Führungskräftewechsel – Wie Sie das Vertrauen der Mitarbeitenden erhalten
Ein Personalwechsel an der Führungsspitze wirkt sich auf das Vertrauen und die Bindung von Mitarbeitenden an das Unternehmen aus. Das ist die Schlussfolgerung einer Studie von Culture Amp. Im Interview erläutert der Psychologe Dr. Arne Sjöström, wann das Vertrauen in die Führungskraft am meisten leidet, und welche Maßnahmen verhindern, dass Mitarbeitende sich abwenden.
Herr Sjöström, wie lief die Studie zu Wechseln im Top Management ab?
Für die Studie wurden Daten von 1,7 Millionen Mitarbeitenden aus dem Datenpool von Culture Amp ausgewertet. Dieser umfasst die Daten von 8.000 Organisationen und ist weltweit der größte Pool an Mitarbeitendendaten. Die Befragungen der Mitarbeitenden fanden zwischen dem 30. April 2022 und 30. April 2024 statt. Unsere Forschungsfrage war: Wie verändern sich ausgewählte Parameter vor und nach dem Wechsel der Führungskraft?
Was waren die zentralen Ergebnisse?
Wir haben gesehen, dass das Vertrauen in eine Führungskraft, die neu in diese Position kommt, um 8% sinkt. Zugleich steigt die Bereitschaft von Mitarbeitenden, das Unternehmen zu verlassen, um 7%: Sie denken häufiger über einen Wechsel nach und halten es für weniger wahrscheinlich, in den nächsten ein bis zwei Jahren noch Teil des Unternehmens zu sein. Aber auch die Überzeugung der Mitarbeitenden, dass das Unternehmen auf innovative Ideen eingeht, sinkt um 8%, wenn eine neue Führungskraft antritt.
Was sind die Gründe für die Abnahme von Vertrauen und Bindung?
Generell führen Veränderungen im Unternehmen zu Unsicherheit. In anderen Untersuchungen haben wir auch festgestellt, dass das Engagement von Mitarbeitenden in Zeiten von Veränderung sinkt. Die Führungskraft hat eine sehr wichtige Position und Einfluss auf das Unternehmen über das unmittelbare Team hinaus; ein Wechsel wirft somit Fragen auf und erzeugt Unsicherheit.
Spielt es eine Rolle, ob die Führungsposition intern oder extern neu besetzt wird?
Definitiv. Zum einen hinsichtlich der sogenannten Role Fits, die offensichtlich insbesondere durch externe Neubesetzungen beeinflusst werden. Mit Role Fits ist die Zufriedenheit mit der eigenen Rolle im Vergleich dazu, wie sie einem zuvor beschrieben wurde, gemeint. Wenn die neue Führungskraft vorher nicht Teil des Unternehmens war, fiel die Wahrnehmung des Role Fit geringer aus. Ein Grund könnte sein, dass die Verunsicherung bei einer gänzlich unbekannten Person größer ist, da man diese nicht gut einschätzen kann und gegebenenfalls weniger Klarheit über Erwartungen und Auswirkungen auf die eigene Rolle besteht. Eine interne Neubesetzung hingegen kann weniger Unsicherheit erzeugen und obendrein motivierend wirken, weil sie zeigt, dass ein Aufstieg innerhalb des Unternehmens möglich ist.
Generell sollten Unternehmen also v. a. bei externen Neubesetzungen im Top Management der Vorstellung und Kommunikation im Unternehmen besonderes Augenmerk schenken, um dem Verlust von Vertrauen vorzubeugen.
Welche unterschiedlichen Effekte haben Sie je nach Hierarchieebene der Führungskraft gefunden?
Wir haben die Effekte für unmittelbare Führungskräfte mit jenen von Führungskräften einige Ebenen höher verglichen. Das Ergebnis: Der Vertrauensverlust ist geringer, wenn es um direkte Vorgesetzte geht. Als direkt unterstelltes Teammitglied besteht mehr Kontakt zu der neuen Führungskraft und kann besser Vertrauen aufbauen. Bei Manager:innen, die einige Ebenen entfernt agieren, wirkt hingegen alles abstrakter und die Unsicherheit ist größer. Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte über den unmittelbaren Kreis hinaus kommunizieren. Das Vertrauen in Führungskräfte ist der entscheidendste Treiber für das Engagement von Mitarbeitenden. In dieses Vertrauen sollten Sie investieren.
Wie steht es generell um das Vertrauen in Führungskräfte?
Über die letzten Jahre haben unsere Daten ein stetig sinkendes Vertrauen verzeichnet. Nur während der Pandemie gab es einen Anstieg, es war eine neue Situation und viele Führungskräfte sind an der Herausforderung gewachsen. Danach ging das Vertrauen jedoch wieder runter.
