zum Weiterlesen

[Werbung] Naughton, C. (2024). Die Kraft der Neugier. Econ.