Topsharing: Erfolgsfaktoren für die hybride Zusammenarbeit

Der Mehrwert von Führungstandems ist einleuchtend, doch die Umsetzung solcher Modelle ist herausfordernd – insbesondere in unserer digitalen Arbeitswelt. Wie gelingen Organisation, Kommunikation und Vertrauensaufbau trotz Distanz? Auf der Grundlage empirischer Studienergebnisse lassen sich Erfolgsfaktoren hybrider Zusammenarbeit im Topsharing identifizieren.

Immer mehr Führungskräfte entscheiden sich für das Führungsmodell Topsharing (Jobsharing auf Führungsebene), denn es begegnet vielen aktuellen Herausforderungen der VUCA-Arbeitswelt (Krzywdzinski & Christen, 2020). Zudem führt es zu einem Innovationsgewinn und ermöglicht es, Führungspositionen in Teilzeit auszuführen (Himmen, 2019). So werden gendergerechte Führungsstrukturen geschaffen.

Führungskräfte im Topsharing arbeiten meist in Teilzeit und, durch die begrenzte Arbeitszeitüberschneidung, schon immer hybrid zusammen. Die intensive hybride Zusammenarbeit ist also nichts Neues für Führungstandems. Seit der Pandemie hat sich aber auch bei ihnen der Anteil digitaler Arbeit erhöht. Dies kann problematisch sein, weil gerade im Jobsharing eine belastbare, vertrauensvolle Bindung und gute Kommunikation unerlässlich sind.

Wie erleben Führungstandems ihre hybride Zusammenarbeit und welche Best- Practices können bei hohen Digitalisierungsgrad im Topsharing helfen? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit vier Expertinnen aus dem Jobsharing-Bereich und sieben Führungskräfte aus Tandems in einer qualitativen Studie befragt (Prietz, 2022). Die Führungskräfte unterteilen sich in vier männliche und drei weibliche zwischen 32 und 56 Jahren, die unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehen (z. B. HR, Geschäftsführung oder Finance) und aus verschiedenen Branchen stammen (Automobil-, Logistikbranche, Sozial-, Kosmetik- und Finanzbranche).

 

Wie erleben Führungskräfte ihre hybride Zusammenarbeit im Tandem?

Hybride Zusammenarbeit ist und bleibt das passende Arbeitsmodell für Führungstandems, denn weder eine vollständig physische Zusammenarbeit noch ein vollständig digitales Modell ließe sich laut der Befragten erfolgreich verwirklichen. Sie erleben die hybride Zusammenarbeit grundsätzlich als sehr positiv, denn sie bringt diverse Vorteile mit sich, z. B.:

  • Intensiver Austausch durch digitale Tools
  • Hohe Effizienz und Produktivität durch Medien und flexible Kommunikation
  • Zeitliche und örtliche Flexibilität

Seit dem gestiegenen Anteil digitaler Arbeit erleben jedoch auch Führungstandems negative Veränderungen im Kooperationsprozess, beispielsweise im Hinblick auf den Vertrauensaufbau und die Kommunikation. Diese bergen die Gefahr, die wertvollen Vorteile des Topsharing-Modells (z. B. Umgang mit Komplexität, Innovationsgewinn) zu reduzieren oder sogar zu eliminieren. Vor allem sind in diesem Kontext die folgenden Herausforderungen zu benennen:

  • Überlastete Führungstandems durch Informationsflut und Arbeitsintensivierung
  • Informationsdefizite in Dokumentation und Kommunikation
  • Eingeschränkter Vertrauens- und Beziehungsaufbau durch fehlende Emotionalität und soziale Ereignisse
  • Erhöhtes Konfliktpotential, z. B. durch unausgeglichene Präsenzzeiten oder eingeschränkte Kommunikation
  • Mangelhafte technische Rahmenbedingungen von Unternehmen, z. B. Berechtigungsmanagement oder fehlende Digitalisierung

 

Best Practices für die hybride Zusammenarbeit

Jedes Tandem ist aufgrund individueller Kompetenzen und Eigenschaften sowie deren Zusammenspiel einzigartig, somit kann es kein allgemeingültiges Erfolgsrezept für die hybride Zusammenarbeit geben. Auf der Grundlage der systematischen Auswertung der Interviewdaten ist es jedoch möglich, Empfehlungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu formulieren. Vor allem soziale Kriterien zur Kommunikation, die Bindung innerhalb der Tandems und Faktoren zu digitalen Rahmenbedingungen tragen zum Gelingen bei.

Eine Frau und ein Mann im Businessoutfit sitzen am Tisch und unterhalten sich.