Mitarbeitende wollen das Gefühl haben, dass es Verständnis für ihre Situation gibt. Vermutlich haben Führungskräfte während der Pandemie mehr Nähe erzeugt, indem sie mehr kommuniziert haben und sichtbarer waren. Fühlen sich Mitarbeitende jedoch nicht gesehen und verstanden, können Distanz und eine Wir-gegen-die-Haltung entstehen, wodurch Verbindung und Vertrauen abnehmen. Es ist essenziell, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitenden das Gefühl geben, dass sie wichtig für das Unternehmen sind.
Wie genau können Führungskräfte das erreichen?
Neue Führungskräfte sollten besonders auf Wertschätzung, Transparenz und eine offene und klare Kommunikation achten. Sie sollten sich im Unternehmen vorstellen und erklären, was sich in welchem zeitlichen Rahmen verändern wird, aber auch, was nicht anders werden soll. So können sie Unsicherheit und Ängste reduzieren.
Es geht generell darum, den Mitarbeitenden zuzuhören und zu fragen, wie es ihnen geht, was sie erwarten oder befürchten. Dafür können Einzelgespräche hilfreich sein, aber auch Mitarbeitendenbefragungen sind eine nützliche Methode.
Ein anderes Forschungsprojekt hat uns gezeigt, dass diejenigen Unternehmen, die sehr dicht an den Mitarbeitenden dran sind, die zuhören und Befragungen in Zeiten von Veränderungen durchführen, die Veränderungsphasen erfolgreicher durchlaufen. Wenn sie wissen, was den Mitarbeitenden wichtig ist, können sie das direkt in ihrer Kommunikation umsetzen und diese Aspekte ansprechen. Das ist entscheidend, gerade in Veränderungsprozessen.
In Ihrer Studie empfehlen Sie auch proaktive Unterstützungssysteme. Was bedeutet das?
Damit ist gemeint, dass potenzielle und tatsächliche Herausforderungen für Mitarbeitende proaktiv angesprochen werden. Führungskräfte sollten solche Gespräche nicht vermeiden, sondern anerkennen, dass es eine herausfordernde Zeit ist, die auch mit Unsicherheit einhergehen kann. Sie sollten dem Team ihre Pläne erläutern und eine zeitliche Perspektive geben, damit Mitarbeitende besser einschätzen können, was auf sie zukommt. Werden die Themen der Mitarbeitenden nicht angesprochen, entsteht ein Vakuum, das häufig gefüllt wird mit Ängsten oder eigenen Überlegungen.
Wie können Führungskräfte ein Mindset fördern, das Veränderungen als positiv und als Chance versteht?
Veränderungen haben aus Sicht vieler Menschen diverse Nachteile, z. B. fühlen sich viele weniger anerkannt in ihrer Leistung oder es führt zu Unklarheiten in Bezug auf die Anforderungen an die eigene Rolle, wenn es eine Veränderung an der Führungsspitze gibt.
Trotzdem können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden spüren lassen, dass ein Wechsel auch Positives mit sich bringen kann, z. B. neue Impulse und Chancen. Der Schlüssel ist erneut die offene, transparente Kommunikation. Unternehmen sollten frühzeitig und regelmäßig über den Wechsel aufklären und die damit verbundene Vision kommunizieren. Die neue Führungskraft sollte Verbindungen zu den Aspekten, die Mitarbeitenden wichtig sind, herstellen und die Vorteile benennen, die Mitarbeitende durch ihre Pläne haben. Dabei können – soweit möglich – die Mitarbeitenden bei Entscheidungen einbezogen werden. Nicht zuletzt erzeugen wertschätzendes Feedback und ein Bewusstsein für die Unternehmenswerte Nähe.
Wer eine Führungsposition neu antritt, sollte ein psychologisch sicheres Umfeld schaffen, in dem sich alle trauen, Fragen zu stellen und vorbehaltlos Feedback zu geben. Das ist auch positiv für die Führungsperson, die so einfacher an Informationen gelangt, mit denen sie arbeiten kann.
Darüber hinaus haben wir im vergangenen Jahr herausgefunden, dass es auch um die Vorbildwirkung von Führungskräften geht. Teams imitieren das Verhalten der Führungskraft. Wenn Manager:innen also wertschätzendes Feedback geben oder einfordern, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich dieses Verhalten im Unternehmen multipliziert und in der Unternehmenskultur widerspiegelt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wir sprachen mit:
Dr. Arne Sjöström, Organisationspsychologe und Regional Director, People Science EMEA bei der Feedback- und Analyseplattform für Mitarbeitende „Culture Amp“. Er unterstützt Kund:innen beim Einholen, Verstehen und Umsetzen von Feedback aus der Belegschaft mithilfe technologischer und psychologischer Tools und Expertise.