Auch ein regelmäßiger Präsenzkontakt sollte bestehen bleiben (Foto: nenetus – stock.adobe.com)

„Verliert euch nicht aus den Augen!“

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen besonders, dass sich Führungskräfte in Tandems trotz steigender Flexibilisierung und Digitalisierung in zweierlei Hinsicht nicht aus den Augen verlieren dürfen: Sowohl der beziehungsorientierte Austausch als auch der Präsenzkontakt sollten weiterhin bestehen bleiben, um die gemeinsame Führungsaufgabe erfolgreich zu gestalten. Bewusste und regelmäßige Zeit vor Ort ist insbesondere bei einigen kritischen Ereignissen ratsam, z. B.:

  • Vorbereitungs- und Kennenlernphase
  • Bindungsarbeit und soziale Aktivitäten
  • Komplexe oder emotionale Anliegen
  • Coaching und gemeinsame Reflexion
  • Strategische, kreative und neue Themen
  • Stressintensive Phasen

 

Die Basis für eine starke Bindung schaffen

Je höher der Digitalisierungsgrad in der Zusammenarbeit ist, desto wichtiger werden eine stabile Beziehung und gegenseitiges Vertrauen. Dafür muss aktiv Zeit eingeplant werden, vor allem für:

  • Intensive sowie begleitete Vorbereitungs- und Kennenlernphase vor Ort für die gemeinsame Identität (gemeinsame Ziele, Werte und Rollen definieren)
  • Regelmäßige gemeinsame Reflexion und proaktives Feedback vor Ort und digital (je digitaler, desto proaktiver)

 

Klare Regeln zur Entlastung und Transparenz

Durch die Flut an Informationen werden Kommunikation und Dokumentation immer komplexer. Um eine Überlastung zu vermeiden, sollten Führungstandems klare Regeln aufstellen und Prozesse etablieren, z. B.:

  • Geplante Kommunikation, um ständige Arbeitsunterbrechungen zu vermeiden (z. B. ein wöchentlicher Übergabetermin, wöchentliche Tandem-Time, Tageszusammenfassung durch Sprachnachricht oder morgendliches Update)
  • Klar strukturierte Dokumentation und Ablage in einem vereinbarten Detailgrad
  • Balance zwischen Hol- und Bringschuld von Informationen regeln
  • Erreichbarkeit eingrenzen: Transparente Arbeitszeiten, Zeitpuffer zwischen Besprechungen schaffen, Status bei Messengern diszipliniert nutzen, Blocker für Fokuszeiten oder private Termine ernst nehmen

 

Medien und Informationskanäle clever nutzen

  • Weniger ist mehr: Zwei bis drei digitale Tools können den Informationsfluss optimieren und eine Überforderung verhindern (z. B. MS Teams als Kollaborations- und Kommunikationstool, MS OneNote als zentrales Tool für Dokumentation, Aufgabenplanung, Stimmungsaustausch und MS Outlook für Informationen niedriger Dringlichkeit und Termine)
  • Gemeinsames Regelsystem für die Nutzung digitaler Kanäle iterativ entwickeln und regelmäßig reflektieren
  • Eskalationsmodell für digitale Kommunikationskanäle nach Dringlichkeit definieren (z. B. Anruf > SMS > Teams Nachricht > E-Mail)
  • Zwischentöne bei reichhaltigen Informationen transportierten (z. B. durch Sprachnachrichten, Telefonate und Präsenzzeiten)

 

Fazit

Für mehr Orientierung und Klarheit in der schnelllebigen VUCA-Welt sind tandem-spezifische Regelungen sehr hilfreich. Zentral für Führungstandems sollte aber vor allem die agile Denkweise bleiben: Jegliche Regeln, Prozesse und Herangehensweisen sollten nie starr, sondern immer veränderbar und flexibel bleiben. Gepaart mit regelmäßiger gemeinsamer Reflexion kann diese flexible Denkweise bereits zum Erfolg führen.

 

Literatur

Krzywdzinski, M., & Christen, S. (2020). Im Tandem durch die Krise: Arbeit im Jobsharing während der COVID-19-Pandemie. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Himmen, E. (2019). Topsharing: Eine Studie zum Interesse an Jobsharing auf Führungsebene. BestMasters. Springer Gabler.

Prietz, L. (2022). Der Weg zu New Work durch Topsharing: Qualitative Studie zu Erfolgsfaktoren der hybriden Zusammenarbeit von Führungstandems (unveröffentlichte Masterarbeit). FOM Hochschule für Oekonomie & Management.

 

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